Es ist ein ganz schwieriges Erbe. Was sich heute in vielen deutschen Völkerkundemuseen befindet, kam oft nicht auf rechtem Wege dorthin. Auf die Pietät der Völker, wo sie ihre ethnografischen Forschungen betrieben, nahmen einige deutsche Völkerkundler im 19. Jahrhundert keine Rücksicht. Sie betrachteten die Menschen jenseits Europas eher als naive Wilde. Und manchmal raubten sie auch einfach Begräbnisstätten aus. Aus Leipzig werden jetzt Gebeine aus Westaustralien zurückgegeben.

Darüber berichtet die AG Leipzig Postkolonial, die sich schon seit einigen Jahren intensiv mit der kolonialen Geschichte Leipzigs beschäftigt hat. Und das Museum für Länderkunde im Grassi tut es auch. Seit Juni 2018 ist die Dauerausstellung durch einen „Werkstatt-Prolog“ ergänzt, der sich auch mit der kolonialen Vergangenheit der Sammlungen beschäftigt.

Das Museum selbst dazu: „Alle Museumsobjekte haben eine eigene Geschichte und sind auf unterschiedlichsten Wegen bis ins Grassi gelangt. Sie erzählen nicht nur von Ritualen oder Religionen, sondern auch von kolonialen Kriegen, Konflikten, Begegnungen, entstandener Leere und von uns selbst. Die bisherigen Konzepte ethnologischer Museen europaweit werden zunehmend infrage gestellt, wie aktuelle Debatten zeigen. In der Werkstatt Prolog können Besucher/-innen mehr über Kolonialismus, Fremdheit, Identität, Rassismus und Restitution erfahren. Eine Werkstatt, die einlädt zum Mitmachen, spielerischen Lernen, aber auch zum Nachdenken. Für Jung und Alt.“

Trotzdem untersuchen auch die sächsischen Landesmuseen, welche Bestände eine fragwürdige Vergangenheit haben oder gar die Identität von Menschen in den Ursprungsgebieten berühren. Vor einiger Zeit etwa betraf das eine Skalpsammlung, die an Vertreter der indigenen Bevölkerung Nordamerikas zurückgegeben wurde.

Jetzt geht es um Sammelobjekte aus Australien.

Am Montag, 15. April sollen menschliche Gebeine aus Westaustralien, die sich über 100 Jahre im Inventar der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Grassi Museum Leipzig befanden, an eine australische Delegation in der australischen Botschaft Berlin zurückgegeben werden.

Eine zweite Rückgabe nach Australien wird vermutlich im August in Leipzig stattfinden, teilt die AG Leipzig Postkolonial mit. Bei den Menschen, deren sterbliche Überreste zurückgegeben werden, handelt es sich vermutlich um Opfer der menschenverachtenden Praxis der Perlentaucherei, bei der Aborigines an der australischen Küste als Sklaven ohne Entgelt Austern sammeln mussten.

Im Oktober 2017 hat der Freistaat Sachsen erstmals in seiner Geschichte menschliche Gebeine aus einem Museum an Vertreter des Ursprungslandes zurückgegeben. Die Gebeine waren zwischen 1896 und 1902 in Hawaii aus Bestattungshöhlen geraubt und direkt an das Museum für Völkerkunde Dresden und an Arthur Baessler, einen Mäzen des Museums, weiterverkauft worden. Zwischen 1896 und 1904 wurden sie Bestandteil der anthropologischen Sammlung des Museums für Völkerkunde Dresden, das seit 2010 zu den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) gehört.

Eva-Maria Stange, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst des Freistaates Sachsen, sagte damals: „Wir sind uns in Sachsen einig, dass menschliche Gebeine, wie auch immer sie zu uns gekommen sind, an diejenigen Volksgruppen zurückgegeben werden, aus denen sie stammen. Vor der Rückgabe steht eine solide Aufklärung der Sammlungsgeschichte, die mit einem sorgfältigen, rechtlichen Verfahren einhergehen muss. Mit der heute stattfindenden, für den Freistaat Sachsen ersten Rückgabe von menschlichen Gebeinen nach Hawaii wird ein unrühmliches Kapitel beendet und gleichzeitig eine neue Seite aufgeschlagen im Umgang mit in Museen befindlichen menschlichen Gebeinen: Mit Respekt und unter Anerkennung und Würdigung der kulturellen und religiösen Traditionen des Herkunftslandes werden die bisher als ‚Objekte‘ betrachteten menschlichen Gebeine rehumanisiert und sie erhalten die ihnen innewohnende Individualität und menschliche Würde zurück.“

Und das Aufräumen in den Beständen wird weitergehen, auch in Sachsen. Denn aktuelle Restitutionsanfragen für die sterblichen Gebeine von Vorfahren in sächsischen Völkerkundemuseen kommen unter anderem aus Australien, Aotearoa, Neuseeland, Namibia, Tansania und Nordamerika.

„In der Vergangenheit zeichneten sich Rückgaben aus Deutschland z. B. an Ovaherero und Nama durch mangelnde Sensibilität für einen würdevollen Prozess von Seiten politischer WürdenträgerInnen aus“, stellt die AG Leipzig Postkolonial fest. Sie will bei der Übergabe am 15. April dabei sein und sich für einen würdevollen Rückgabeprozess einsetzen.

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