Von der europäischen Politik ist in Sachen Pestizid-Verbot wohl wenig Hilfe zu erwarten, dazu schreiben zu viele Unternehmen an den Gesetzen und Richtlinien der EU mit, gehen in den Büros der Kommission ein und aus und beeinflussen auch noch die Studien, die Gesetze begründen - oder abwehren. Nun gibt es also eine Großstudie, die Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend einstuft - und eine, die das Gegenteil verkündet. Was tun?

Der “Spiegel” berichtete am Freitag, 13. November, über die beiden nur scheinbar konträren Studien. Während die IARC-Studie schlicht das Risiko bewertet, dass das Pestizid Glyphosat krebserregend sein könnte (und das Risiko existiert), hat sich die Efsa-Studie mit der direkten Gesundheitsschädlichkeit von eingesetzten Konzentrationen beschäftigt.

Was bedeuten kann, dass die Chemie-Keule Glyphosat kein erhöhtes Risiko erzeugt, wenn sich die Bauern beim Einsatz an die Regeln halten.

Was aber nicht ausschließt, dass diese Regeln nicht immer eingehalten werden und das Zeug dann eben doch in der Nahrungskette landet, wo es nicht hingehört.

Was tun, fragten sich deshalb die Biochemiker der Universität Leipzig, nachdem gerade vor drei Jahren von Leipzig aus die Nachricht ja erst in die Welt gegangen war, dass Spuren von Glyphosat selbst noch im menschlichen Urin nachgewiesen werden können. Es gelangt also in die Nahrungskette. Und damit wird logischerweise das Krebsrisiko akut.

Aber wie gesagt: Was können Forscher tun, wenn sich die hohe Politik schwer tut, das Pestizid weiter zu begrenzen in der Anwendung oder gar ganz zu verbieten? Immerhin ist der Streit ja deshalb so heftig geworden, weil die Zulassung von Glyphosat in der EU im Juni 2016 ausläuft.

Was auch die Debatte einschließt, ob und wie viel Chemie überhaupt in die Landwirtschaft darf oder ob es nicht an der Zeit ist, von der alten Chemie-Gläubigkeit wegzukommen.

Glyphosat bleibt unter Verdacht

An der Grundeinschätzung hat sich ja nichts geändert: Pestizide aus der Landwirtschaft belasten zunehmend sowohl unsere Umwelt als auch unsere Nahrungsmittel. Sie werden auch in Böden, Grundwasser und Fließgewässern in Sachsen immer wieder nachgewiesen. Dabei gelten sie oft schon in geringen Mengen als gesundheitsschädlich. Dennoch existiert bisher keine Methode, diese Substanzen schnell und einfach vor Ort nachzuweisen.

Das wollen Forscher der Universitäten in Leipzig und Dresden ändern und in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie einen Pestizid-Schnelltest entwickeln.

Und besonders unter Verdacht, bereits in geringen Mengen umweltschädlich und krebserregend zu sein, steht natürlich Glyphosat, das weltweit am meisten eingesetzte Unkrautvernichtungsmittel. In Deutschland wird es auf 30 bis 40 Prozent der Ackerflächen verwendet. Aufgebracht auf die Felder gelangt es in unsere Gewässer, ins Trinkwasser und das angebaute Obst und Gemüse.

Entscheidend für die mögliche schädliche Wirkung von Glyphosat und anderen in der Landwirtschaft eingesetzten Chemikalien ist aber – so betont die Universität – auch deren Konzentration in der Umwelt und in Nahrungsmitteln. Wie hoch diese tatsächlich ist und ob bestimmte Grenzwerte überschritten werden, konnte dabei bisher nur aufwendig und teuer im Labor untersucht werden. Schnelle Nachweismethoden, die die Substanzen mit der entsprechenden Genauigkeit direkt vor Ort aufspüren, gibt es bisher nicht.

Schneller Nachweis gesucht

Unterstützt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), entwickeln deshalb nun Biochemiker der Universität Leipzig gemeinsam mit Genetikern der TU Dresden sowie Experten dreier klein- und mittelständischer Unternehmen – der UMEX GmbH Dresden, dem Privaten Institut für Umweltanalysen (IfU) GmbH und der Gebrüder Heyl Vertriebsgesellschaft für innovative Wasseraufbereitung mbH – in den nächsten drei Jahren eine Methode, die preiswert und dennoch präzise die Konzentration von Agrochemikalien ermitteln soll.

Die Idee dabei ist: Sie bauen den Mechanismus nach, der sich abspielt, wenn Glyphosat und andere Pestizide auf die anvisierten Schädlinge wirken. Dann blockieren sie meist – je nach Art des Pestizids – ein lebenswichtiges Enzym oder ein anderes Biomolekül, indem sie es binden und damit außer Kraft setzen.

Dieses Bindungsereignis wollen die Forscher nun nachempfinden, indem sie Moleküle entwickeln, an denen das Pestizid ebenfalls binden kann. Treffen Pestizid und das nachempfundene Molekül nun aufeinander, wird das auch optisch sichtbar sein.

“Ähnlich wie bei bestimmten Schwangerschaftstests führt diese Reaktion zu einer mit bloßem Auge erkennbaren Farbänderung. Ob auf einem Teststreifen oder in einem Reagenzglas – über die Form der Anwendung müssen wir uns noch klar werden, wenn es soweit ist und die Methode zur Marktreife geführt wird”, erklärt Tilo Pompe, Professor für Biochemie an der Universität Leipzig.

Er und seine Arbeitsgruppe untersuchen zusammen mit Dr. Kai Ostermann vom Institut für Genetik der TU Dresden die biochemischen und genetischen Grundlagen innerhalb dieses großangelegten Forschungsprojekts PARTOS. “Der Nachweis von Glyphosat soll dabei erst der Anfang sein. Haben wir für diese Substanz eine erfolgreiche Methode entwickelt, wollen wir uns anschließend anderen Unkraut- und Schädlingsbekämpfungsmitteln widmen”, so der Genetiker Ostermann von der TU Dresden.

Ein wichtiges Ziel der Forscher ist es, ein Verfahren zu entwickeln, das mit geringem technischem Aufwand weltweit eingesetzt werden kann. Soll heißen: Nicht nur in Deutschland oder anderen Industriestaaten, sondern auch in wirtschaftlich weniger entwickelten Regionen der Zweiten und Dritten Welt.

“Tatsächlich ist es dort leider oft so, dass die Konzentration von Pestiziden in Umwelt und Nahrung vielerorts sogar höher liegt, als hierzulande”, erklärt Pompe. Für die Nachweistechnik bedeute das, dass sie robust und preisgünstig sein sollte.

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