Leipzig ist ein Schwerpunkt des Linksextremismus. Das behauptete zumindest kürzlich Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Leipzig ist aber noch viel mehr als das: eine Hauptstadt rechtsextremer Mörder. Acht Fälle mit rassistischen, homophoben oder sozialdarwinistischen Tatmotiven sind laut Initiativkreis Antirassismus seit 1990 für Leipzig dokumentiert. Zudem existieren zwei weitere Verdachtsfälle. Die Ausstellung "Die verschwiegenen Toten", die nun im Conne Island zu sehen ist, informiert über diese Menschen und Hintergründe, aber auch über die Diskrepanz zu den Angaben des sächsischen Innenministeriums, wonach in diesem Zeitraum in Leipzig lediglich vier Personen Opfer von Rechtsextremen wurden.

Die Aktivitäten des Initiativkreises gehen auf den Mord an Kamal K. vor dem Hauptbahnhof im Jahr 2010 zurück. Er ist das bislang letzte Todesopfer rechtsextremer Gewalt in dieser Stadt. Aktivisten betrieben damals umfangreiche Recherche, beobachteten den Gerichtsprozess und unterstützten die Nebenklage, auch finanziell. Sie wiesen auf die offensichtlichen Verbindungen der beiden Angeklagten ins Neonazispektrum hin, erkennbar etwa an einem öffentlich zur Schau getragenen T-Shirt. Im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft erkannte das Gericht niedere Beweggründe für die Tat – also ein rassistisches Motiv. In vielen anderen Fällen spielen rechtsextreme Einstellungsmuster bei den Tätern für die Urteilsfindung jedoch keine Rolle.

Das Bundesinnenministerium zählt seit 1990 in Deutschland 75 Todesopfer rechter Gewalt. Diese Zahl war erst vor Kurzem nach oben korrigiert worden, nachdem infolge des Auffliegens der NSU-Mordserie tausende Fälle überprüft wurden. Die Amadeu-Antonio-Stiftung hält eine andere Zahl dagegen, die mit 184 fast dreimal so hoch liegt. In Sachsen waren es laut Landesinnenministerium (SMI) zehn Fälle, die Opferberatungsstelle RAA hat noch sechs weitere gezählt. Hinzu kommen vier Verdachtsfälle.

Jeweils eine der insgesamt 15 Schautafeln, die der Initiativkreis im vergangenen Jahr erstellt hat, widmet sich einem der acht Todesopfer rechter Gewalt in Leipzig. Weitere Tafeln informieren über Verdachtsfälle und Tatmotive, denen rassistische, homophobe und sozialdarwinistische Einstellungen zu Grunde liegen. Als problematisch betrachten die Aktivisten des Initiativkreises, dass vor allem Sozialdarwinismus, also die angebliche Minderwertigkeit bestimmter Menschen aufgrund etwa körperlicher Einschränkungen oder eines geringen sozioökonomischen Status’, kaum als Ausdruck eines rechtsextremen Weltbildes angesehen werde.

Kamal K. - das bislang letzte Todesopfer rechtsextremer Gewalt in dieser Stadt. Foto: René Loch
Kamal K. Рdas bislang letzte Todesopfer rechtsextremer Gewalt in dieser Stadt. Foto: Ren̩ Loch

In Leipzig gab es hierbei einen besonders schockierenden Fall, als vor knapp 20 Jahren der 49-jähige Obdachlose Horst K. in einer Straßenbahn von zwei Jugendlichen angezündet wurde und lebendig verbrannte. Einer der beiden Täter gab später vor Gericht zu Protokoll, den Anblick des brennenden Menschen “cool” gefunden zu haben.

Das Ergebnis der mühevollen und jahrelangen Recherchearbeit des Initiativkreises war zuvor bereits im Neuen Rathaus, dem Pöge-Haus und in der Bibliothek der HTWK zu sehen. Auch in Hannover, Döbeln und Merseburg fanden die Schautafeln ihr Publikum. Die Aktivisten wollen in Zukunft weiteren Verdachtsfällen nachgehen und dabei nach Möglichkeit mit Angehörigen zusammenarbeiten. Zudem ist in diesem Jahr wieder eine Demo zum Gedenken der Todesopfer geplant. Diese soll am 24. Oktober unter dem Motto “5 Years of Anger and Sorrow – Fight Racism” stattfinden, genau fünf Jahre nachdem Kamal K. ermordet wurde. Bereits im September wird in Connewitz ein dreitägiger “Gedenkkongress” mit verschiedenen Podiumsdiskussionen, Vorträgen und Vorführungen zum Thema Erinnerungskultur nichtstaatlicher Akteure veranstaltet.

Im Conne Island sind “Die verschwiegenen Toten” noch bis Donnerstag zu sehen. Die Ausstellung ist täglich von 16 bis 20 Uhr geöffnet. Am Dienstag findet ein geführter Rundgang statt.

Anmeldungen für individuelle Führungen werden unter initiativkreis@riseup.net entgegengenommen.

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(Wetten, dass wie auch bei anderen L-IZ-Artikeln zu rechter Gewalt das Kommentarfeld leer bleibt, wo doch sonst naßforsch mit großen Worten “jegliche” Gewalt abgelehnt wird?)

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