Mehrere Dutzend Steine soll die Polizei nach dem Krawall in der Leipziger Innenstadt am Abend des 5. Juni als Beweismittel sichergestellt haben. Eine Sonderkommission mit dem Namen "Johannapark" wurde eingerichtet. Nun bitten die Leipziger Ordnungskräfte um Mithilfe bei der Aufklärung des Falls. Währenddessen kommt es in linksradikalen Kreisen zu einer ersten Debatte nach einem veröffentlichten Text auf dem Internetportal Indymedia. Ein Bekennerschreiben ist nach wie vor nicht aufgetaucht.

Unter den Schlagworten „Schuldzuweisung“, „Unfähigkeit“, „zu wenig Polizeibeamte“ dürfte sich wohl am besten die öffentliche Debatte um die am Abend des 5. Juni stattgefundenen Ausschreitungen in der Leipziger Innenstadt zusammenfassen lassen. Statt Lösungen zu suchen, ergehen sich nach wie vor viele eher in Schuldzuweisungen. Auslöser: Zirka 100 Personen hatten sich am Freitag vergangener Woche gegen 22 Uhr nahe des Johannaparks getroffen. Von dort aus bewegten sie sich in Richtung Neues Rathaus, um wenig später wieder zu verschwinden.

100 Menschen randalierten am 5. Juni in Leipzigs Innenstadt. Foto: Indymedia
Foto: Indymedia/anonym

Während des nächtlichen Laufes bewarfen sie verschiedene Gebäude, darunter das Bundesverwaltungsgericht, mit Farbbeuteln und -gläsern als auch Steinen. Auch Pyrotechnik kam mehrfach zum Einsatz. Beim Zusammentreffen an der Kreuzung Harkortstraße/Martin-Luther-Ring mit Bereitschaftspolizisten, die dem Treiben ein Ende setzten sollten, kam es zu mehreren Verletzten und beträchtliche Sachschäden. Vier Polizeibeamte seien im Einsatz verletzt worden, so die Polizeidirektion im Nachgang.

„Die zeitliche Nähe zum G7 Gipfel mag der Anlass gewesen sein, sich die Straße zu nehmen, jedoch nicht der Grund“, mutmaßt ein unbekannter Autor unter dem Namen „Autonome Gruppen (1. Liga)“ auf der Internetseite Indymedia Freitagnacht zu den Ausschreitungen in der Leipziger Innenstadt. Eine Urheberschaft eines Täters ist dabei nicht nachgewiesen. Denn auf der Internetseite kann jede Person Beiträge einstellen. Eine redaktionelle Kontrolle oder Prüfung findet für gewöhnlich nicht statt. In der Vergangenheit – bei den Angriffen auf Justiz- und Polizeigebäude – waren hier jedoch Bekennerschreiben erschienen, welche sich zuordnen ließen.

Ein Bekennerschreiben stellt der aktuelle Text nicht dar und es dürfte mittlerweile fraglich sein, ob überhaupt noch eines erscheinen wird. Der kurze Artikel des Portals ist sehr allgemein gehalten. Informationen, die nur aus dem Täterkreis stammen können, sind darin nicht enthalten. „Gerade im Hinblick auf die zeitnahe stattgefundenen G7-Demonstrationen in Bayern zeigt sich“, heißt es in einem Ton, der auch von einer nicht anwesenden Person formuliert sein kann, „dass Protest, der es ernst meint, sich nicht auf die Spielregeln der Schweine einlassen darf.“ Dass hierbei Polizisten herabgesetzt werden, zeigt dennoch die Richtung und die zustimmende Tonart des Schreibens.

Unter dem Text meldeten sich mehrere Personen zu Wort, deren Reaktionen von Zustimmungen bis Ablehnungen verliefen. „Gegen ein bisschen Randale sage ich ja nichts“, meinte nach dem Erscheinen des Beitrages ein Nutzer, der die Bezeichnung von Polizisten als Schweine als menschenverachtend auswies. An anderer Stelle wurde ein Kommentator aufgeklärt, dass vor dem amerikanischen Konsulat keine „6-Euro-Security-Jobbern“ sondern Polizeibeamte standen.

Das Amerikanische Generalkonsulat. Foto: Alexander Böhm
Das amerikanische Generalkonsulat in Leipzig. Foto: Alexander Böhm

Das Schriftstück verneint die Motivation, dass das amerikanische Konsulat Ziel eines Angriffs gewesen sein soll. „Es kam lediglich zu Auseinandersetzungen mit deutschen Schweinen, die als Bewachung davor standen“, lautet die Gegendarstellung im abwertenden Ton. Am Konsulatsgebäude sind keine Schäden von außen sichtbar, sondern nur im bewachten Bereich davor feststellbar.

In der Zwischenzeit tappt die Polizei scheinbar im Dunkeln. Sie wendet sich mit einem Zeugenaufruf an die Bevölkerung. Mit zwei Plakaten, die nur Szenen nach der Eskalation zeigen, wird darum gebeten sich bezüglich Hinweisen zu melden.

