Auch wenn er schon wieder ein paar Tage vorbei ist: Im Kopf ist bei mir noch Frauentag. Jedes Jahr aufs Neue empört mich nämlich eine bisher wenig diskutierte bestehende Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern – die saisonale Verteilung der ihnen zugeeigneten Feiertage. Während die Frauen bei beißendem Märzwind in Daunenschlafsäcken nachempfundenen Jackengebirgen mit nicht selten noch zitternden Händen ihre floralen Geschenke annehmen müssen, dürfen Männer zur meist schönen Maienzeit mit freiem Oberkörper durch die arglose Landschaft marodieren.

Man sollte zumindest mittels Kopfkino in Erwägung ziehen, dass vielen vielleicht geholfen wäre, wenn man die Feiertage einfach mal andersherum zelebrierte. Vielleicht muss man die Frauentage aber einfach nur feiern wie sie fallen. Die Männer zum Beispiel.

In diesem Zusammenhang drängt sich mir umgehend der Männertag im vergangenen Jahr zurück ins Gedächtnis: Im Park regte sich seit den frühen Morgenstunden schon Bildung und Streben, auch in den Mittagstunden war der Mitmensch, allen voran der männliche, naturgemäß bereits zahlreich zugange, zigeunerte – klappernde Bierkästen transportierend – mit Handwagen und Fahrradanhängern herum, spielte und schneidersaß im Gras, soff und grölte beherzt, während hohe Rauchschwaden gefährliche Chemtrails in den Himmel brieten. Die Polizei bot einiges auf, hielt allzu Fröhliche in Schach, routiniert im Ton, es war eben mal Vatertagida, das gehört zum Job. So ist es an solchen Tagen eben. Wahrscheinlich vielerorts zwischen Flensburg bis Oberammergau, zwischen Wilhelm-Pieck-Stadt Guben und Castrop-Rauxel.

Weder die jungen Beamten noch ich wollten es werten, wie Menschen sich ein Vergnügen bereiten. Die Zugänge dazu sind bekanntlich vielgestaltig und äußerst individuell.

Allein: In der Zusammenschau scheint es uns Deutschen ein bisschen an anmutigen Traditionen zu mangeln. Alles wirkt immer so ein bisschen brachial, ein bisschen archaisch, immer ein bisschen wie Leberwurststulle. Keine neue Erkenntnis, ich weiß, aber die Kontraste in der Feiertagskomparatistik trat erneut deutlich zutage, als mitten auf der Wiese, zwischen all den feiernden Männern und Grüppchen, eine kleine Ansammlung türkischer Frauen, vom zweijährigen Mädchen bis zur Goldtupfen-Kopftuch-tragenden Clan-Ältesten sich um eine Picknickdecke scharte. Die Outfits bei allen eher wenig kostspielig, die Generation ab etwa 30  mit leichten Lovehandles um die Hüften. Ihrer Grazie tat das keinen Abbruch. Warum auch?

Türkische Klänge aus den Boxen, die allesamt langlockigen Teenager begannen zu tanzen, nicht ungekonnt, kicherten altersgemäß und waren heiter. Die anderen Frauen filmten das Procedere mit den Smartphones. Nach einer halben Stunde saß keine mehr auf der Decke, man hatte sich untergefasst, jubelte, juchzte und sang, was das Zeug hielt. Ungewöhnlich zunächst, aber ich konnte nicht mehr weggucken. Das Treiben dieser Frauen wirkte auf seltsame Weise freundlich, würdig, warm.

Die Welt war für ein paar halbe Stunden ein gerechterer Ort: Es war ein Frauentag im Mai.

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