Es war schon vor 100 Jahren so: Betuchte Leipziger, denen es in der Stadt zu laut und zu hektisch wurde, zogen hinaus vor die Tore Leipzigs und bauten sich eine Villa im Grünen – in Oetzsch, in Gautzsch oder Raschwitz. Auch sie pendelten logischerweise zu ihrer Arbeit jeden Tag nach Leipzig hinein. Unter ihnen namhafte Verleger, deren Häuser noch heute in dem 1934 zusammengewürfelten Städtchen am Südrand Leipzigs zu finden sind.

Bernd Mühling hat in Markkleeberg zwölf solcher Wohnhäuser gefunden und liefert in kleinen Texten auch die Geschichten dazu. Denn nirgendwo hängt eine Erinnerungstafel an der Hauswand. Nichts erinnert daran, dass hier einst die Chefs weltberühmter Verlage standesgemäß zeigten, was sich mit Büchern verdienen ließ.

Leidlich bekannt ist lediglich noch Paul Emil Herfurth, der Bruder des Leipziger Zeitungsverlegers Edgar Herfuth („Leipziger Neueste Nachrichten“), der sich 1896/1897 in der Raschwitzer Straße eine Villa im Stil des Versailler Petit Trianon bauen ließ. Bernd Mühling erzählt natürlich davon, wie Paul Herfurth ab 1902 mit einem eigenen Verlag reüssierte.

Aber der Spaziergang führt noch zu weit bekannteren Namen, auch wenn die dazugehörigen Verlage allesamt aus Leipzig verschwunden sind – etwa zum Haus von Karl Rauch in der Bornaischen Straße, dessen Verlag zum deutschen Hausverlag für „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry wurde und bis heute geblieben ist, nur halt nicht mehr in Markkleeberg.

Das Titelblatt schmückt die Villa von August Walter Polich in der Mehringstraße, den man eher nicht mit dem Büchermachen in Verbindung bringt, denn in erster Linie war er Textilhändler und eröffnete 1870 in der Leipziger Petersstraße eines der ersten und schönsten Kaufhäuser. Aber als Verleger kann man ihn durchaus auch bezeichnen, denn er brachte auch Schnittmusterbögen, Zeitschriften und das „Buch der Stoffe“ heraus.

Was einen an Otto Beyer erinnert, den erfolgreichsten Leipziger Verleger für Frauen- und Familienzeitschriften. Er hatte seine Villa in Alt Oetzsch. Sein Verlag wurde nach 1945 enteignet und der Verlag für die Frau (heute Buchverlag für die Fau) ging daraus hervor. Ganz in der Nähe ließ sich sein Verlagsleiter Emil Curt Hofmann nieder. In der Wilhelm-Raabe-Straße trifft man mit Paul Walter List wieder einen berühmten Verlagsgründer, der 1945 wie so viele andere Leipziger Verleger in den Westen wechselte, während der Leipziger Verlag noch bis 1990 weiterexistierte.

Andere Verlage und Verleger sind fast vergessen – so wie der Hirt Verlag, dessen Inhaber Georg Hirt-Reger in der Hauptstraße wohnte, oder der Fr. Chr. W. Vogel-Verlag, immerhin ein großer Wissenschaftsverlag, dessen Besitzer Carl Victor Lampe-Vischer sich im Rittergut Raschwitz ein neues Haus bauen ließ.

Einige dieser Gebäude sind natürlich auch architektonische Kleinode, die vom sich wandelnden Kunstgeschmack der Zeit erzählen. Einige sind sichtlich bescheiden, manche geradezu üppig auf Repräsentanz angelegt. Da wird wohl auch der Charakter jener Herren sichtbar, die sich hier einen Wohnsitz schufen und zeigen wollten, wie man mit Büchern und Zeitschriften Geld verdienen konnte. Einige der bedeutendsten Verleger gehörten zu ihrer Zeit zu den tonangebenden und reichsten Leipzigern. Etliche ließen sich ja bekanntlich ihre Villen auch in Leipzig selbst bauen – schön weit weg vom Grafischen Viertel, das von Maschinenlärm und rußenden Schornsteinen geprägt war.

Und spätestens mit dem Aufkommen des Automobils wurden für sie eben auch Dörfer wie Oetzsch und Gautzsch interessant. Bernd Mühling und Birgit Röhling haben ihre heute allesamt wieder hübsch sanierten Wohnhäuser bei strahlendem Sonnenschein fotografiert – noch vor der Belaubung der Bäume, sodass man die Gebäude in ihrer zuweilen prächtigen, zuweilen nüchternen Schönheit bewundern kann.

Und so nebenbei lernt man etliche Verleger kennen, die einst den Ruhm der Buchstadt Leipzig vertraten. Nur ihre Häuser sind geblieben und laden entweder zum stillen Durchblättern des Kalenders im nächsten Jahr ein oder zum Spaziergang schon jetzt, wenn einer der vielen sonnigen Herbsttage geradezu verlockt zum Ausflug nach Markkleeberg.

Bernd Mühling „Kalender Markkleeberg 2021. Verlegerhäuser“, Sax-Verlag, Beucha und Markkleeberg 2020, 9,90 Euro

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