Ganz ohne eine Spur stehen die Ermittlungsbehörden allerdings nicht da. „Die festgenommene Person ist zweifelsfrei dem linksextremen Spektrum zuzuordnen“, stellte Pressesprecher der Polizeidirektion, Leipzig Andreas Loepki, auf Nachfrage fest. Nach der Ausschreitung hatten Beamte die Identität eines vermeintlichen Gewalttäters festgestellt. Laut dem Internetportal Indymedia sei bei diesem dann eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden.

Zeugen, die sachdienliche Hinweise besitzen, bittet das Operative Abwehrzentrum der Polizei Sachsen, sich bei der Kriminalpolizei in der Dimitroffstraße 1 in Leipzig, unter der Telefonnummer 0341/966-46666 oder jeder anderen Polizeidienststelle zu wenden.

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Es gibt 6 Kommentare

Spüren Sie, Klaus, jetzt mal ein bisschen Gegenwind?

Schauen Sie auch mal nach rechts. In Sachen rechter Gewalt äußeren Sie sich auffallend zurückhaltend, das fällt irgendwann auf… und verwundert.

Lieber Klaus, warum nur … wollen Sie, dass wir bei Legida/Pegida differenzieren, hier jedoch nicht? Irgendwann wird schon klar, was Sie gern möchten. Können wir so nicht liefern, wir versuchen es einfach weiter mit der Differenzierung, auch bei diesem Thema. Deshalb meine Bitte an Sie: Lesen Sie gern mal im Archiv seit wann (seit drei Jahren) wir nun mit dem Thema Polizeistärken, Probleme und den dazu gehörenden Fragen wie Wachstumsstadt und soziale Spannungen in Leipzig zu tun haben. Es ist nicht wirklich in Ordnung, da so drüberzubügeln. Vielleicht können wir uns mal bis dato auf eines einigen: einfache Lösungen sind selten und dann sogar oft nicht richtig 😉 Und bitte lassen Sie es ohne gegenseitige Vorwürfe versuchen. Die helfen am Wenigsten.

Ihr M.F.

Durch die diversen autoritären Anspielungen ihrer Kommentare wundert mich ihre jetzigen Ausführungen sowieso nur noch wenig.

Mich wundern ihre Kommentare auch nicht, weil Sie nur gewillt sind nach links zu schauen. Das kann sehr schnell ins Auge gehen. Selbst wenn man eine Straße überquert. Nach der Wiedervereinigung habe ich übrigens beruflich sehr schnell gelernt bzw. lernen müssen, dass man gezwungen ist bzw. wird, gravierende Probleme nicht beim Namen zu nennen, sondern schön umschrieben zu formulieren. Ich kann demnach sehr wohl erkennen, ob jemand etwas verharmlost oder nicht. Mit Sicherheit nicht nur ich!

Eine realisierbare Lösungsmöglichkeiten wurden mehrfach in Artikeln diskutiert und zwar auf mehren Ebenen darunter bspw. mehr Beamte, andere Einsatzstrategien oder Bewegung in der sächsischen Asylpolitik.

Von Verharmlosung kann ebenfalls keine Rede sein, was u.a. durch den Terminus “Täterkreis” zum Ausdruck gekommen sein dürfte. Nur weil hier nicht der Fehler gemacht wird, in Pauschalisierungen zu verfallen und zumindest Motivationsgründe artikuliert wurden, wie es Herr Freitag in mehreren Artikeln bereits getan hat, ist das nicht mit Verharmlosung gleichzusetzen, sondern der Versuch den Geschehnissen mit etwas Objektivität zu begegnen.

Durch die diversen autoritären Anspielungen ihrer Kommentare wundert mich ihre jetzigen Ausführungen sowieso nur noch wenig.

Statt Lösungen zu suchen, ergehen sich nach wie vor viele eher in Schuldzuweisungen.

Sehr geehrte Herren Böhm & Freitag, schlagen Sie doch selbst wenigstens eine (realisierbare) Lösungsmöglichkeit vor! Bei mir verfestigt sich (leider) immer mehr der Eindruck, dass Sie für diese Szene Partei ergreifen (und das nicht zu knapp), obwohl der Zorn über diese in Leipzig nun erhebliche Dimensionen erreicht hat. Mit Recht!
Hat das noch etwas mit sachlicher und kritischer Berichterstattung zu tun? Weshalb verharmlosen Sie diese Taten? Was ist denn letztlich das Ziel dieser radikalen Gruppen?

Für mich sind Ihre Beiträge u.a. deshalb “harmlos”, weil Sie Worte bzw. Sätze verwenden, die eindeutig diese Taten verniedlichen. Hier einige Beispiele im heutigen Kommentar: Ein Bekennerschreiben ist nach wie vor nicht aufgetaucht; Statt Lösungen zu suchen, ergehen sich nach wie vor viele eher in Schuldzuweisungen; Zirka 100 Personen hatten sich am Freitag vergangener Woche gegen 22 Uhr nahe des Johannaparks getroffen. Von dort aus bewegten sie sich in Richtung Neues Rathaus, um wenig später wieder zu verschwinden; Dass hierbei Polizisten herabgesetzt werden…;

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