„Der Schriftsteller SAID ist tot. Wir sind sehr traurig“, teilt uns der Konkursbuch Verlag mit. SAID war zwar kein Leipziger Schriftsteller, worauf ja in der Regel ein Fokus unserer Buchbesprechungen liegt. Aber in seinen Büchern hat er ein hochaktuelles Thema immer wieder neu dichterisch verarbeitet: Emigration, Fremde und Heimatlosigkeit. Zwei seiner Bücher hat die Leipziger Zeitung besprochen.

Zuletzt am 20. April sein Buch „Flüstern gegen die Wölfe“. Worauf er uns dann gleich wieder eine neue Geschichte schickte: „Der Flüsterer“. Darin geht es um das Thema staatliche Observation und die Einschüchterung der Menschen, wie sie in autoritären Staaten überall geschieht. Wer heute über Flucht und Vertreibung berichtet, muss auch über die Gründe der Flucht berichten, die Menschen eben oft nicht nur für Jahre ins Exil zwingen, sondern oft bis an ihr Lebensende.SAID hat schon in Zeiten des Schah-Regimes im Iran ein Exil in Deutschland gefunden. Das Thema der verlorenen Heimat und des Fremdseins ließ ihn nie los.

„Wie wir soeben erfahren haben, ist der iranische Schriftsteller SAID am Samstag in seinem Wohnort München plötzlich gestorben. Vor einigen Tagen haben wir uns noch intensiv per Mail über sein soeben erschienenes Buch unterhalten und Pläne geschmiedet“, schreibt Amancay Kappeller vom Konkursbuch Verlag.

„ ‚ein spitzel ist jemand, der seine geliebte verrät, um dem staat treu zu bleiben.‘ Die politisch gewollte Ohnmacht des Einzelnen grundiert die dem Band seinen Titel gebende Erzählung einer Flucht … Aber auch das Aufbegehren des Verstoßenen, seine Revolte im Sinne von Albert Camus und seine unzerstörbare Resilienz weiß SAID in brillante Literatur zu fassen.

SAID: September in Varna. Foto: Ralf Julke
SAID: September in Varna. Foto: Ralf Julke

Harte Kost manchmal. Dass auch Zärtlichkeit, Schmerz und Trauer ihren angemessenen sprachlichen Ausdruck finden, erweist den Verfasser als glühenden Trotz-allem-Humanisten. … Vor den großen Themen der Menschheit nicht zurückschreckende, ästhetisch feingeschliffene und die Seele anrührende Geschichten, ganz auf der Höhe der Zeit“, würdigte Klaus Hübner im Münchner Feuilleton SAIDs Buch „flüstern gegen die wölfe“.

Was wir dazu geschrieben haben, können Sie hier nachlesen.

SAID wurde am 27. Mai 1947 in Teheran geboren, 1965 kam er als Student nach München. Hier verbanden sich seine literarischen Interessen mit einem politisch-demokratischen Engagement. Nach dem Sturz des Schahs, 1979, betrat er zum ersten Mal wieder den Iran, sah aber unter dem Regime der Mullahs keine Möglichkeit zu einem Neuanfang in seiner Heimat. Seither lebt er wieder im deutschen Exil. Viele Buchpublikationen und Auszeichnungen, u. a. Adelbert-von-Chamisso-Preis, Goethe-Medaille, Alfred-Müller-Felsenburg-Preis für aufrechte Literatur.

Seit Jahrzehnten veröffentlicht SAID Texte in den Jahrbüchern des Konkursbuch Verlages und im Periodikum Konkursbuch. Auch seine beiden letzten Bücher erschienen dort: „september in varna“ 2019 und sein Band mit Erzählungen „flüstern gegen die wölfe“.
„Ein Buch, das ihm sehr am Herzen lag“, betont Kappeller.

Oft thematisieren die Dichter all das, was im politischen Alltag so schnell vergessen wird. Auch dass es immer um menschliche Schicksale geht, um ganz konkrete Leben und Hoffnungen, über die die „große Geschichte“ meistens blindlings hinweggeht. In Geschichten und Gedichten wird oft erst sichtbar, was uns mit Menschen verbindet, die scheinbar aus völlig fremden Ländern und Kulturen zu uns kommen.

Und auf einmal merkt man: Das ist einem auf menschlichste Weise vertraut. Bücher öffnen den Blick. Und sie zeigen uns – wie die Bücher SAIDs – dass es sich lohnt, die Welt immer wieder auch mit den Augen der Anderen zu sehen. Das hilft ungemein, den Kanon der eigenen Vor-Urteile zu durchbrechen und die Erde als einen großen, gemeinsamen Planeten zu begreifen, auf dem das Trennende Politik macht und das Gemeinsame viel zu oft ignoriert wird.

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