Dennis Maurer* glaubte, seinen Augen nicht zu trauen: Es war, nach längerer Trockenheit und Hitze, mal wieder ein verregneter Morgen Anfang Juli 2022, als der 38-jährige Familienvater aus dem Leipziger Süden seine drei Kinder zu Schule und Kita fahren wollte. Doch der VW Multivan T6 war weg – und Dennis Maurer stand mit den Kleinen fassungslos im Regen. Ein Einzelfall? Keineswegs.

Denn in den letzten Monaten seien allein im Süden Leipzigs wöchentlich zwischen zwei und vier VW-Busse entwendet worden, hat Dennis Maurer festgestellt, seit er selbst Opfer von Autodieben wurde und daher regelmäßig die Polizeimeldungen verfolgt.

Diebstahl nach wenigen Tagen im Besitz

Das Familienauto der Maurers war über Nacht direkt vor dem Mehrfamilienhaus geparkt worden und per Lenkradkralle gesichert. Auch alle Nachbarn waren in der Nacht anwesend, ihre Schlafzimmerfenster zur Straße hin wegen des kühlenden Regens offen oder angekippt. Doch niemand bemerkte die Langfinger.

Die bittere Ironie der Geschichte: Schon vor dem Vorfall hatten die Maurers einen der Sitze des Wagens ausgebaut, vergaben ihn kürzlich via eBay an einen Interessenten aus der Leipziger Südvorstadt. Der brauchte den Sitz für seinen neuen VW California T6, den er Ende Dezember 2022 aus Wolfsburg abholte. Dennis Maurer warnte den Käufer noch wegen der hohen Zahl an Diebstählen und riet dem Mann, das Fahrzeug besonders zu sichern. Nur wenige Tage später, Anfang Januar, war auch dessen Auto futsch.

Soko KfZ auf der Jagd nach den Tätern

Hinter all dem steckt offenbar System. Beim Landeskriminalamt (LKA) Sachsen sind derzeit Ermittlungen wegen schweren Bandendiebstahls von Kraftfahrzeugen anhängig, welche die Entwendung von VW-Bussen der Baureihen T5, T6 und California betreffen, bestätigt LKA-Sprecherin Kathlen Zink auf LZ-Anfrage. Örtlicher Schwerpunkt sei die Stadt Leipzig und deren Umland, wo es seit Herbst 2022 im Wochentakt zu Diebstählen kommt – teilweise mehrere pro Tag.

Um die Ermittlungsverfahren kümmert sich beim LKA eine Sonderkommission zur Bekämpfung der internationalen KfZ-Verschiebung, kurz Soko KfZ, im Verbund mit der Abteilung Organisierte Kriminalität der Leipziger Staatsanwaltschaft.

Das LKA sieht hinter der Vielzahl an Entwendungen organisierte und zielgerichtete Diebstähle, die das Ziel hätten, die Fahrzeuge ins Ausland zu verbringen. Es bestehe der Anfangsverdacht, dass hier Mitglieder einer osteuropäischen Bande am Werk sind, erklärt die LKA-Sprecherin weiter. Konkrete Informationen zum Modus Operandi der vermuteten Tätergruppe will sie unter Verweis auf laufende Ermittlungen aktuell nicht preisgeben.

Generell ist es jedoch kein Geheimnis, dass hochprofessionelle Diebesbanden meist nicht mehr mit Brecheisen agieren, sondern sich modernster Elektronik bedienen, indem sie etwa Funksignale von Schließsystemen abfangen.

Festnahmen auf frischer Tat gab es bisher nicht, so Behördenvertreterin Zink, aber: „Mithin werden diesbezügliche Fahndungsaktivitäten aktuell verstärkt.“

Osteuropa als lukrativer Markt

Fest steht, dass nicht zuletzt die Lieferschwierigkeiten auf dem Weltmarkt zu einem Nachfragestau geführt haben – und das wiederum bedingt, dass Kaufinteressenten selbst mit dem nötigen Kleingeld in der Hinterhand mitunter monatelang auf einen neuwertigen VW-Bus warten müssen. Entsprechend lassen sich, auch auf den Märkten Osteuropas, derzeit ordentliche Preise mit hochwertigen Fahrzeugen und Fahrzeugteilen erzielen.

