Das Amtsgericht Leipzig hat einen 24-jährigen Azubi freigesprochen, der am Rande einer OfD-Demonstration im September 2015 einen Stein auf Polizisten geworfen haben soll. Ein Zivilbeamter hatte den vermummten Werfer bei seiner Tat beobachtet und ihn später anhand auffälliger Schuhe angeblich wiedererkannt. Dem Gericht war das für eine Verurteilung jedoch zu wenig.

Als die rechtsradikale „Offensive für Deutschland“, eine Abspaltung von Legida, im September 2015 erstmals auf die Straße ging, kam es zu massiver Gewalt. Schon am Augustusplatz, wo die Auftaktkundgebung stattfand, lieferten sich Gegendemonstranten und Polizisten Auseinandersetzungen. Auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz, dem Endpunkt der Demonstration, flogen dann Steine in Richtung der Teilnehmer sowie mitlaufender Polizisten und Journalisten.

Der 24-jährige Azubi G. soll einer der Werfenden gewesen sein. So legt es ihm zumindest die Staatsanwaltschaft zur Last. Demnach habe G. einen Stein auf eine Gruppe von Polizeibeamten geworfen und sich damit der versuchten gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht – ob jemand durch diese Aktion verletzt wurde, konnte nicht ermittelt werden.

G. machte vor Gericht keine Angaben, stattdessen sprachen zwei als Zeugen geladene Polizeioberkommissare. Michael M. war laut eigener Aussage in ziviler Kleidung im Einsatz: „Ich habe die Person, die den Stein geschmissen hat, aus etwa sechs Metern Entfernung gesehen und konnte sie eindeutig identifizieren. Sie trug auffällige Schuhe.“ Abgesehen davon habe die Person die üblichen und kaum unterscheidbaren Kleidungsstücke auf Veranstaltungen dieser Art getragen: dunkle Jeans, Kapuzenjacke und Vermummung im Gesicht. Die Schuhe – aber auch die Körpergröße und Bewegungen des Verdächtigen – seien M. wenige Minuten nach dem Wurf erneut aufgefallen. Kurz darauf nahmen Kollegen den mutmaßlichen Steinewerfer fest.

Der ebenfalls geladene Polizist Martin B. gehörte zu den Personen, die ins Visier der Angreifer geraten waren. Er selbst sei getroffen, aber nicht verletzt worden. Später nahm er die Personalien von G. auf. Eine Beschreibung des Täters hatte er zuvor über Funk erhalten. Der Wurf an sich konnte nur durch Michael M. bezeugt werden. Laut B. war der Azubi „überrascht“, als er mit dem Tatvorwurf konfrontiert wurde. Ein Tuch oder ein anderer zur Vermummung geeigneter oder generell strafrechtlich relevanter Gegenstand sei bei der Durchsuchung nicht gefunden worden.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft zeigte sich davon „überzeugt“, dass G. den Stein geworfen habe, und forderte eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung sowie eine Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung in Höhe von 500 Euro. Strafverteidigerin Rita Belter forderte einen Freispruch: „Es handelt sich um eine Verwechslung.“

Ob es sich tatsächlich um eine Verwechslung handelt, wollte Amtsrichterin Sonja Schumann nicht beurteilen. Dennoch sprach sie den Angeklagten frei, da ihr die angeblich wiedererkannten Schuhe als einziges Merkmal für die Identifikation des Täters nicht ausreichten.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Innerhalb einer Woche kann die Staatsanwaltschaft Berufung oder Revision einlegen.

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