Dr. Thomas Rauscher wird es sicherlich als die Fortsetzung einer Art Hexenjagd gegen sich und gegen seine zu keinem Zeitpunkt beschnittene โ€žMeinungsfreiheitโ€œ empfinden. Nachdem er seinen Twitteraccount abgeschaltet hat, hatten ihn Studenten des SDS Leipzig in einer รœbung im Hรถrsaal besucht, seine Tweets prรคsentiert und in der Realitรคt kommentiert. Nun bereiten sie eine Demonstration vor und rufen unter dem bereits bekannten Motto โ€žRauscher rausch abโ€œ zum Protest gegen Rassismus und Diskriminierung an der Universitรคt Leipzig auf. Gleichzeitig hinkt die inhaltliche Debatte รผber Rauschers Twitter-Thesen an der Uni noch etwas hinterher.

Wie zuletzt im โ€žBackfire-Effektโ€œ auf der L-IZ.de beschrieben, dรผrfte sich an den Einstellungen des 62-jรคhrigen Lehrstuhlinhabers durch all die nun begonnenen Aktivitรคten bis hin zu den (eher unwahrscheinlichen) DisziplinarmaรŸnahmen der Universitรคt Leipzig wenig รคndern. Seine รผber Jahre gewachsenen Ansichten lassen sich offenkundig kaum noch durch Gegenbelege รคndern, Widerspruch wird lรคngst als Angriff umgedeutet. Rechtlich ist es im Interesse der Freiheit von Forschung und Lehre nahezu unmรถglich, ihn aufgrund seiner diskriminierenden ร„uรŸerungen von der Uni zu entfernen. Und eben das zwingt also in den Dialog und die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Lehrstuhlinhaber โ€“ auch wenn es letztlich gar nicht um ihn geht.

Gegenรผber dem Spiegel-Format โ€žBentoโ€œ erklรคrte Rauscher nun auch ganz ohne Twitter seine Weltsicht nochmals. So sei โ€ždas โ€œweiรŸe Europaโ€, von dem er sprach, nicht Ausdruck von Rassismus, sondern eine โ€œChiffre fรผr die durch Christentum, europรคische Kultur und Tradition und, ja, auch dies, Menschen weiรŸer Hautfarbe geprรคgte europรคische Identitรคtโ€.โ€œ.

Womit der Jurist eigentlich nur noch einmal vertieft, was da an alternativer Geschichtstheorie nicht nur in seinem Kopf gewachsen ist und auch durch sein Mathematikstudium unter Zuhilfenahme arabischer Zahlen nicht getrรผbt werden konnte.

Es zeigt sich in allen bisherigen ร„uรŸerungen Rauschers ein โ€“ natรผrlich nicht nur bei ihm โ€“ existierendes Geschichtsverstรคndnis, welches rรผckblickend irgendwo in der rรถmischen Zeit beim ersten Christenkaiser Konstantin (im heutigen Bulgarien geboren) im Jahr 312 endet. Und schon den zuvor in der heutigen Tรผrkei geborenen Vorgรคnger Marcus Ulpius Traianus vergisst. Und die gesamte kulturelle wie menschliche Einwanderungsgeschichte Europas davor und danach ebenso ausschlieรŸt, wie die wissenschaftliche Neuerweckung Europas durch die muslimische Welt im ausgehenden Mittelalter.

Von einer vergleichenden Lektรผre zwischen Bibel, Koran und Thora ist der Dozent zudem weit entfernt, wenn er von โ€œdem Islamโ€ redet und โ€œdas Christentumโ€ hochhรคlt. Das gesamte Rรผstzeug fรผr eine wirkliche Diskussion seiner Thesen scheint dem Wissenschaftler eigentlich zu fehlen. Zumindest angesichts seiner bisherigen ร„uรŸerungen in den letzten Jahren macht weniges den Eindruck, einer tieferen Prรผfung standhalten zu kรถnnen.

