„Ich dachte mir, das passt jetzt in die Zeit“, sagt Werner Franke, der in Großzschocher das kleine Ortsteilmuseum „Heimatblick“ betreibt und jedes Jahr auch einen Kalender für Großzschocher herausbringt. Im Küchenformat, mit Fotos zur Geschichte des Ortsteils – neu und alt gegenübergestellt. Bei den Zschocherschen ein beliebtes Sammlerobjekt. Gepasst hat diesmal die Friedensglocke „Siguri“ vor der Gießerei Keßler & Co.

Eine Friedensglocke, die Frieden viel weiter denkt als die meisten anderen Friedensglocken. Sie variiert den alten Bibeltext aus Lukas 2.14: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“

Das war den Gießern dann doch viel zu unkonkret. Deshalb steht an ihrer Friedensglocke, die täglich 12 Uhr schlägt: „Frieden auf Erden, Naturschutz und Gerechtigkeit.“

Das nennt man mal: deutlich werden.

Und es passt nicht nur als mahnendes Foto auf den Jahreskalender 2023 – es stimmt auch auf das Thema ein, das Werner Franke diesmal ausgewählt hat: Handel und Gewerbe in Großzschocher. Das Bildarchiv mit den historischen Aufnahmen hat er ja im „Heimatblick“.

Die heutigen Vergleichsbilder kann er bei einem Spaziergang mit Kamera anfertigen. So haben auch die Jüngeren einen Vergleich, was einst an der Stelle stand und wie geschäftig es in Großzschocher einmal zuging.

Ein Standort für Industriebetriebe ist es übrigens bis heute. Noch heute produziert in Großzschocher die Gießerei Georg Fischer, die an dieser Stelle auf eine 127 Jahre währende Gießerei-Tradition zurückschauen kann. Ihr ist der Februar gewidmet, während der März die alte Tachometer-Fabrik zeigt, die später zum RFT-Alarm und-Signalanlagen-Werk wurde. Heute steht dort ein Supermarkt.

Während man von der Töpfer’schen Druckrollen-Produktion heute nichts mehr sieht. Die Fein-Bäckerei Freiberger freilich hat noch heute ihren Verkauf an der Dieskaustraße und ist auch weiterhin im Familienbesitz – genauso wie die Fleischerei Putbrese, die man im Juli zu sehen bekommt.

Ein echter Familienbetrieb, der sich in Leipzig behauptet, wo in ganzen Stadtvierteln sonst die Fleischerfachgeschäfte schon verschwunden sind. Seit 1851 gibt es den Familienbetrieb schon.

Da hat man selbst schon eine richtige Geschichte, die auf der Website der Fleischerei auch nachzulesen ist. Da darf man sich auch mal älteste Fleischerei Leipzigs nennen. Und zeigen, was das bedeutet. Denn es gibt inzwischen sogar ein eigenes Museum im Haus, in dem die Sammlungsstücke aus 170 Jahren Fleischereifachbetrieb besichtigt werden können. Sogar online mit einem virtuellen Rundgang.

Im August lernt man die ebenso in der Familie betriebene Spedition Geßner kennen und im September die Vorgeschichte der heutigen Feuerleitstelle Leipzig-Südwest, die dort steht, wo vor Jahren noch ganze Batterien von Gewächshäusern standen. Der Oktober zeigt, wie aus dem Milchhof Leipzig West an der Gerhard-Ellrodt-Straße das heutige Gewerbegebiet wurde.

Und natürlich darf die einstige Zickmantel’sche Mühle nicht fehlen, die einst eine der größten in Sachsen war. Und aus der mittlerweile eine moderne Wohnanlage wurde. Es ist der 19. Kalender, den Werner Franke für Großzschocher zusammengestellt hat. Den 20. für 2024 will er auf jeden Fall noch machen. Alles Weitere lässt er offen.

Denn andererseits hat sich der „Heimatblick“ längst zum Treffpunkt für alle entwickelt, die sich für die über 800-jährige Geschichte des Ortsteils interessieren. Nach wie vor trifft sich hier regelmäßig die Interessengemeinschaft „Chronik Großzschocher-Windorf“, die bei Pro Leipzig die reich bebilderten und emsig recherchierten Chronik-Bände zu Großzschocher und dem angrenzenden Windorf veröffentlicht hat.

Eine Arbeit, die tatsächlich jede Menge Einsatz von allen erforderte, aber in Leipzig und darüber hinaus ihresgleichen sucht.

Und das hat zusammengeschweißt. Auch wenn man jetzt lieber kompetente Vortragende einlädt, um sich über all das, was rund um den Ortsteil passiert, kundig zu machen.

Den Kalender bekommt man in den einschlägigen Geschäften Großzschochers oder direkt bei Werner Franke in der Herberge zur alten Bäckerei.

Und in Aktion trifft man Werner Franke bald auch wieder an: Zum 800-jährigen Jubiläum des Ortsteils vor fünf Jahren haben Werner Franke und Helmut Beyer eine große Bildershow zusammengestellt. Diese Bildershow wird es am 23. Oktober um 16 Uhr in der Apostelkirche Großzschocher wieder zu sehen geben.

Eine Einladung für alle, die neugierig sind auf das, was da in Großzschocher in 800 Jahren alles geschehen ist. Denn man sieht zwar so manches geschichtsträchtige Haus in den Straßen. Die Geschichten dazu aber müssen erzählt werden.

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