Ein 40-Jähriger starb laut Anklage, weil die Täter an seinen Autoschlüssel und seine Wertgegenstände heranwollten: Nach dem brutalen Übergriff auf einen Mitbewohner in einer Grünauer Monteurs-Unterkunft vor über einem Jahr steht mit Kamil B. einer der mutmaßlichen Täter seit Mittwoch wegen Raubs mit Todesfolge vor dem Landgericht. Der 28-Jährige schwieg zunächst.
Pawel, ein Mann aus Polen, wurde nur 40 Jahre alt. Zwei Landsleute, wie er selbst ein Leiharbeiter, sollen ihren Mitbewohner zwischen dem 19. März 2024, 21:00 Uhr, und 20. März 2024, 07:00 Uhr, brutal traktiert haben, indem sie ihm gegen Kopf und Oberkörper traten. Tatort des schockierenden Vorfalls war laut Anklage eine Monteurs-Unterkunft in der Grünauer Jupiterstraße, die insgesamt durch fünf Männer bezogen worden war.
Täter sollen es auf Wertgegenstände abgesehen haben
Motiv der Täter sei es gewesen, die Geldbörse, den Laptop sowie Fahrzeugschlüssel und -papiere des Opfers an sich zu bringen, sagte Staatsanwalt Christopher Jusciak am Mittwoch beim Prozessauftakt im Landgericht Leipzig.
Durch den Übergriff erlitt der getötete Pawel multiple Hämatome im Gesicht, Frakturen, einen Brusthöhlen-Aufriss und erheblichen Blutaustritt in den Thorax von 1,7 Litern. Spätestens am 23. März 2024 starb der Pole nach Behördenkenntnis an einem hämorrhagischen Schock, wurde tot in seinem Auto auf einem Parkplatz in der Kiewer Straße aufgefunden.
Der Angeklagte Kamil B., ein großgewachsener und schwerer Mann, möchte sich laut seinen Anwälten am Mittwoch zunächst nicht zum schweren Tatvorwurf äußern, womöglich später, so heißt es. Angaben macht der 28-Jährige nur zu seiner Person: Er sei in einem normalen Umfeld ausgewachsen, 2024 aus Polen nach Deutschland gekommen und habe hier zuletzt für einen Autokonzern gearbeitet, gibt der Kfz-Mechaniker an, der im Gerichtssaal durch eine Dolmetscherin unterstützt wird.
Zeuge berichtet von Angst
Etwas Licht ins Dunkel bringen könnte der erste Zeuge, den die Strafkammer am Mittwoch vernimmt. Mariusz K. (Name geändert) war erst kurz vor dem brutalen Übergriff in die Monteurs-Wohnung am Leipziger Stadtrand eingezogen, die sich der junge Pole mit vier Landsleuten teilte. Er sei über eine Arbeitsvermittlung nach Deutschland gekommen, so der 27-Jährige.
Bei seiner Rückkehr von der Nachtschicht am 20. März 2024 habe er von Pawel erfahren, dass er in der Nacht angegriffen worden sei: „Es waren Verletzungen sichtbar im Bereich Gesicht und er berichtete von Schmerzen am Bauch“, so der Zeuge über das Opfer. Pawel habe das Angebot, einen Krankenwagen für ihn zu rufen und die Polizei hinzuzuziehen, jedoch mehrfach abgelehnt. Kurz darauf war er tot: „Ich habe ein schlechtes Gewissen und mache mir Vorwürfe“, sagt Mariusz K. mit leiser Stimme.
Mit dem jetzt Angeklagten habe er nichts zu tun gehabt, sehr wohl aber mit dem mutmaßlichen Mittäter, der gesondert verfolgt wird. Vor ihm habe er große Angst gehabt, zumal er mit Kamil B. befreundet gewesen sei. Letzterer soll damit geprahlt haben, dass er bereits wegen Körperverletzung hinter Gittern saß. Dabei habe er keinen Ärger gesucht, sondern einfach nur arbeiten und Geld verdienen wollen, erklärt der Zeuge.
Prozesstermine bis Juni angesetzt
Der mutmaßliche Schläger Nummer zwei habe ihn und einen weiteren Bewohner unter Druck gesetzt, dass man für ihn aussagen möge, erinnert sich Mariusz K.: Er räumte demnach halbherzig ein, dass man es „etwas übertrieben“ habe, andererseits sei es eine Notwehrsituation gewesen, da Pawel auf ihn losgegangen sei, er sich angeblich nur gewehrt haben will.
Besonders wütend sei er auf die zwei übrigen Mitbewohner gewesen, da sie in ihrer Not die Jobvermittlung um Hilfe baten, weil sie mit der Situation überfordert waren. Ein Punkt aber bleibt zunächst offen: In seiner Vernehmung bei der Polizei hatte Mariusz K. das Geständnis des mutmaßlichen Zweittäters sowohl in der „Ich“-Form als auch der „Wir“-Form zitiert. Deutet dies also auf eine Beteiligung des Angeklagten Kamil B., von der die Staatsanwaltschaft ausgeht?
Daran könne er sich nicht mehr genau erinnern, erwidert Mariusz K. auf Nachfragen von der Richterbank. Für den Prozess sind vier weitere Verhandlungstage bis 10. Juni anberaumt. Bei einem Schuldspruch ist im Höchstfall lebenslange Haft möglich.
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