So langsam haben eine ganze Reihe Gremien an der Uni Leipzig die Nase voll vom Hochschulrat und seinem intransparent agierenden Vorsitzenden Prof. Dr. Reinhold R. Grimm. In der vergangenen Woche hat der akademische Senat in einem Brief an den Hochschulrat gefordert, die amtierende Rektorin Beate Schücking noch auf die Kandidatenliste zu setzen, auf der - nach Grimms Verlautbarung - nur zwei externe Bewerber stehen. Jetzt fordert die Mittelbauinitiative seine Entmachtung.

Jana Rüger, Sprecherin der Mittelbauinitiative Leipzig und designiertes Senatsmitglied, prangert die Intransparenz im Entscheidungsprozess an: „Es geht hier nicht um die Person Schücking. Aber es sollte dem höchsten und demokratisch gewähltem Gremium der Universität Leipzig zugestanden werden, selbst darüber zu entscheiden, ob man mit der bisherigen Rektorin weiterarbeiten möchte oder nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Hochschulrat dem Senat diese Entscheidung vorab abnimmt.“

Es ist nicht allein die Tatsache, dass die beiden Bewerber aus der Universität selbst, Rektorin Beate Schücking und der Dekan der Fakultät für Physik und Geowissenschaften, Professor Jürgen Haase, vom Hochschulrat nicht für die neue Rektorenwahl nominiert wurden, die die Universitätsgremien beschäftigt, es ist die Intransparenz des Verfahrens. Denn Anfang der Sommerferien war zwar öffentlich geworden, dass beide universitätsinternen Bewerber nicht auf der Nominiertenliste stehen, aber kein Name der beiden verbliebenen Bewerber wurde genannt. Entsprechend schießen die Spekulationen und Befürchtungen ins Kraut. Und der akademische Senat moniert zu Recht, dass man zur Nominierung bzw. Nichtnominierung keinerlei nachvollziehbare Begründung vorliegen hat.

Im Kreis des akademischen Mittelbaus und des wissenschaftlichen Nachwuchses herrsche Unverständnis über diese Entscheidung, kommentiert die Mittelbauinitiative der Universität Leipzig (MULE) die Lage und sieht hier das Problem, dass der von der Universitätsdemokratie losgelöste Hochschulrat, die Entscheidungsträger, die mehrheitlich gewählt sind, entmündigt. Dies könne nicht im Sinne einer demokratisch bestimmten Universität sein.

Tom Pürschel, ebenfalls Sprecher der Mittelbauinitiative Leipzig, äußerte sich folgendermaßen: „Das Problem ist hausgemacht: Ein externes Gremium, welches durch keine hochschuldemokratische Entscheidung legitimiert ist, wirkt entscheidend auf die Entwicklung der Alma Mater Lipsiensis ein. Dies ist nicht mit dem Grundsatz der Autonomie der Hochschulen vereinbar.“

Tatsächlich hat die schwarz-gelbe Landesregierung dieses externe Steuerelement 2008 erst mit der neuen sächsischen Hochschulgesetzgebung geschaffen, um sich einen stärkeren Zugriff auf die Hochschulen zu sichern. Und da die Landesregierung selbst fünf der neun Mitglieder beruft, hat sie auch Einfluss auf die Entscheidungen. Oder schaut – wie die aktuelle Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange – ratlos zu, wie das von der Vorgängerregierung bestimmte Gremium sich wie ein Aufsichtsrat geriert. Und das Konstrukt ähnelt ja einem solchen Aufsichtsrat.

Doch die Intransparenz der Entscheidungen ist der ideale Nährboden für Gerüchte. Überprüfen kann ja niemand die Gründe der Entscheidungen, wenn die nirgendwo öffentlich erläutert werden müssen. Das Wort Feudalismus ist auch schon gefallen.

Am 6. Oktober soll sich zwar erst einmal der neue Senat der Uni konstituieren. Ob Grimm nun dem Wunsch des akademischen Senats folgt, Schücking wieder auf die Nominiertenliste zu setzen, ist offen. Bislang hat er das immer abgelehnt. Mit demokratischer Transparenz, in der das eigentliche Wahlgremium – der erweiterte Senat – nicht mal weiß, wer dann zur Wahl stehen wird, hat das nichts mehr zu tun.

Logisch, dass der Mittelbau eine schleunigste Änderung der Gesetzgebung und eine Entmachtung des Hochschulrates fordert.

Dr. Thomas Riemer, Sprecher der Mittelbauinitiative Leipzig und designiertes Senatsmitglied, sieht jetzt die Staatsregierung in der Pflicht: „Aus unserer Sicht müsste die Regierung eine Überarbeitung des Hochschulgesetzes anstreben und den Hochschulrat entmachten, indem man die Entscheidung über Posten wie das Rektor_innenamt wieder in die Hände der gewählten Vertretungsgruppen der Universität legt. Wissenschaftsministerin Stange sollte jetzt handeln und dem Landtag durch eine weitere Novellierung des Hochschulfreiheitsgesetzes für zukünftige Wahlen ein anderes Procedere vorschlagen.“

Die Reaktion der Grünen vom 5. Oktober:

Wissenschaftsministerin sollte rasch eine Ãœberarbeitung des Hochschulgesetzes vorlegen

Vor der morgigen konstituierenden Sitzung des Senats der Uni Leipzig erklärt Dr. Claudia Maicher, hochschulpolitische Sprecherin und stellv. Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:

“Dem Senat steht mit der baldigen Rektor/innen-Wahl ein gewaltiges Problem ins Haus. Gegen den Willen dieses demokratisch gewählten Gremiums verweigert der Hochschulrat offenbar weiterhin, die amtierende Rektorin, Prof. Dr. Beate Schücking, zur Neuwahl als Kandidatin zuzulassen. Diese Entscheidung bleibt unverständlich, intransparent und scheint einzig die Verhinderung der Wiederwahl von Rektorin Schücking zum Ziel zu haben.”

“Dies ist so nur aufgrund des sächsischen Hochschulgesetzes möglich, das dringend geändert werden muss. Ein demokratisch nicht legitimiertes Beratungsgremium hat das alleinige Vorschlagsrecht über die zugelassenen Kandidatinnen und Kandidaten. Der im Gegensatz dazu tatsächlich gewählte erweiterte Senat kann nur noch aus den vorher abgesegneten Kandidatinnen und Kandidaten wählen. Das hat mit Demokratie wenig zu tun. Wir geben den Hochschulen zu Recht ein großes Maß an Selbstbestimmung. Aber diese Autonomie muss in der Umsetzung auf breiter Mitbestimmung in den Hochschulen fußen, das gilt erst recht für das urdemokratische Prinzip einer Wahl.”

“Ich fordere die zuständige Wissenschaftsministerin, Dr. Eva-Maria Stange (SPD), auf, sich für eine rasche Ãœberarbeitung des Hochschulgesetzes einzusetzen. Wir GRÃœNE fordern schon lange, dass die Hochschulräte ein beratendes Gremium sein sollen, aber kein Schattenkabinett. Der Hochschulrat sollte mit seinem externen Sachverstand eine strategische Beratungsfunktion erhalten, für Vorauswahlen von Rektoratskandidatinnen und -kandidaten fehlt ihm allerdings jede demokratische Grundlage. Wir müssen dafür sorgen, dass die Demokratie wieder zurück an unsere Hochschulen kommt.”

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