Da hat man am Montag, dem 13. Oktober, bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nur den Kopf geschüttelt. Denn all das, was die im Frühjahr 2024 vom Sächsischen Staatsministerium für Kultus (SMK) beauftragte groß angelegte Arbeitszeituntersuchung unter sächsischen Lehrkräften als Ergebnis zeigte, hatte eine Untersuchung der GEW selbst schon ergeben. Am Montag hat das Kultusministerium den Abschlussbericht veröffentlicht.

Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die vollständige Erfassung und Quantifizierung aller arbeitszeitrelevanten Tätigkeiten von Lehrkräften und Schulleitungen – sowohl im Unterricht als auch bei außerunterrichtlichen Aufgaben – über den Verlauf eines gesamten Schuljahres hinweg. Ziel war es, eine belastbare Datengrundlage zu schaffen, um die Unterrichtsversorgung und -qualität im Freistaat langfristig zu sichern, betont das Kultusministerium. So richtig wollte man der Studie der GEW nicht glauben. Also wurde die Prognos AG beauftragt, alles noch einmal aufwendig zu erfassen.

„Diese Arbeitszeituntersuchung setzt mit ihrer Detailtiefe neue Maßstäbe“, betonte am Montag Kultusminister Conrad Clemens. „Erstmals liegt uns ein umfassendes und vor allem repräsentatives Bild der Arbeitszeit von Lehrkräften und Schulleitungen vor. Ein Expertengremium wird die Ergebnisse in den kommenden Monaten auswerten und Empfehlungen erarbeiten.

Eine Schlussfolgerung zeichnet sich schon jetzt ab: Lehrkräfte, die mehr arbeiten wollen, sollen das langfristig nutzen können. Deshalb werden wir freiwillige Arbeitszeitkonten einführen, mit denen Lehrkräfte ihre Unterrichtsverpflichtung für drei Jahre freiwillig erhöhen und nach einem Wartejahr für drei Schuljahre im gleichen Umfang wieder reduzieren können.“

Die Arbeitszeituntersuchung

Insgesamt nahmen 3.772 Lehrkräfte und 386 Schulleitungen an der Untersuchung teil. Dies entsprach etwa 14 Prozent aller sächsischen Lehrkräfte und rund 19 Prozent der Schulleitungen. Womit, so das Kultusministerium, eine solide Datengrundlage für verallgemeinerbare Aussagen geschaffen werden konnte. Die Teilnahme der per Zufallsstichprobe ausgewählten Personen war verpflichtend.

Die ausgewählten Lehrkräfte und Schulleitungen erfassten ihre Arbeitszeiten und Tätigkeiten eigenständig über ein gesamtes Schuljahr hinweg in einem webbasierten Zeiterfassungstool. Ergänzend zur Zeiterfassung wurden zu mehreren Zeitpunkten im Schuljahr Befragungen zum subjektiven Belastungsempfinden durchgeführt.

Die Ergebnisse variierten je nach Untersuchungsgruppe. Vollzeitlehrkräfte arbeiteten laut eigenen Angaben im Verlauf eines Jahres durchschnittlich -0,6 Prozent unter ihrem individuellen Soll, Teilzeitlehrkräfte durchschnittlich 5,8 Prozent darüber. Schulleitungen arbeiteten laut eigenen Angaben im Durchschnitt 7,8 Prozent über ihrem individuellen Soll – was einer durchschnittlichen Mehrarbeit von 2,6 Stunden pro Woche entsprach. Bei den Vollzeitlehrkräften glich sich die Mehr- und Minderarbeit über das Jahr hinweg fast aus, Teilzeitlehrkräfte leisteten im Durchschnitt eine wöchentliche Mehrarbeit von 1,4 Stunden.

Die individuellen Arbeitszeiten der Lehrkräfte wiesen große Spannweiten auf – im Minimum 15 Stunden Minderarbeit pro Woche, im Maximum bis zu 25 Stunden Mehrarbeit. Bei den Vollzeitarbeitskräften lag damit zwischen dem unteren und dem oberen Viertel der Lehrkräfte ein Unterschied von fast acht Stunden pro Woche.

