In der Leipziger Justizvollzugsanstalt leben knapp 500 Gefangene. Die bekamen Anfang Dezember Besuch von der SPD. Genauer: vom Landtagsabgeordneten Harald Baumann-Hasske, Rechtsanwalt von Beruf, in der SPD-Landtagsfraktion Sprecher für Justizpolitik. Da will man doch schon einmal wissen, wie das Leben von Menschen aussieht, wenn sie ihre Haftstrafe in Sachsen absitzen müssen.

Schauplatz: Justizvollzugsanstalt Leipzig. – Gefährliche Gefangene dürfen hier nicht zusammensein, aber die sind sowieso in der Minderheit und gefährlich sieht hier auch niemand aus. Man arbeitet, ist zum Computerlehrgang oder verrichtet irgendeinen nützlichen Dienst. Doch immerhin: Ein Drittel der rund 400 Strafgefangenen im Leipziger Gefängnis lebt in der Einzelunterbringung. Der Rest in Gemeinschaftszellen und hinzu kommen noch 49 Plätze für die, die es fast geschafft haben. Sie sind im offenen Vollzug.

Doch das sind eher nicht die Probleme an der Leinestrasse in Leipzigs Südosten. Anstaltsleiter Rolf Jacob, ein erfahrener Staatsanwalt, meint sogar, dass einige der Insassen gar nicht hierher gehören. Dabei handelt es sich vor allem um Männer mit Ersatzfreiheitsstrafen von wenigen Tagen bis zu einigen Monaten wegen nicht bezahlter Strafbefehle zum Beispiel aus Verkehrsdelikten oder wegen Schwarzfahrens. Eben Leute, die ihre Geldbußen nicht bezahlen können oder wollen. Die dürfen das dann je nach Anzahl der Tagessätze absitzen und davon wird heutzutage rege Gebrauch gemacht.

Der Landtagsabgeordnete Harald Baumann-Hasske zu Besuch in der JVA Leipzig. Foto: Andreas Herrmann
Der Landtagsabgeordnete Harald Baumann-Hasske zu Besuch in der JVA Leipzig. Foto: Andreas Herrmann

Gut findet das Jacob nicht, denn der Anspruch an alle Straftäter heißt Resozialisierung. Doch in diesem Fall treffen kleine Frevler auf Menschen, die im Extremfall eher weniger resozialisierbar sind, weil sie nie sozialisiert wurden und langjährige Knastkarrieren hinter sich haben, so Jacob.

Ein anderes Problem für ihn ist das Personal. In den letzten Jahren wurde gespart – ein Drittel. Rund 200 Bedienstete hat die JVA Leipzig, 46 auf 100 Gefangene ist die Norm. Man plagt sich mit hohen Krankheitsständen und Ãœberalterung. Da wird es bei Sonderaufgaben wie Bewachung bei Aus- und Vorführungen zum Beispiel zu Gerichtsterminen oder in ein spezielles  Krankenhaus eng. Wenn etwas passiert, sprich jemand flieht – im Justizvollzug nennt man das Entweichung – gibt es mit dem Argument kein Personal bei der vorgesetzten Behörde im Dresdner Justizministerium keine Entschuldigung.

Es muss immer erst etwas passieren, meint Jacob. So wie im württembergischen Bruchsaal etwa, wo ein Gefangener aus Burkina Faso verhungerte, weil man seinen psychischen Zustand nicht mehr wahrgenommen hatte.

Jacob legt großen Wert auf das Miteinander der Bediensteten und meint damit auch sich selbst und seinen täglichen Kontakt mit den Leuten. Es muss unspektakulär, ruhig und solide zugehen, sagt er. Leider habe der Strafvollzug nicht den öffentlichen Status wie die Polizei, wo in es in Sachen Personal auch dank der SPD Bewegung gebe.

Beamter in der Gefangenenaufnahme der JVA Leipzig. Foto: Andreas Herrmann
Beamter in der Gefangenenaufnahme der JVA Leipzig. Foto: Andreas Herrmann

Das nimmt der Politiker Harald Baumann-Hasske mit. Als Sprecher für Justizpolitik der SPD-Landtagsfraktion ist er in den Leipziger Strafvollzug gekommen, um vor Ort zu erfahren, wo der Schuh drückt. Hier und da gibt es auch einen kurzen Dialog mit den Gefangenen. Sie sind ausnehmend freundlich und höflich. Nicht jeden Tag verirrt sich schließlich ein Abgeordneter hierher zu ihnen. Über persönliche Dinge möchten sie aber dann doch nicht sprechen. Ehrfurcht oder Überraschung, wer weiß.

