Im Prozess um den Tod des kleinen Kieron-Marcel (2) sagten am Freitag zwei Polizeibeamte aus. Die Ausführungen zeugten von einem unglücklich verlaufenen Einsatz am 9. Februar 2012, der die tragische Ereigniskette, die zum Tod des Jungen und seiner drogensüchtigen Mutter führte, hätte unterbrechen können. Allerdings belasteten die Aussagen nicht den angeklagten Jugendamtsmitarbeiter Tino H. (43).

Roman G. war am 9. Februar 2012 mit einem Kollegen in der Wohnung von Christine F.. Nachbarn hatten die Polizei alarmiert, weil die 25-Jährige Gegenstände aus dem Fenster geworfen hatte. Die Beamten begegneten einer Frau, die sich in einem desolaten Zustand befunden haben muss. Die Mutter, die nur Unterwäsche trug, schlug mit ihren Händen gegen die Wände und den eigenen Körper. Den Ordnungshütern schilderte sie, sie würde Schnaken sehen. Tatsächlich existierte das Ungeziefer aber nur in ihrem Kopf.

“Für uns war klar, dass hier ärztliche Hilfe hinzukommen muss”, berichtete G.. Die Polizisten riefen einen Notarzt, auch weil sie eine Gefahr für Kieron-Marcel erkannten. Der Mediziner sollte die Zwangseinweisung der Mutter in die Psychiatrie prüfen. Auf dem Revier telefonierte eine Beamtin mit dem Kinder- und Jugendnotdienst. Die Inobhutnahme des Kleinkinds wäre möglich gewesen.

Der Notfallmediziner entschied jedoch, die Frau, die sich bis zu seinem Eintreffen beruhigt hatte, dürfe samt Sohn in der Gohliser Wohnung bleiben. “Er hat gesagt, das sind Vernarbungen vom Betäubungsmittel-Konsum. Das sind Schübe. Die kommen und gehen”, erinnerte sich der Zeuge.

Die Polizisten nahmen am Folgetag Kontakt zu Tino H. auf. Der Sozialarbeiter habe zugesichert, sich um den Fall zu kümmern. Tatsächlich suchte er seine Klientin am 10. Februar daheim auf, traf diese aber nicht an. Der Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialdienst (ASD) hinterließ der Frau im Briefkasten eine Nachricht. Christine F. reagierte spät. Erst am 10. April tauchte sie überraschend bei Tino H. im Büro auf. Mit Kieron-Marcel und ihrem neuen Lebensgefährten. Der ASD-Mitarbeiter hatte nach eigenen Angaben nicht den Eindruck, dass zu diesem Zeitpunkt das Wohlergehen des Kleinkinds gefährdet sei. Die Begegnung war der letzte Kontakt zu der kleinen Familie.

Telefonprotokolle lassen den Schluss zu, dass Christine F. am 6. Juni in den Abendstunden nicht mehr in der Lage gewesen ist, Gespräche entgegenzunehmen. Der Prozess kreist um die Frage, ob Tino H. am 10. April 2012 eine Kindeswohlgefährdung hätte erkennen müssen und ob er es sodann unterließ, Kieron-Marcel von der Mutter zu trennen. In dem Fall hätte sich der Eingangsmanager der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht. Ein Urteil wird am 12. August erwartet.

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