Schulleitungen besonders belastet

In der Kurzauswertung wird das noch deutlicher ausgedrückt: „Schulleitungen arbeiteten im Schnitt über das gesamte Schuljahr 7,8 Prozent mehr als ihr individuelles Soll, Teilzeitlehrkräfte lagen mit 5,8 Prozent ebenfalls darüber, Vollzeitlehrkräfte mit -0,6 Prozent unter ihrem Soll.

In Prozentanteilen bedeutete dies, dass über den gesamten Untersuchungszeitraum betrachtet, 72,5 Prozent der Schulleitungen mehr als ihr Soll arbeitet sowie entsprechend auch 27,5 Prozent unter ihrem Soll lagen. Bei den Vollzeitlehrkräften leistete ziemlich genau eine Hälfte der Stichprobe Minderarbeit, die andere Hälfte Mehrarbeit. Bei den Teilzeitlehrkräften schließlich lag dieses Verhältnis bei gut 40 Prozent Anteil Minderarbeit zu knapp 60 Prozent Mehrarbeit.“

Die Belastung ist also höchst ungleich verteilt. Und weiter heißt es: „Ein zentrales Ergebnis waren die großen Unterschiede zwischen den Arbeitszeiten der einzelnen Lehrkräfte. Bei gleicher Soll-Vorgabe lagen 25 Prozent der Vollzeitlehrkräfte mit ihrer wöchentlichen Durchschnittsarbeitszeit in Schulwochen unter 37,3 Stunden, weitere 25 Prozent hingegen über 45 Stunden. Die verbleibende Hälfte lag innerhalb dieser Spanne von fast acht Stunden. Bei den Teilzeitlehrkräften war die Streuung noch größer, wobei die Beschäftigungsumfänge variierten.“

Unklare Prozesse, hoher Organisationsaufwand

Im Verlauf des Schuljahres stieg die Belastung der Lehrkräfte an, mit den Sommerferien fiel sie deutlich ab. Das subjektive Belastungsempfinden der Lehrkräfte wurde vor allem von strukturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen geprägt. Die höchste subjektive Belastung entstand weniger durch didaktisch-pädagogische Kernaufgaben, sondern vor allem durch organisatorische Anforderungen, Ressourcenmangel, unklare Prozesse oder zusätzlich anfallende Aufgaben.

Oder im Klartext: Durch alle mögliche Zusatzaufgaben, die nichts mit der tatsächlichen Schulstoffvermittlung zu tun haben und anders organisiert werden müssten. Aber das ist nicht alles.

Denn bei einem zentralen Punkt liefert die Studie keine Erklärung: „Insgesamt konnten keine strukturellen Faktoren zur Erklärung der großen individuellen Unterschiede in den Arbeitsbelastungen der Lehrkräfte gefunden werden.“ Was logischerweise Lösungen für das Problem schwierig machen dürfte. Und globale Lösungen für alle Schulen sowieso obsolet macht.

Den Abschlussbericht der Prognos AG findet man hier. 

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Keine Kommentare bisher

Also ein Jahr Studie und ein Ergebnis, welches keiner deuten kann, außer ein paar Prozente, die man quer über die Stichproben-Kohorte ausgerechnet hat???
Gratulation.
Man könnte vermuten, hier wollte der ewige CDU-Bildungsklüngel wieder mal ein Jahr Zeit gewinnen.

Wenn die Beschäftigten alle genau dokumentiert haben, was getan wurde, und bekannt ist, was das Soll war, muss doch herauszuarbeiten sein, WARUM es zu solch eklatanten Minder- oder Mehrarbeitsstunden gekommen ist.
Werden Lehrer nur zur Hälfte ausgelastet oder machen sich manche Lehrer einen schlanken Fuß?
Ist vor allem die Organisation Schuld an der Überlastung?

Was mich auch interessieren würde:
Könnte man die Ergebnisse auch nach Beamten und Angestellten auseinander dividieren?
Gibt es territoriale Unterschiede?

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