Es geht so, sagen die meisten. Eine Evaluierungskommission bei der Sächsischen Staatsregierung ist eingesetzt. Diese will die Situation in den sächsischen Gefängnissen genau unter die Lupe nehmen. Baumann-Hasske holt sich hier dafür Fakten und Argumente. Mit dem Abgeordneten gekommen ist auch Martin Klein. Der junge Leipziger ist SPD-Ortschaftsrat und hat den Leipziger Knast bisher nur von außen gesehen und möchte einmal schauen, was sich darin so abspielt. Über das Leipziger Drogenproblem auch hinter Gittern kann er sich hier auf jeden Fall kundig machen. Für Drogen scheinen keine Mauer zu hoch und kein Kontrollsystem sicher. In Leipzig, wie in allen anderen Sächsischen Justizvollzugsanstalten auch, kommen sie hinein in die scheinbar sicheren Gemäuer, die doch so unzählig viele Verstecke haben und viel Raum und Zeit für kreative Möglichkeiten der Hineinbringung.

Untersuchungshaft-Zelle in der JVA Leipzig. Foto: Andreas Herrmann
Untersuchungshaft-Zelle in der JVA Leipzig. Foto: Andreas Herrmann

Was Martin Klein noch erfährt, ist, dass das Flüchtlingsproblem nicht zu einer Zunahme an Strafgefangenen führt. Natürlich gibt es vor allem Tunesier und Marokkaner, die wegen Drogenhandels einsitzen, aber dieses Problem war auch schon vor der Flüchtlingswelle des Jahres, erklärt ihm Rolf Jacob. Für den Anstaltsleiter sind das Problem mit diesen Insassen vor allem deren Forderungen und ihre Art, diese durchzusetzen. Bekommen sie keinen Fernseher oder vielleicht doch mangels Drogen-Alternativen keine Schlaftablette, ritzen sie sich aus Protest auch schon einmal die Haut auf, berichtet er.

Haftkrankenhaus und Maßregelvollzug

Die Besonderheit am Leipziger Strafvollzug ist das Haftkrankenhaus. Es wurde im Jahr 1913 gebaut, war viele Jahre zentrales Krankenhaus des DDR-Strafvollzugs und ist heute Einrichtung für ganz Sachsen. 50 Prozent der 70 Betten sind hier mit Suchtkranken belegt. Die Zahl der Crystal-Psychosen steigt. Bei der Gefahr, dass von den Erkrankten Gewalt ausgeht, wird dann durchaus auch fixiert, also ans Bett gefesselt. Waren im Haftkrankenhaus früher alle üblichen Bereiche eines normalen Krankenhauses zwischen Chirurgie und Inneres vorhanden, hat aktuell vor allem der somatische Bereich Zuwachs. In Leipzig sind die sechs Psychologen gegenüber den Ärzten in der Mehrzahl. Der Krankenhaus-Neubau ist schon geplant. Dies allerdings zu Kosten, wie sie vor fünf Jahren üblich waren. Rund eine Million Euro fehlen aktuell.

Anstaltsleiter Rolf Jacob, Martin Klein und Harald Baumann-Hasske beim Rundgang durch die JVA Leipzig. Foto: Andreas Herrmann
Anstaltsleiter Rolf Jacob, Martin Klein und Harald Baumann-Hasske beim Rundgang durch die JVA Leipzig. Foto: Andreas Herrmann

Da bleibt als Alternative in Leipzig durchaus der benachbarte Maßregelvollzug. Die Klinik für forensische Psychiatrie im Krankenhaus St. Georg ist allerdings nur für alkohol- und drogenabhängige Straftäter gedacht. Die haben hier gute Chancen, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Im Maßregelvollzug gibt es farblich schön gestaltete Wände, einen Wintergarten und viele Beschäftigungsmöglichkeiten zwischen Holzwerkstatt, Sport  und Kulturgruppe. Eigentlich Jugendherbergsatmosphäre – Chance für Neubeginn inklusive.

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