Digitalisierung der Schulen, Digitalisierung der Schulen: Das läuft landauf, landab als immer neuer Refrain. Meist mit der Behauptung, dass der Unterricht unbedingt digitalisiert werden müsse, damit die Kinder am Ende auf dem Arbeitsmarkt nicht in die Röhre gucken. Doch die Zahlen allein für Sachsen zeigen, dass da irgendetwas nicht stimmt. Dazu gab es einen Auftritt Dr. Olga Naumov am 16. April im Leipziger Stadtrat, wo sie im Grunde der verkorksten sächsischen Bildungspolitik die Leviten las.

Da stand eine Vorlage des Amtes für Schule auf der Tagesordnung – der „Medienentwicklungsplan für Schulen und Horte der Stadt Leipzig für 2025/26“. Denn für die Medienausstattung der Schulen sind die Kommunen verantwortlich. In Leipzig längst auch mit dem Ziel: jedem Schulkind ein iPad zur Verfügung zu stellen. Die Kinder sollen mit den Geräten umgehen lernen und das Basiswissen für grundlegende Programme erhalten. Und die Geräte sollen möglichst nutzbringend auch in die Wissensvermittlung im Unterricht eingebunden werden.

Nur: Was passiert, wenn die Lehrerinnen und Lehrer dafür gar nicht ausgebildet sind? Wenn das gar nicht Teil ihrer pädagogischen Ausbildung war?

Das ist eine elementare Frage, wenn Leipzig für 2025 allein mit 9,5 Millionen Euro für die medientechnische Ausrüstung der Schulen rechnet und für 2026 mit 10 Millionen. Eine Menge Geld. Aber wie umfassend und selbstverständlich werden die Geräte dann in den Schulen eingesetzt? Diese Frage stellte ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der von der Stadträtin der Linken Dr. Olga Naumov unterstützt wurde.

Digitale Schule braucht kompetente Lehrkräfte

Und in ihrer Rede ging sie konkret auf eine der Folgen ein, die das desaströse sächsische Bildungssystem produziert: auf die Jugendarbeitslosigkeit in Leipzig, die seit 2021 um 21 Prozent gestiegen ist. Und das auf einem Arbeitsmarktr, der nach wie vor Fachkräfte sucht.

Natürlich liegt das nicht nur an der fehlenden digitalen Kompetenz der jungen Leute, sondern auch an grundlegenden Fähigkeiten, die ihnen oft genug noch fehlen, weil es Sachsens Schulen schlicht geschafft haben, sie darin fit zu machen – vom Lesenkönnen über das Schreibenkönnen bis zu grundlegenden Rechenfähigkeiten.

Das sächsische Bildungssystem versagt auf mehreren Ebenen. Die fehlenden Lehrerinnen und Lehrer sind nur ein Teil der verfehlten Politik. Auch die Lehrpläne sind an vielen Stellen falsch gewichtet. Und gerade Kinder, die von Haus aus sowieso schon Probleme mit dem Lernen haben, scheitern in diesem Auslesesystem, in dem Kinder wie Stückgut behandelt werden, das nach Gütesorten sortiert durchgeschleift wird.

Da sollen dann die für teuer Geld angeschafften digitalen Geräte auch sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden, fanden die Grünen und Olga Naumov.

„Die im Medienentwicklungsplan 2025/26 beschriebene technische Ausstattung der Schulen ist notwendig, bleibt jedoch ohne entsprechende Kenntnis und Ausbildung der Lehrkräfte wirkungslos. Es reicht nicht aus, digitale Technik bereitzustellen, ohne Lehrkräfte verbindlich und systematisch in deren Einsatz zu qualifizieren. Die Schülerinnen und Schüler müssen im Umgang mit digitalen Medien umfassende Kompetenzen erwerben, um auf die Herausforderungen der digitalen Welt vorbereitet zu sein.

Dafür ist der sichere Umgang mit digitalen Endgeräten und Medien durch die Lehrkräfte eine Voraussetzung. Hier steht der Freistaat Sachsen in der Verantwortung“, heißt es kurz und knapp im Antrag. In ihrer durchaus emotionalen Rede führte Olga Naumov das noch weiter aus.

