Journalisten sehen sich in diesem Jahr wieder vermehrt tätlichen Angriffen von Rechtsradikalen ausgesetzt. Einen entsprechenden Bericht veröffentlichte jetzt das in Leipzig ansässige Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit. Allein in Chemnitz habe es in wenigen Tagen mehr Vorfälle gegeben als im gesamten vergangenen Jahr in ganz Deutschland.

Das in Leipzig ansässige Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF) zählt wieder mehr Angriffe auf Journalisten. Bis Mitte September habe es in diesem Jahr bereits 22 tätliche Übergriffe auf 28 Personen gegeben. Im vergangenen Jahr hatte das ECPMF nur fünf Angriffe gezählt. Mit 43 registrierten Fällen lag die Zahl im Jahr 2015 besonders hoch.

Den zwischenzeitlichen Rückgang begründet das ECPMF vor allem mir einem „quantitativen Rückgang von Konfrontationen“. Das heißt, dass es in den vergangenen beiden Jahren schlicht weniger Demonstrationen und ähnliche Anlässe gegeben hätte, um dem Hass auf die Presse freien Lauf zu lassen.

Die Angriffe kommen fast ausschließlich aus dem rechtsradikalen Spektrum und eine Vielzahl jener aus diesem Jahr sind nur wenige Wochen alt: „Allein auf der Demonstration am 1. September in Chemnitz wurden neun Angriffe mit elf Betroffenen erfasst – ein neuer Negativrekord.“

Besonders gefährdet seien Journalisten, die mit Kameras arbeiteten, da diese eindeutig als Medienvertreter zu erkennen seien. Auch Fachjournalisten, die immer wieder über die rechtsradikale Szene berichten und dort teils namentlich bekannt sind, seien besonders betroffen.

Verbale Bedrohungen

Neben tätlichen Übergriffen seien zudem „massive verbale Bedrohungen“ zu verzeichnen – angefangen bei den üblichen „Lügenpresse“-Rufen bis hin zu Morddrohungen. Außerhalb der sogenannten Neuen Bundesländer gab es in diesem Jahr nur in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen jeweils einen Angriff. Die Dunkelziffer dürfte in sämtlichen Bundesländern jedoch deutlich höher liegen, betonen die Autoren der Studie.

Kritik üben sie am Verhalten der Polizei und beziehen sich dabei ebenfalls auf jüngere Ereignisse. Bei den Demonstrationen in Chemnitz spricht das ECPMF von einem „gescheiterten Sicherheitskonzept“. Es sei nicht gelungen, die Medienvertreter ausreichend zu schützen. Zudem zeige die 45-minütige Festsetzung eines ZDF-Teams am 16. August 2018 in Dresden, dass es bei Polizisten juristische Wissenslücken gebe. Das ECPMF fordert daher Fortbildungen.

Presserat veröffentlicht Erklärung

Bereits gestern hatte der Deutsche Presserat einstimmig eine Erklärung zum Verhältnis zwischen Polizei und Medien beschlossen. Journalisten hätten einen Anspruch „auf Schutz bei der Ausübung ihrer Arbeit“. Weiterhin fordert der Presserat „die für Polizei in Bund und Ländern Verantwortlichen auf, ein modernes Verfassungsverständnis auch in der praktischen Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verankern.“

Der Deutsche Presserat ist unter anderem zuständig für den „Pressekodex“, der die Grundlagen journalistischer Arbeit regelt, und reagiert mit Hinweisen, Missbilligungen oder Rügen auf Beschwerden über Mängel in der Berichterstattung deutscher Medien. Das ECPMF bezieht sich hingegen auf die Europäische Pressefreiheit-Charta und möchte auf Verstöße dagegen aufmerksam machen.

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