„Leipzig feiert gemeinsam mit weiteren deutschen Städten das 100-jährige Jubiläum des Bauhauses“, vermeldete am Dienstag, 15. Januar, das Leipziger Kulturdezernat. „Leipzig bietet überraschende Spuren des Bauhauses. Die Ideenschmiede hat die Stadt stark beeinflusst – etwa im grafischen Gewerbe und der Architektur“, meinte bei der Gelegenheit Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke. „Auch bot die Messestadt ein wichtiges Podium für neue gestalterische Konzepte.“

Ein „Bauhaus Leipzig“ hätte es tatsächlich geben können, denn bevor die Kunstschule von Dessau nach Berlin übersiedeln musste, wurde auch über einen Wechsel in die Messestadt verhandelt – letztlich erfolglos. Doch Leipzig war seit 1923/24 für das Bauhaus enorm wichtig. Sowohl auf den Grassimessen wie auch in den Hallen der Mustermesse fanden Bauhäusler ein Podium für ihre neuen Gestaltungsideen. Und auch über Leipzig hinaus erwies sich die sächsische Industrie als potenter Partner für das Bauhaus, erinnert sei an den Leuchtenbau und die Textilindustrie. In der modernen Architektur Sachsens hinterließ das Bauhaus prägnante Spuren.

Die Ausstellung „Bauhaus Sachsen“ im Grassimuseum für Angewandte Kunst zeigt diese Zusammenhänge ab dem 18. April und richtet ihren Fokus auf die bis heute andauernde Inspiration des Bauhauses auf zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler.

Viele Bauhäusler wurden in Sachsen geboren oder hatten später hier ihren Wohnsitz, die meisten von ihnen in Leipzig. Ihre Lebensläufe zeigen die Vielfalt der Ausbildungswege am Bauhaus und zugleich die Chancen und die Tragik der Geschichte. Einen dieser Wege erzählt das Museum der bildenden Künste Leipzig mit der Ausstellung zum Bauhaus-Künstler Karl Hermann Trinkaus ab dem 15. November.

Der 1904 in Leipzig geborene Künstler begann seine Laufbahn 1926 am Bauhaus Dessau; er wurde dabei unter anderem von Josef Albers, Paul Klee und Wassily Kandinsky unterrichtet. In den frühen 1930er Jahren betätigte er sich als Schöpfer zeitkritischer Collagen. 1935 gab er die Kunst auf, arbeitete im Flugzeugbau bei den Junkers Flugzeug- und Motorenwerken in Dessau als Diplomingenieur. 1965 nahm er sich das Leben. Der vollständige künstlerische Nachlass von Karl Hermann Trinkaus befindet sich gegenwärtig im Museum der bildenden Künste Leipzig zur wissenschaftlichen Aufarbeitung und Vorbereitung der Ausstellung, die in Kooperation mit dem Getty Museum in Los Angeles entsteht.

Grafisches Gewerbe und „Neue Typografie“

Leipzig knüpfte nach dem Ersten Weltkrieg in den 1920er Jahren an seine Tradition als Hotspot für das grafische Gewerbe an. In vielen Bereichen wie der Typografie, der Buchgestaltung und der Werbung gab es neue Ansätze. Die Vorläufer des Bauhauses im grafischen Gewerbe thematisiert die Ausstellung „Druckkunst 1919“ im Museum für Druckkunst Leipzig ab dem 30. Juni. Obwohl selbst nie am Bauhaus tätig gewesen, gilt der in Leipzig geborene Typograf und Buchgestalter Jan Tschichold (1902-1974) als einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Typografie.

Seine Entwürfe sind Klassiker des Grafikdesigns und begeistern bis heute. Internationale Bekanntheit erlangte er durch seine avantgardistischen Arbeiten und vor allem durch sein Buch „Die Neue Typographie“ (1928). Die Ausstellung „Jan Tschichold – ein Jahrhunderttypograf“ im Deutschen Buch- und Schriftmuseum Leipzig zeichnet die künstlerische Biografie eines der wichtigsten Typografen des 20. Jahrhunderts nach. Zu sehen ist die Schau ab dem 18. März.

