Petra Köppings Wunsch wurde erhört: Immer wieder hat die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) gefordert, die Spätfolgen der Treuhandarbeit im Osten zu untersuchen. Denn so bekam sie es ja in vielen Gesprächen mit den Sachsen zurückgespiegelt. Seit die Treuhand im Osten tabula rasa gemacht hat, ist im Leben vieler Ostdeutscher der Wurm drin. Am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) soll das jetzt eine ganze Forschergruppe untersuchen.

Es ist eine der wichtigsten Auszeichnungen des deutschen Wissenschaftsbetriebs: Der mit 1,5 Millionen Euro dotierte Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis geht in diesem Jahr an den Volkswirt Ufuk Akcigit von der Universität Chicago. Am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) will Akcigit mit innovativen Methoden untersuchen, warum die Wirtschaft in Ostdeutschland bis heute hinter der westdeutschen zurückbleibt – und welche Rolle die Treuhandanstalt dabei spielt.

Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) ist Gastgeber für den Träger des Max-Planck-Humboldt-Forschungspreises 2019.

Die Auszeichnung erhält der Ökonom Ufuk Akcigit von der Universität Chicago für seine exzellenten wissenschaftlichen Leistungen sowie sein herausragendes Zukunftspotenzial. Unter Akcigits Leitung soll nun eine neue Forschungsgruppe am IWH mit komplexen Methoden untersuchen, weshalb 30 Jahre nach dem Mauerfall die wirtschaftliche Kluft zwischen Ost- und Westdeutschland fortbesteht.

Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gestiftete Preis ist mit 1,5 Millionen Euro dotiert und zählt zu den bedeutendsten Auszeichnungen im deutschen Wissenschaftsbetrieb. Er wird jedes Jahr gemeinsam von der Max-Planck-Gesellschaft und der Alexander von Humboldt-Stiftung an eine Forscherpersönlichkeit aus dem Ausland verliehen, die damit für eine bestimmte Zeit in Deutschland arbeitet. Die Preisverleihung findet am 5. November 2019 in Berlin statt.

Am IWH kann Ufuk Akcigit auf einen einzigartigen Datenbestand sowie jahrzehntelange Expertise in der Transformationsforschung zurückgreifen, stellt Reint E. Gropp, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), fest.

Akcigit plane drei Forschungsprojekte, wobei das erste das umfangreichste und brisanteste sei. Es geht der Frage nach, welche historischen Gründe der heutige Rückstand der ostdeutschen Wirtschaft gegenüber der westdeutschen hat.

Was will Ufuk Akcigit genau erforschen?

Anhand neuer, umfangreicher Daten von Firmen und deren Führungskräften soll die Privatisierung der DDR-Betriebe durch die Treuhandanstalt untersucht werden. Inwiefern spielte die Qualifizierung der ausgewählten Managerinnen und Manager, inwiefern deren Netzwerk zu anderen Entscheidern eine Rolle? In Form eines Benchmark-Modells will Akcigit herausfinden, wie die ostdeutschen Betriebe heute wirtschaftlich daständen, wenn sie ausschließlich von talentierten Unternehmerpersönlichkeiten übernommen worden wären.

Dabei greift er zurück auf einen von ihm entwickelten Forschungsansatz, der Theorie, Empirie und Computersimulationen miteinander verzahnt. Akcigit nutzt Daten auf Mikroebene (Unternehmen, Einzelpersonen, Patente, Ideen), um zentrale makroökonomische Fragen mithilfe einer Modellschätzung zu beantworten. So gelingt ihm eine Übersetzung mikroökonomischer Entscheidungen von Einzelpersonen in makroökonomische Ergebnisse. Dies gilt, so Gropp, als eine der schwierigsten Aufgaben in der Wirtschaftswissenschaft überhaupt.

Das zweite Forschungsprojekt analysiert einerseits, warum besonders innovative Firmen seltener in Ost- als in Westdeutschland entstehen. Andererseits wird die Rolle von Migrantinnen und Migranten für das Wirtschaftswachstum und die Wissensgenerierung in Deutschland untersucht. Das dritte Forschungsprojekt schließlich sucht nach Gründen für die schwindende wirtschaftliche Dynamik in Europa, verbunden mit anschließenden Handlungsempfehlungen für die Politik in mehreren Staaten.

Die wissenschaftliche Laufbahn von Ufuk Akcigit

Mit seiner Arbeit am IWH wird Ufuk Akcigit an seine bisherige, international viel beachtete Forschung anknüpfen. Der heute 39-Jährige hat bereits ein beeindruckendes Dutzend Studien in den fünf weltweit führenden Zeitschriften seines Fachs veröffentlicht, die unter anderem in internationalen Organisationen diskutiert werden. Mehrere Forschungspreise und Zitierungen in globalen Leitmedien belegen sein Ansehen.

Akcigit, geboren 1980 in Braunschweig, studierte Wirtschaftswissenschaft an der Koç Universität in Istanbul und erwarb 2009 den Doktorgrad Ph.D. am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Nach zwei Juniorprofessuren ist er seit Juli dieses Jahres Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Chicago, die international zu den besten Hochschulen des Fachs zählt.

„Für das IWH ist es ein einzigartiger Gewinn, dass Ufuk Akcigit uns als Partner ausgewählt hat“, sagt Institutspräsident Reint Gropp. „Ich gratuliere ihm ganz herzlich zum Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis und freue mich sehr auf die Zusammenarbeit. Insbesondere deshalb, weil seine und unsere Forschungsagenda ideal zusammenpassen. Genau wie er forschen wir zu Transformation, Produktivität, Wachstum und Innovation. Vor dem Hintergrund der jüngsten politischen Entwicklungen in Ostdeutschland ist es umso entscheidender zu begreifen, warum dort die Produktivität und damit die Einkommen so hartnäckig hinter der Entwicklung im Westen zurückbleiben. Wenn wir den Zusammenhang besser verstehen, können wir die Zukunft besser gestalten. Dass wir in unserem Haus gemeinsam mit einem derart renommierten Preisträger forschen, zeigt erneut den Rang des IWH in der deutschen Forschungslandschaft und die internationale Strahlkraft dieses Instituts.“

Auch Matthias Kleiner, Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, begrüßt die Entscheidung: „Ich freue mich sehr, dass Ufuk Akcigit das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle als Gastinstitution ausgewählt hat, um seinen Forschungsaufenthalt über diesen äußerst renommierten Wissenschaftspreis zu realisieren, und gratuliere ihm im Namen der gesamten Leibniz-Gemeinschaft sehr herzlich. Das IWH ist eine ausgezeichnete Wahl, hat doch die jüngste Evaluierung dessen hervorragende wissenschaftliche Qualität belegt. Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland zu verstehen, ist drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall noch immer von hoher Relevanz. Deshalb liegt es nahe, dass das IWH am Standort Halle dazu forscht und gemäß dem Auftrag als Leibniz-Institut die Erkenntnisse in evidenzbasierte Politikberatung umsetzt – zum Wohl der Gesellschaft. Genau hier verspreche ich mir kreative Impulse durch die Arbeit von Ufuk Akcigit am und mit dem IWH.“

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