Dies wurde auch Dennis Maurer bei der Aufnahme der Diebstahls-Anzeige kommuniziert: Vermutlich sei das Fahrzeug längst auf dem Weg Richtung Osten, erklärte ihm der zuständige Polizist. Überrascht waren die Beamten jedenfalls ganz und gar nicht.

Urlaub futsch und auf einem Teil der Kosten sitzengeblieben

Die Folgen des Diebstahls sind für Betroffene wie die Maurers durchaus einschneidend: Der vier Jahre alte Wagen, der nicht nur den Alltag erleichterte, sondern auch für Familienbesuche und den Jahresurlaub wichtig war, stand mit einem Mal nicht mehr zur Verfügung, was die Planungen über den Haufen warf. Die Sommerferien 2022 an der französischen Atlantikküste, bei denen die Leipziger Familie wie üblich im VW-Bus genächtigt hätte, waren im Eimer, stattdessen ging es spontan an die Ostsee.

„Es gibt Schlimmeres, ich weiß. Es ist Meckern auf hohem Niveau“, betont der betroffene Dennis Maurer gegenüber der LZ. Doch gerade seinen drei kleinen Kindern sei „eine Art zweites Zuhause genommen“ worden, meint der 38-jährige Sozialarbeiter.

Immerhin: Das Prozedere mit der Versicherung lief für die Maurers gut. Der geklaute VW-Bus war trotz vierjähriger Benutzung und etwa 90.000 Kilometern auf dem Buckel im Wert gestiegen, was die Suche nach einem Ersatz nicht einfacher machte. Einige Wochen später jedoch konnte die Familie einen neuen Wagen vor ihrer Haustür abstellen, wenn auch von einer älteren Baureihe und deutlich teurer als das Vorgänger-Fahrzeug.

Ein bitterer Tropfen aber blieb: Die Versicherung überwies nur den Wiederbeschaffungswert ohne Mehrwertsteuer-Anteil, sodass Maurers diesen – wenn auch geringeren – Teil der Kosten aus dem eigenen Budget abdecken müssen.

Im Fall des Falls und präventiv: Was ist zu tun?

Die Polizeibehörden empfehlen im Falle eines vermuteten KfZ-Diebstahls, zunächst auszuschließen, dass der Wagen abgeschleppt worden sein könnte. Ansonsten gilt: Anzeige bei der Polizei erstatten, den Diebstahl anschließend bei der Zulassungsstelle melden und bei der Versicherung.

Doch auch vorbeugend, so das LKA Sachsen auf LZ-Anfrage, könne das Risiko minimiert werden. Autobesitzer sollten ihren Wagen auch bei kurzer Abwesenheit stets sorgfältig verschließen, das Lenkrad einrasten und keine Wertsachen im Innenraum lassen. Belebte und beleuchtete Parkorte geraten seltener ins Visier von Tätern als dunkle Gassen.

Als mechanische Prävention kommen Gangschaltungssperren, Felgenschlösser, Lenkrad- und Parkkrallen in Betracht. Auch Türen und Kofferraum können mit Extra-Schlössern verriegelt werden. Elektronisch könne zudem eine Warnanlage helfen. Sollte es trotz allem zu einem Diebstahl kommen, sind Ortungssysteme ein probates Mittel, den geliebten Untersatz vielleicht wiederzufinden. „Grundsätzlich sollte der Einbau aller mechanischen und elektronischen Sicherheitsmaßnahmen mit einer KfZ-Werkstatt abgestimmt werden“, rät LKA-Sprecherin Kathlen Zink.

Auch Dennis Maurer hat das alte, neue Familienfahrzeug nun mit mehr Mitteln als vorher gesichert, wie er sagt, gern möchte er andere VW-Bus-Besitzer sensibilisieren. Und konstatiert: „Seit Juli schaue ich alle ein bis zwei Wochen auf den Polizeiticker und bin einfach fassungslos, wie viele Busse seitdem geklaut wurden.“

*Name des Betroffenen geändert – die Identität ist der Redaktion bekannt.

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