Unter hohem Interesse von Medien und Öffentlichkeit verhandelte der 6. Senat des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts (BverwG) am Mittwoch, dem 1. Oktober, über die Klage einer Frau, die sich gerichtlich – bislang erfolglos – gegen die Zahlung des Rundfunkbeitrags gewehrt hat. Ein Urteil gab es nach zwei Stunden Verhandlung aber erwartungsgemäß noch nicht, dieses soll in zwei Wochen folgen.

Bedenkt man, wie hart über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) Deutschlands und die Abgabe von derzeit 18,36 Euro im Monat gestritten wird, dann verlief die Verhandlung am Mittwoch im Bundesverwaltungsgericht in recht sachlicher Atmosphäre. Lediglich gegen Ende gab es lautes Raunen und Gelächter aus dem vollbesetzten Zuschauerraum, als die Aussage fiel, der ÖRR wolle niemanden indoktrinieren: „Sie sind hier zum Zuhören, nicht um Ihre Meinung zu äußern!“, wies der Senatsvorsitzende Ingo Kraft das Publikum empört zurecht.

Klägerin scheiterte in zwei Vorinstanzen

Und darum ging es: Die Klägerin, Frau H. aus Bayern, bekam im April 2022 einen Beitragsbescheid des Bayerischen Rundfunks über 63,53 Euro noch ausstehender Rundfunkgebühr für ihren Haushalt, bezogen auf den Zeitraum Oktober 2021 bis März 2022.

Sie setzte sich zur Wehr: Weil der deutsche ÖRR nicht staatsfern sei, sondern „Erfüllungsgehilfe staatlicher Meinungsmacht“ ohne Vielfalt, Ausgewogenheit und Qualität, leite sich daraus ein Recht ab, die Zahlung zu verweigern. Die Rede ist von strukturellem Versagen, das auch aus einer staatsnahen Besetzung von Aufsichtsgremien resultiere. Ein individueller Vorteil, der die Beitragspflicht für den ÖRR rechtfertige, sei nicht zu erkennen.

Sowohl beim Münchner Verwaltungsgericht als auch beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof scheiterte die Klägerin mit dem Versuch, die Aufhebung des Bescheids zu erwirken. Argumentiert wurde, dass schon die Möglichkeit des Empfangs von Sendern einen Vorteil generiere. Und: Allein Missfallen am Programm befreie nicht von der Zahlungspflicht.

Senat: Klägerin ist in der Nachweispflicht

Allerdings hatten die Bundesrichter des Leipziger BVerwG im Mai 2024 noch eine Tür geöffnet, indem sie eine Revision, entgegen dem Willen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Streitgegenstands zuließen.

Neben Fragen der Zuständigkeit und rechtliche Details ging es in der zweistündigen Verhandlung am Mittwoch vor allem um eine mögliche Verletzung des ÖRR-Auftrags, die auf die Kernfrage verweist: Ab wann ist der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verletzt und was bedeutet es für die Pflicht zur Beitragszahlung?

Das Interesse am Prozess ist überdurchschnittlich groß. Foto: Lucas Böhme
Das Interesse von Medien und Öffentlichkeit am Prozess ist überdurchschnittlich groß. Foto: Lucas Böhme

Die Messlatte für eine solche Verletzung sei hoch, betonte der Senatsvorsitzende, ein dauerhaftes, strukturelles und systemisches Versagen müsste nachgewiesen sein: „Da muss die Klägerseite schon mit was kommen und ordentlich was hinlegen.“ Ärger über eine einzelne Sendung reiche nicht aus.

Das relativierten die Vertreter der Klägerin damit, dass von einer einfachen Beitragszahlerin keine studienartige Evaluation des ÖRR-Programms erwartet werden könne. Sie müsse nur „in geeigneter Weise“ belegen, dass sie insgesamt in ihrem Eindruck erschüttert sei, der ÖRR liefere gemäß seinem Auftrag. Die ins Feld geführte Option der Programmbeschwerde sei weitgehend nutzlos, monierten die Rechtsanwälte Harald von Herget und Carlos A. Gebauer, allein weil sie zu fast 100 Prozent als unbegründet verworfen werde.

Bevollmächtigte des Bayerischen Rundfunks widerspricht Kritik

Die Bevollmächtigte des Bayerischen Rundfunks widersprach: Der ÖRR stehe nicht außerhalb des Rechts und müsse sich natürlich wegen seiner Gebühren rechtfertigen. „Über Einzelheiten kann man trefflich streiten.“ Auch gäbe es journalistische Fehler, die abgestellt würden, so Rechtsprofessorin Eva Ellen Wagner. Kritik nehme man ernst. Der Eindruck völlig dysfunktionaler Strukturen beim ÖRR sei falsch.

Klar ist eines: Er habe bei Gesprächen anlässlich der Prozessvorbereitung in den letzten Wochen gespürt, wie das Thema ÖRR in der Bevölkerung gärt, bemerkte Klägeranwalt Gebauer. „Die Betriebstemperatur ist so erhöht. Ich war entsetzt, wie viel Wutpotenzial vorhanden ist.“ Das bewies auch das große Zuschauerinteresse im großen Saal des Gerichts, nicht wenige mussten draußen bleiben. Auf dem Simsonplatz demonstrierten geschätzt bis zu 100 Menschen gegen die ÖRR-Beiträge.

Demo am Mittwoch. Foto: Lucas Böhme
Am Bundesverwaltungsgericht hatte sich anlässlich des Prozesses Protest gegen den ÖRR und die Rundfunkgebühren versammelt. Foto: Lucas Böhme

Angesichts der Debatte der Prozessparteien stellte auch der Senatsvorsitzende Ingo Kraft, der nach eigenen Angaben regelmäßig kritische Post zum ÖRR bekommt, nüchtern fest: „Es wird sehr politisch. Aber wir sind keine Gestalter, die hier die neue Rundfunkordnung finden können.“ Zumindest soll gleichwohl die Frage geklärt werden, wie die Verbindung zwischen der Beitragspflicht und dem ÖRR-Angebot im rechtlichen Sinne aussieht und was daraus folgt. Ein Urteil dazu gibt es am 15. Oktober um 14:00 Uhr.

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