In Leipzig ist in Hochschulen und Forschungsinstituten ein richtiges kleines Forschungs-Cluster zur Funktionsweise unseres Gehirns entstanden. Da wird nicht nur erforscht, wie das "Denken" in unserem Kopf entsteht, sondern auch, wie das Gehirn auf Schädigungen reagiert. Was ja insbesondere auf einem Gebiet sehr wichtig ist: dem Umgang mit den Folgen von Schlaganfällen.

Nach Schlaganfällen leiden viele Betroffene an Sprachstörungen. Im Gehirn sind Funktionen wie Sprache in Netzwerken verortet. Nach einem Schlaganfall sind diese Netzwerke dann gestört. Wichtigster Grund für diesem Ausfall wichtiger Gehirnfunktionen ist meist eine Störung der Blutversorgung des Gehirns. Oft sind dann Teile des Gehirns irreparabel geschädigt, andere können dann zumindest einen Teil ihrer Funktionen übernehmen.

Aber wie funktioniert das?

In einer aktuellen Studie haben Neurologen des Universitätsklinikums Leipzig (UKL) um Prof. Dorothee Saur untersucht, wie das menschliche Gehirn diesen Schaden kompensiert. Die Arbeit ist in der März-Ausgabe der Fachzeitschrift „BRAIN“ erschienen, einem der weltweit wichtigsten Fachblätter für Neurologie. Die Ergebnisse der Studie aus der Arbeitsgruppe um Prof. Saur, Leitende Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKL, und Dr. Anika Stockert als Erstautorin eröffnen ein neues Verständnis für die Spracherholung nach einem Schlaganfall.

„Uns hat besonders interessiert, wie sich das gestörte Netzwerk reorganisiert, um die Störung zu kompensieren“, beschreibt Prof. Saur das Herangehen. Auf der Schlaganfall-Spezialstation des UKL wurden dafür Patienten mit Aphasie, also einer Sprachstörung, in den ersten Tagen nach einem Schlaganfall mit einer sogenannten funktionellen MRT (Magnetresonanztomographie) untersucht.

„Das bedeutet, die Patienten erhalten von uns während der MRT-Untersuchung einfache Sätze zum Zuhören. So können wir sehen, welche Hirnregionen aktiv miteinander kommunizieren, während die Patienten diese Sätze hören“, erläutert die Neurologin.

Nicht nur die Struktur, sondern auch Funktionen des Gehirns lassen sich so darstellen. Geschieht dies auch zu einem frühen Zeitpunkt, können die Ärzte nicht nur die Störungen in den Netzwerken, sondern auch deren Veränderung erkennen. „Nach zwei Wochen und nach einem halben Jahr wiederholen wir das Ganze und sehen dann die Entwicklung und Erholung“, sagt Prof. Dorothee Saur.

Der Aufwand für die Studie war beträchtlich. 34 ausgewählte Fälle kamen in die abschließende Auswertung, jeder Patient musste in den genannten Zeiträumen drei Mal untersucht werden.

Interessant war vor allem, was dabei im Zeitverlauf nach dem Schlaganfall beobachtet werden konnte. „Im akuten Zustand erkennen wir erhebliche Netzwerkstörungen, abhängig davon, wo im Gehirn der Infarkt stattfand. Dies führt dazu, dass Netzwerke, die nicht vom Infarkt zerstört wurden, mobilisiert werden“, schildert Dorothee Saur die ersten Erfahrungen. „Sogar solche, die nicht einmal für Sprache verantwortlich sind, helfen bei der Erholung.“

Hirngewebe nahe am Infarkt erholt sich erst im späteren Verlauf nach einigen Monaten. „Dieses Verständnis ist ganz entscheidend“, so Dorothee Saur, „denn nur wenn wir die Hirnregionen kennen, die für die Erholung wichtig sind, können wir sie gezielt anregen und so die Heilung fördern.“

Dieser Idee folgend entwickeln die UKL-Neurologen nun in Kooperation mit Privatdozentin Dr. Gesa Hartwigsen und der gemeinsamen Doktorandin Sandra Martin vom benachbarten Max-Planck-Institut (MPI) für Kognitions- und Neurowissenschaften eine Studie, in der die für die Spracherholung kritischen Netzwerke bei Schlaganfallpatienten mit chronischer Aphasie mit Magnetstimulation angeregt werden.

„Wir sehen in der  Anwendung solcher individualisierter Netzwerktherapien zusätzlich zur Sprachtherapie ein großes Potential für die Neurorehabilitation“, ist Prof. Saur optimistisch.

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