Im Gespräch mit Sachsens Regierung immer wieder Thema

Und dass das gar kein neues Thema war, deutete auch OBM Burkhard Jung an, als er darauf verwies, dass dieses Thema auch im Sächsischen Städte- und Gemeindetag (SSG) immer wieder eine Rolle spielt, wenn man mit der sächsischen Staatsregierung spricht.

Weiterbildungsangebote für Lehrerinnen und Lehrer gibt es zwar. Aber diese sind freiwillig und gehen in der Regel vom Unterricht ab. Was Olga Naumov durchaus anmerkte. Und durchaus Verständnis hat für Lehrerinnen und Lehrer, die lieber weiter Unterricht machen, als die kostbare Zeit für Weiterbildung zu opfern. Erst recht in einem Land, das sich in den vergangenen 13 Jahren systematisch in den Lehrermangeln hineinmanövriert hat.

Nur die Staatsregierung kann die Medienausbildung für die Pädagogen zur Pflicht machen. Genau dafür soll sich OBM Burkhard Jung beim Freistaat einsetzen: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich gegenüber dem Freistaat Sachsen dafür einzusetzen, dass über verbindliche Weiter- und Fortbildungen die Lehrkräfte für einen sicheren Umgang mit digitalen Endgeräten und Medien unterstützt werden.“

Und Burkhard Jung sagte, dass er das sowieso schon täte, den Ergänzungsantrag also problemlos mit in die Vorlage übernehmen könne.

Bitte nur freiwillig?

Aber dann eilte CDU-Stadtrat Falk Dossin ans Mikrofon und beantragte wieder die Herauslösung des Antrags. „Wir haben mit dem Wort ‚verpflichtend‘ ein Problem.“

Obwohl die Stadt so eine Verpflichtung gar nicht aussprechen kann, wie auch Schulbürgermeisterin Vicki Felthaus betonte, denn die Amtshoheit über die Lehrkräfte hat allein das Land. Weshalb Burkhard Jung ja mit der Landesregierung sprechen soll. Wenn die eine Verpflichtung der Lehrer zur Medien-Weiterbildung für falsch hält, ist das ihre Sache. Es würde aber bestätigen, dass dort kein Interesse daran besteht, dass die Schüler in Sachsen wirklich fundiert an die Nutzung von Medien herangeführt und digitale Medien im Unterricht nutzbringend eingesetzt werden.

Aber mit dieser Haltung war die CDU-Fraktion nicht allein. Trotzdem bekam der Änderungsantrag eine Mehrheit, wenn auch eine knappe, mit 27:26 Stimmen bei sechs Enthaltungen. Burkhard Jung soll sich also wirklich dafür einsetzen, dass es in Leipzigs Schulen künftig ein Bildungskonzept für die digitalen Medien gibt, wie Olga Naumov forderte.

Es reicht nun einmal nicht, die Schulen mit digitaler Technik vollzustopfen, wenn sie in der Bildungsvermittlung für die Kinder keinen Mehrwert bringt. Als es dann um die pure Technik ging, für die allein die Stadt zuständig ist, gab es dann ein anderes Bild. 55 Ratsmitglieder stimmten dem Medienentwicklungsplan zu, nur zwei enthielten sich der Stimme.

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Was verbirgt sich eigentlich, lieber Autor, hinter der Floskel “Herausforderungen der digitalen Welt”, frage ich mich, wenn ich diese Antragspassage lese? Ich glaube nicht, daß die Antwort einfach ist.

“Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien”, was soll das sein? Oder mit anderen Worten: Was könnte, was sollte tatsächlich als lehrwürdig angesehen werden, was die vielbeschworene “digitale Welt” anbetrifft. Da fällt mir wenig ein. Ja, man könnte ein schönes “Blended Learning” unter Einbezug eines Computeralgebra-Systems anlegen und sich von Conrad Wolfram https://de.m.wikipedia.org/wiki/Conrad_Wolfram#Reform_des_Mathematikunterrichts inspirieren lassen. Aber viel mehr fällt mir nicht ein.

Und um von dieser “digitalen Welt” nicht ganz aufgefressen zu werden, wären einige sehr altmodische Fertigkeiten, etwa eigenes Denken, weitaus mehr wert, als wie auch immer geartete Kompetenzen. Letztere pauschal gutzufinden, reicht nirgendwohin.

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