Damit hรคlt der Professor sehr zur Freude seiner rechtsdrehenden Anhรคnger von AfD bis Burschenschaftler, die ihn lรคngst als neuen Mรคrtyrer erkoren haben, auch weiterhin am sogenannten โ€žEthnopluralismusโ€œ fest, wenn er den โ€žweiรŸen Europรคerโ€œ zur โ€žChiffreโ€œ fรผr einen nicht existenten gesellschaftlichen Konsens erklรคrt. Eine Haltung, welche unter anderem in der rechtsextremen โ€žIdentitรคren Bewegungโ€œ, Pegida und weiten Teilen eben jener AfD gleichfalls vertreten wird. Und von welcher ausgehend der Weg hin zum โ€žKampf der Kulturenโ€œ รก la Samuel Huntington, also zu Krieg und Verderben nicht mehr weit ist.

Eine Haltung, die innermuslimische wie innerchristliche Konflikte, Ressourcenkriege und koloniale (Denk)Erbschaften vergangener Jahrhunderte bis heute negiert, selbst einfachste genetische Erkenntnisse รผber die Menschwerdung vergisst und frรผhe Entstehung von (Agrar-, Rechts-, Schrift- und Bau-)Kulturen und Transferleistungen von diesen in kommende bis in unsere modernen Zeiten verneint. Wenn Menschheits- und Kulturgeschichte eines beweist, dann den Wandel als oberstes Prinzip, welches ein โ€žEinfrierenโ€œ von Zustรคnden oder gar die Konservierung eines niemals โ€œweiรŸen Europasโ€ unmรถglich macht.

2016: Man diskutierte kaum รผber die Inhalte und die Hintergrรผnde der Tweets, sondern blieb bei der Frage hรคngen, ob man sagen darf, was Rauscher sagt. Foto: L-IZ.de
2016: Man diskutierte kaum รผber die Inhalte und die Hintergrรผnde der Tweets, sondern blieb bei der Frage hรคngen, ob man sagen darf, was Rauscher sagt. Foto: L-IZ.de

Alles Aspekte, welche leider nicht wirklich bei der Uni-Podiumsdebatte am 28. April 2016 von Kulturwissenschaftlern, Geschichtsforschern oder ausgewiesenen Politikfachleuten mit dem Juristen debattiert wurden, da man sich leider entschied, auf dem Begriff der โ€žMeinungsfreiheitโ€œ zu verharren. Und dazu thematisch irrigerweise Kommunikationswissenschaftler wie Dr. Gรผnter Bentele einlud. Doch diese ist bis heute nicht das Problem des praktisch unkรผndbaren Professors, welcher sich durch die Twitteraccountlรถschung gleich mal selbst โ€žzensierteโ€œ: Es sind die verdrehten Fakten und kruden Stillstandsideologien, die ihn angesichts eines Aufmarsches von rechtsextremen Polen dieser Tage vom โ€žweiรŸen Europรคerโ€œ jubeln lieรŸen.

Ein Konzept, welches auch aus anderen Grรผnden nie und heute erst recht nicht mehr aufgeht: Geostrategisch und รถkonomisch betrachtet ist es mit der guten alten Abschottung Europas bei gleichzeitigem Welthandel und Ressourcenhunger der westlichen Welt vorbei. Auch die Auslagerung von Kriegen oder die โ€œSicherung von Handelswegenโ€ mittels Militรคr schlรคgt allmรคhlich auf den europรคischen Kontinent zurรผck. Der โ€žwar against terrorโ€œ bringt nachweislich immer mehr Terroristen hervor, altes Leid gebiert lรคngst neues. Und natรผrlich auch Flรผchtlinge, die in Rauschers Welt eigenverantwortlich fรผr ihr Schicksal sind, denen er โ€žnichts schuldetโ€œ.

Ganz einfach macht es sich der Jurist bei den flankierenden Faktoren kommender Politik auch in diesem Feld: den neben wirtschaftlichen Verwerfungen und Kriegen ebenfalls fluchtauslรถsenden Klimawandel zum Beispiel gibt es fรผr ihn einfach nicht.

