Er kassierte viele Jahre Haft plus Sicherungsverwahrung, bedrohte und attackierte beim Urteil die Strafkammer und den Staatsanwalt: Ein junger Mann, der unter anderem einen Bekannten in Leutzsch aus banalem Anlass beinahe ermordet haben soll, wird demnächst in gleicher Sache erneut am Landgericht erscheinen. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil teilweise gekippt. Hier die Hintergründe.

Rund eineinhalb Jahre nach einer schockierenden Serie von Gewalttaten in Leipzig-Leutzsch kann der Fall noch nicht zu den Akten gelegt werden: Bereits Ende Januar gab der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in Leipzig der per Sachrüge geführten Revision eines verurteilten Mannes teilweise statt, indem dessen verfügte Unterbringung zum Alkoholentzug aufgehoben wurde.

Damit muss noch einmal eine neue Verhandlung am Leipziger Landgericht angesetzt werden. Dies hatte bei der Prüfung des Falls auch der Vertreter der Bundesanwaltschaft befürwortet.

Anklage wegen Serie an Gewalttaten

Wie der BGH in seiner Entscheidung vom 30. Januar hervorhebt, habe die 1. Strafkammer am Leipziger Landgericht an sich korrekt entschieden, als sie Christian F. (30) am 26. Mai 2023 verurteilte.

Nach Überzeugung der Schwurgerichtskammer hatte sich der massiv vorbestrafte Tätowierer und Pornodarsteller des versuchten Mordes schuldig gemacht, indem er einen Bekannten (64) am 1. September 2022 in dessen eigener Wohnung in Leutzsch mit einer Bierflasche und einem Messer attackierte. Tatmotiv laut Anklage: Das Opfer konnte oder wollte seine Zigaretten nicht herausgeben. Mit viel Glück überlebte der hilflos zurückgelassene Wohnungsinhaber den brutalen Angriff.

Kurz nach dem Verbrechen soll Christian F. zudem eine Bekannte (32), mit der er unterwegs war, gegen 23:30 Uhr unweit vom Leutzscher Rathaus nach einer Kaskade von Drohungen und Verletzungen zum Oralverkehr gezwungen haben. Noch ehe es dazu kommen konnte, nahm eine Streifenwagenbesatzung den höchst aggressiven Christian F. fest, wobei er auch die Polizeibeamten heftig bedroht haben soll.

Gesetzgeber verschärfte die Hürden für den Maßregelvollzug

Mit der Entscheidung des Landgerichts vom 26. Mai 2023 sollte der von der Anklage als „äußerst gewaltbereit und gefährlich“ eingestufte Mann unter anderem wegen Mordversuchs, versuchter schwerer Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung für 13 Jahre hinter Gitter, einen Teil davon nach Absitzen von vier Jahren wegen seiner Alkoholprobleme in einer Entziehungsanstalt verbringen. Dazu wurde zum Schutz der Allgemeinheit Sicherungsverwahrung angeordnet, sodass er auch nach Ablauf der Haft nicht in Freiheit dürfe.

Maßregel und Sicherungsverwahrung stehen jetzt jedoch nochmal auf dem Prüfstand. Hintergrund dessen ist eine Gesetzesänderung, die erst nach dem Leipziger Urteil in Kraft getreten war: Im Sommer 2023 waren die Bedingungen, unter denen ein Angeklagter nach § 64 StGB in eine Entziehungsanstalt eingewiesen werden darf, spürbar verschärft worden.

Demnach dürfe ein Gericht diese Maßnahme nur noch bei einer fundiert erhöhten Aussicht auf einen Behandlungserfolg anordnen. Hinsichtlich des Angeklagten Christian F. ergäbe sich diese positive Prognose im Sinne des neuen Gesetzes nicht hinreichend – jedenfalls nach jetziger Kenntnis.

Strafmaß an sich bleibt bestehen

Laut anwaltspraxis-magazin.de will der Gesetzgeber mit der größeren Hürde besonders der Überbelegung des Maßregelvollzugs in Deutschland entgegensteuern. So ist die Zahl der Unterbringungen über die Jahre stark gestiegen, mit der Folge, dass Insassen unzumutbar lange auf einen Therapieplatz warten oder gar entlassen werden müssen.

Ein Szenario, das bei Christian F. nicht zu befürchten ist: Sein eigentliches Strafmaß von 13 Jahren Gefängnis bleibt von der BGH-Entscheidung unberührt und ist rechtskräftig. Weil aber nicht von vornherein auszuschließen sei, dass der als Gewalttäter Verurteilte die neuen Anforderungen an eine Unterbringung im Maßregelvollzug doch erfülle, könnte in diesem Fall laut BGH auch die Sicherungsverwahrung wegfallen.

Über beides daher noch einmal zu entscheiden, obliegt nun einer anderen Strafkammer des Leipziger Landgerichts, die den Fall demnächst auf ihrem Tisch haben wird. Termine zum Prozess sind bisher nicht bekannt.

Schwerer Eklat bei der Urteilsverkündung

Christian F., der laut Gutachter eine dissoziale Persönlichkeitsstörung hat, hatte während der Gerichtsverhandlung im letzten Jahr fast alle Vorwürfe, zu denen auch Würgeangriffe auf seine Bekannte und Flaschenwürfe zählten, wortreich von sich gewiesen und eine abweichende Version des Tatgeschehens präsentiert.

Während der Urteilsverkündung schmiss der 30-Jährige ein Mikrofon zur Richterbank, drohte dem Anklagevertreter und dem Richter brüllend mit Mord. Er musste daraufhin vom Sicherheitspersonal des Landgerichts überwältigt und gefesselt werden. Selbst seine Verteidigerin hatte der Angeklagte am Schluss massiv beschimpft.

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