In den letzten Jahren gehörten die Schaufensterausstellungen einfach dazu, wenn in Leipzig wieder einmal Buchmesse stattfand. Studierende der Leipziger Buchwissenschaft zeigten hier, was für faszinierende Serien in deutschen Verlagen in den vergangenen Jahren erschienen sind. Die Buchwissenschaft in dieser Form gibt es nicht mehr, seit Leipzigs Buchprofessor Siegfried Lokatis in Ruhestand gegangen ist.

Aber mit einem engagierten Freundeskreis hält er die Tradition am Leben. Auf geht’s in die Gottschedstraße.

Dort haben Lokatis und seine Mitstreiter/-innen am 3. März in den Schaufenstern des „Pilot“ die neue Ausstellung aufgebaut. Sie heißt „Fröhliche Wissenschaft“ und zeigt die „Naturkunden“, die in den vergangenen 20 Jahren im Verlag Matthes & Seitz in Berlin erschienen sind. Bücher, die eigentlich in jeden Haushalt gehören, in dem wissbegierige Menschen leben. Ein ganzer Kosmos der Naturwissenschaften, den die Schaufensterausstellung auch noch fröhlich mit Pilzen, Fröschen und lesenden Gänsen ausgestattet hat.

Die Schaufensterausstellung „Fröhliche Wissenschaft“ im „Pilot“ in der Gottschedstraße. Foto: Ralf Julke
Schaufensterausstellung „Fröhliche Wissenschaft“ im „Pilot“ in der Gottschedstraße. Foto: Ralf Julke

Faszination Wissen

Und dabei lernt man eben auch gleich noch einen besonderen Verlag kennen, der vor genau 20 Jahren wiedergegründet wurde. Zumindest einen Teil davon – jenen nämlich, in dem der Verlag sich engagiert den modernen Naturwissenschaften widmet. Und vor allem dem literarischen Schreiben über Naturwissenschaft.

Denn was die bekannten Wissenschaftsverlage für gewöhnlich veröffentlichen, richtet sich in der Regel an ein Fachpublikum, nicht aber an Leserinnen und Leser, die oft einfach einen lebendigen Zugang zum Wissen suchen, leicht lesbar und trotzdem fundiert.

Und dem dient die 2007 aus der Taufe gehobene Essayreihe „Fröhliche Wissenschaft“, die nach Verlagsangaben inzwischen mehr als 150 Bände zählt „mit Texten u.a. von Byung-Chul Han, Peter Trawny, Marcus Steinweg, Hannah Arendt, Albrecht Koschorke, Roberto Simanowski, Judith Shklar, Alexander Pschera, Jean-Francois Billeter, Luise Meier und Sophie Wahnich. Die Essays sind historische wie gegenwärtige Beiträge zu aktuellen politischen, philosophischen und gesellschaftlichen Debatten.“

Denn das wird in politischen Debatten ja nur zu gern vergessen, dass wir es in dieser Welt mit harten Fakten zu tun haben, die sich nicht einfach zurechtbiegen lassen, wenn ein eher oberflächlich gebildeter Politiker meint, es ginge nur um Meinung. Eigentlich ein Unding in einer Welt, in der wir nicht nur mit zunehmend komplexeren Technologien zu tun haben, sondern auch mit den Grenzen eines Wachstumsdenkens, das die Belastbarkeit von Natur, Klima und Gesellschaft immerfort ignoriert.

Man muss nicht „auf die Wissenschaft hören“, wie es einige Klimaaktivisten gern fordern. Aber man sollte die wissenschaftlichen Grundlagen unserer Welt kennen, denn sie beschreiben bestmöglich, was wir tun können, um auf dieser Erde ein gutes und nachhaltiges Leben zu führen.

Und die Autorinnen und Autoren der Reihe laden nun einmal auch auf stilistisch eindrucksvolle Art dazu ein, sich auch mit den Problemen unserer Zeit klug und wissensbasiert auseinander zu setzen.

Klassiker und Tierporträts

Und sechs Jahre später, 2013, erschienen dann die ersten Bände der von Judith Schalansky herausgegebenen Reihe „Naturkunden“: „aufwendig gestaltete Bücher, die eine leidenschaftliche Erkundung der Natur vornehmen und damit den inhaltlichen Programmschwerpunkt Natur, Bewegung im Raum und Ökologie prominent markieren.

Neben den in viele Sprachen übersetzen Tierportraits (Krähen, Esel, Wölfe, Schweine, Hirsche, Nashörner u.v.a.) erscheinen in der Reihe Klassiker des Nature Writing vornehmlich aus dem englischsprachigen Raum (J. A. Baker, Robert Macfarlane, Nan Shepherd, Aldo Leopold u.v.a.) und Sachbücher ebenso wie Bildbände (Korbinian Aigner, Jean-Henri Fabre).“

Bei der Schaufensterausstellung „Fröhliche Wissenschaft“ im „Pilot“ in der Gottschedstraße. Foto: Ralf Julke
Schaufensterausstellung „Fröhliche Wissenschaft“ im „Pilot“ in der Gottschedstraße. Foto: Ralf Julke

Womit dann das Top-Thema unserer Zeit nachlesbar wird für alle, die sich nicht nur für den eigenen Mustopf interessieren. „Der Name der Reihe ist Programm“, betont der Verlag. „Hier wird keine bloße Wissenschaft betrieben, sondern die leidenschaftliche Erforschung der Welt: kundig, anschaulich und im Bewusstsein, dass sie dabei vor allem vom Menschen erzählt – und von einem Blick auf eine Natur, die uns selbst mit einschließt.“

Auch 2024 eine BuWision

Beim Aufbau der Ausstellung „Fröhliche Wissenschaft“ mit „Naturkunden“ in den Schaufenstern des „Pilot“ halfen Siegfried Lokatis Dr. Tobias Jurack und die Studentinnen LillY Frenk, Leonie Möllenbeck und Nina Abrahams. Nina Abrahams hat ihre BA-Arbeit über die „Naturkunden“ geschrieben.

Das von Lokatis gegründete Bibliotop in der Goethestraße existiert übrigens weiter und sammelt auch weiterhin wichtige Bücherschätze. Zuletzt kamen das Weltbühne-Archiv der DDR hinzu, die 1933 bis 1938 entstandene jüdische Schocken-Bücherei, die Buchkunst der HGB und Bücher von Faber und Faber.

Das Bibliotop ist auch zur BuWision 2024 zu erleben, die auch zu dieser Buchmesse in etwas anderer Dimension (auch über Leipzig hinaus) wieder stattfindet.

Und weitere Pläne gibt es auch schon, kündigt Lokatis an: „Im Herbst bauen ‚wir‘ eine Ausstellung über ‚60 Jahre Wagenbach‘. Im Sommer und Winter 2024/2025 dann noch einmal eine große, analoge Bücherausstellung in der ganzen Leipziger City, die BuWision 2025, die das Jubiläum ‚200 Jahre Börsenverein‘ aufgreifen wird.“ Dazu gibt Lokatis auch als Emeritus die nötigen Seminare, die bei der Kulturwissenschaft, den Germanisten und den Historikern der Uni Leipzig zu erleben sind.

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