Eine Verdrรคngungsleistung also, die viele Faktoren heutiger Fragen auszuschlieรŸen und allein die Herkunft eines Menschen zum MaรŸstab fรผr eine zudem strikt darwinistische Wertbemessung zu erheben sucht. Vereinfacht: Der weiรŸe, christliche Mann steht รผber der Frau und allem anderen, was da so kreucht und fleuch und macht sich die Erde zum willigen Untertan.

Eine Theorie von der alles dominierenden, einen โ€œKulturโ€, welche heute kein denkender Mensch mehr Ernst nehmen kann und die in einer Zeit vernetzter globaler Kommunikation bereits dabei ist zu enden. Und mit ihm auch das Kolonisationszeitalter, die alte Hegemonie schwindet lรคngst โ€“ inklusive aller daraus erwachsenden, neuen Herausforderungen. Herausforderungen, auf die Abschottungsfreunde keine Antworten haben und somit einzig auf weitere (Abwehr)Kriege setzen kรถnnen.

Was ein letztes Mal zum โ€žchristlichen, weiรŸen Europaโ€œ all der Rauschers fรผhrt.

Dass die Herstellung eines โ€žweiรŸen Europasโ€œ, der โ€œchristlicheโ€ Kulturkampf โ€žgegen den Islamโ€œ letztlich eine Gewaltbereitschaft gegenรผber allen anderen somit pauschal ausgegrenzten 1,6 bis 2 Milliarden Muslime in sich trรคgt, darauf wiesen ihn bereits die Studenten hin, welche am 16. November 2017 seine Tweets im Hรถrsaal mal in der Realitรคt prรคsentierten.

Nun wollen sie am 21. November 2017 ab 13 Uhr auf dem Innenhof des Universitรคtscampus gegen Rassismus, Sexismus, Islamophobie und Homophobie protestieren. Denn auch mit dem Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Paaren hats der Professor nicht so, wie auch erste Sexismusvorwรผrfe auf ein zumindest gestriges Mรคnner-Frauen-Bild schlieรŸen lassen. Im Aufruf zu Demo heiรŸt es: โ€žDer Erasmusbeauftragte und Lehrstuhlinhaber des Instituts fรผr auslรคndisches und europรคisches Privatrecht fรคllt bereits seit mehreren Jahren durch seinen privaten Twitter-Account negativ auf, steht dabei aber nur stellvertretend fรผr Ungleichheitsideologien, die auch in universitรคren Strukturen keine Einzelfรคlle sind.โ€œ

Noch fordern sie von der Universitรคtsleitung die Beendigung der Lehrtรคtigkeit Prof. Rauschers an der Universitรคt Leipzig. So oder so, die Debatte wird bleiben und weiterschwelen.

Es rauscht weiter: Twitter in real + Video

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Es gibt 2 Kommentare

โ€ฆ fรคllt hier allerdings auf fruchtbaren Boden. Weil nach der โ€œWendeโ€ nicht politisch erzogen wurde, man endlich unpolitisch in einem entpolitisierten Konsumraum leben wollte. Weil man, aus meiner Sicht auch in groรŸem Umfang, die 68er nicht verstanden hat und eine nachholende 68er Bewegung 1989/90 abgewรผrgt wurde. Man hat also zu geringe Abwehrkrรคfte gegen importierte Dummheiten ausgebildet.

Ich muss es einfach mal loswerden!
Diese Lehrkraft, welche die Universitรคt Leipzig derzeit in einem โ€œseltsamen Lichtโ€ erscheinen lรคsst, ist eine jener phantastischen โ€œWestimporteโ€ (geb. in Erlangen), welche sich hier nach der Wende โ€œdicke Postenโ€ gesichert haben und nun ihre โ€œGesinnungโ€, welche sie sich allerdings nicht in der DDR angeeignet haben kรถnnen, offenbaren.
Es ist nur ein weiteres Beispiel von mehreren (siehe auch โ€œRichter aus Dresdenโ€ Maier und nun mehr AfD-Bundestagsabgeordneter โ€“ geb. in Bremen).
Das macht es alles nicht besser, aber es ist bei weitem kein โ€œOst-Problemโ€, wie manche behaupten!

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