„Art déco“ und „Neues Bauen“ in Leipzig

Auch Leipzigs Architekten setzten die Ideen des Bauhauses in ihrer künstlerischen Arbeit um.

Stadtbaurat James Bühring (1871-1936) nahm sich die Klinkerarchitektur als Vorbild für seine architektonischen Vorhaben in Leipzig, merkt das Kulturdezernat an. Und subsummiert die Ergebnisse gleich mal, obwohl dabei zwei völlig eigenständige Baustile entstanden, die mit dem aufs Zweckmäßige reduzierten Bauhaus-Ansinnen nicht mehr viel zu tun hatten. So entstand etwa gemeinsam mit den expressiven Konturen des Art déco eine Stilfusion, die im Volksmund „Zackenstil“ genannt wurde. Der Leipziger Stadtbaurat Hubert Ritter (1886-1967) bezog diesen Stil in seine Entwürfe für den Bau des Grassimuseums und die Gestaltung der eindrucksvollen „Pfeilerhalle“ ein – heute ein Ort auf der „Grand Tour der Moderne“. Später orientierte sich das kommunale Bauen zunehmend in Richtung des sogenannten „Neuen Bauens“.

Aber wo steht wirklich Leipziger Bauhaus-Architektur?

Man hat also kein „Bauhaus“ vor sich, wenn man das Grassi-Museum besucht. Dafür ein imposantes Beispiel des Art Déco.

Näher am Original sind eher einige der bekannten Wohnsiedlungen aus dieser Zeit.

Die Versöhnungskirche und die Krochsiedlung im Norden, der Rundling (Nibelungensiedlung) im Süden, der Bauhaus-Lesesaal der Deutschen Nationalbibliothek im Osten bis hin zur Niemeyer Sphere der Kirow-Werke im Westen Leipzigs – die Bauhausarchitektur hat in Leipzig zumindest einige Spuren hinterlassen und inspiriert bis heute. Im Jubiläumsjahr sind Gebäude begehbar (etwa der Bauhaus-Lesesaal der Deutschen Nationalbibliothek oder das Westbad Leipzig (das wieder kein Bauhaus ist, sondern zur Neuen Sachlichkeit gehört) oder in Ausstellungen zu erleben (etwa zum Kulturdenkmal Haus Rabe oder zu den Architekten Otto Fischbeck, Wilhelm Zeév Haller und Johannes Koppe).

Wer freilich die Krochsiedlung und den Nibelungenring besucht, ist der Sache schon näher.

Etliche andere Bauwerke, die die Jubiläumswebsite auflistet (Kohlrabizirkus, Konsumzentrale, Krochhaus, Stelzenhaus usw.) haben mit Bauhaus nichts zu tun, entstanden nur zur selben Zeit und stehen für den eher konservativen Bausinn der Leipziger, zumindest der maßgeblichen bürgerlichen Oberschicht. Bauten wie die 1930 bis 1932 nach einem Entwurf des Bauhaus-Architekten Hans Heinrich Grotjahn erbaute Versöhnungskirche sind eher die Ausnahme.

Dafür sind einzelne Wohnhäuser sehenswert, bei denen sich die Bauherren trauten, Elemente des Bauhaus aufzunehmen und den traditionellen Leipziger Formenkanon aufzulösen. Peter Leonhardt nennt in seinem Buch „Moderne in Leipzig“ zum Beispiel das Wohnhaus Richter am Kickerlingsberg, das Wohnhaus Hertkorn in der Kleiststraße und das Wohnhaus Blochwitz in der Pistorisstraße, Kleinode, die man natürlich nur entdeckt, wenn man einmal von den üblichen Routen abweicht. Oder mal so formuliert: Bauhaus findet man in Leipzig eher in stilleren Gegenden.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar