Die diesjährige Ausgabe der Leipziger Buchmesse ist vorüber. Es gab rechte Verlage und viel Protest dagegen – vor allem am Samstag. Am Sonntag konnten Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer ihr Programm hingegen in aller Ruhe zelebrieren. In einem Streitgespräch diskutierten sie, wie radikal die Neue Rechte ihre wirklichen Vorstellungen einer anderen Gesellschaft kommunizieren dürfe.

Wer am Sonntag, dem letzten Tag der diesjährigen Leipziger Buchmesse, die Veranstaltungen der neurechten Publizisten Götz Kubitschek und Jürgen Elsässer besuchen wollte, benötigte viel Geduld. Schon mehr als eine Stunde vor Beginn standen Interessierte am Zugang zur „Leseinsel“. Obwohl diese leer war, durfte sie niemand betreten. Der Einlass erfolgte erst zehn Minuten vor Beginn.

So blieb genügend Zeit, den Gesprächen der Wartenden zu lauschen. Zwei Personen hatten sich erst in der Schlange kennengelernt. Sie benötigten weniger als eine Minute, um sich gegenseitig zu versichern, dass sie „weder links noch rechts“ seien. Eine der beiden Personen verfügte offenbar über Erfahrungen im Medienbetrieb. Eine Bekannte der Anstehenden arbeite beim MDR. Diese habe ihr gesagt, dass es keine Anweisungen von oben gäbe – was sie jedoch nicht glauben wollte.

Auf der Leseinsel setzten sich diverse Mutmaßungen fort. Antaios-Verleger Götz Kubitschek war nicht erfreut, als ihm ein Security-Mitarbeiter sagte, dass keine Personen mehr hereingelassen werden. Eine Zuhörerin im Publikum spekulierte, dass dies Willkür der Messeleitung sei und andere Aussteller besser behandelt würden. Nach einem Gespräch zwischen Kubitschek und der Polizei durften immerhin 15 weitere Personen rein.

In der Veranstaltung selbst bekamen die rund 50 Zuhörer im Raum das, was sie erwarten durften. Zunächst diskutierte Kubitschek mit drei weiteren Personen, darunter zwei Frauen, über Feminismus. Eine These lautete, dass Frauen bei Vergewaltigungen eine Mitschuld tragen würden, wenn sie die „Natur“ des Mannes ignorierten und beispielsweise knappe Kleidung bevorzugen.

Später kündigte Martin Sellner, Chef der „Identitären Bewegung“ in Österreich, eine weitere „Defend Europe“-Mission an – zumindest würden bereits Planungen laufen. Im ersten Versuch wollten die „Identitären“ im Mittelmeer die Seenotrettung von Flüchtenden behindern. Sie selbst bewerten ihren Einsatz als Erfolg, nahezu alle Beobachter wurden jedoch Zeuge einer Pannenserie.

Den beiden Antaios-Veranstaltungen folgte ein Streitgespräch zwischen Kubitschek und „Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer. Darin wurde deutlich, dass beide mit ihren Medien letztlich auf einen grundlegenden Systemwandel hinarbeiten. Kubitschek ist die „Regimesturz“-Rhetorik von Elsässer allerdings zu radikal. Er spricht von kleinen Schritten, die nötig seien, und verweist darauf, welche Bekanntheit ihre Medien in den vergangenen Jahren erlangt hätten und wie erfolgreich die AfD geworden sei. Vor fünf Jahren sei so etwas nicht vorstellbar gewesen. Als Nächstes müsse es darum gehen, dass sich immer mehr Menschen öffentlich zu AfD und Pegida bekennen.

Im Gegensatz zu Samstag gab es diesmal keinen Protest. Am Tag zuvor hatten neben und auf der Leseinsel mehrere Personen die Veranstaltungen gestört.

Viel Aufmerksamkeit erhielt eine Aktion des Bündnisses „Buchmesse gegen Rechts“, welches am Samstagnachmittag kurz vor Beginn der ersten Antaios-Veranstaltung eine eigene Kundgebung in der Nähe der rechten Stände durchführte und darlegte, warum diese Verlage in Wahrheit Feinde der Meinungsfreiheit seien – auf die sie sich ja immer wieder berufen.

Protest am Samstag, 17. März 2018 gegen Neonazis auf der Buchmesse 2018. Quelle: Leipziger Bündnis “Buchmesse gegen Rechts”

Auf der Leseinsel gehörte die Aufmerksamkeit eher jenen, die sich an den beiden Einlässen versammelt hatten und dort lautstark protestierten. Dabei kam es zu kleinen Rangeleien. Zudem hatten zwei Personen auf der Insel ein gegen die Buchmesse gerichtetes Banner gezeigt und lautstark die Veranstaltung gestört. Gemeinsam drängten Zuhörer, Security und Polizei die beiden Personen nach draußen.

Insgesamt lief die Auseinandersetzung mit rechten Verlagen auf der Buchmesse wohl ungefähr so ab, wie es zu erwarten war: Es gab einerseits massive Störversuche und überraschende Aktionen – andererseits konnten Antaios und „Compact“ ihr Programm aber dennoch weitgehend durchziehen. Auffällig war die große Anzahl an bekannten rechten Personen auf der Buchmesse. Neue Rechte, klassische Neonazis, völkische Jugendgruppen und Solo-Aktivisten konnten Seite an Seite agieren.

Nachtrag d. Red.: Im Abschluss der Buchmesse gab Messe-Geschäftsführer Martin Buhl-Wagner eine Einschätzung zum Verlauf der Messe ab. In dieser betonte er die erfolgreiche Durchsetzung des Sicherheitskonzeptes der Messeleitung und einen weitgehend störungsfreien Verlauf der Buchmesse 2018.

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