Schon mehr als 500 Opfer häuslicher Gewalt in Leipzig haben sich in den ersten neun Monaten dieses Jahres an die Interventionsstelle KIS gewendet. Am Ende des Jahres werden es wohl über 700 sein – mehr als in den vergangenen Jahren. Betroffen sind vor allem Frauen beziehungsweise Migrantinnen. Ein Netzwerk gegen häusliche Gewalt fordert mehr Geld, mehr Personal, mehr Sensibilisierung und ein zusätzliches Frauenschutzhaus in der Stadt.

Der Kommunale Präventionsrat Leipzig hat sich am Montag, den 7. Oktober, auf seiner 40. Sicherheitskonferenz mit häuslicher Gewalt beschäftigt. Bei der von Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal (Linke) und Polizeipräsident Torsten Schultze geleiteten Veranstaltung kamen Expertinnen aus Zivilgesellschaft und staatlichen Behörden zu Wort. Das Thema Migration bildete dabei einen Schwerpunkt. Anschließend fand eine Pressekonferenz statt.

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der polizeilich gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt im Vergleich zu 2017 etwas zurückgegangen: von 1.730 auf 1.568. Aus Sicht der Stadt wächst dennoch der Bedarf an Unterstützung. Das zeigen auch die Zahlen der Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking (KIS).

Diese rechnet in diesem Jahr mit mehr als 700 Personen, die bei der KIS nach Hilfe suchen. Bis zum 30. September waren es 527 Fälle. Zum Vergleich: 2017 meldeten sich 668 Personen bei der KIS und 2018 waren es 684 Menschen.

Fast nur Frauen und viele Migrantinnen

In mehr als 95 Prozent der Fälle handelte sich um Frauen, die Hilfe benötigten. Fast die Hälfte dieser Frauen sind Migrantinnen. Laut Gabi Eßbach, einer Sprecherin der KIS, ist das ein besonderes Problem: „Wir brauchen bei ihnen mehr Zeit für die Beratung.“ Hintergrund sind vor allem Verständigungsprobleme, weshalb zusätzlich Dolmetscher/-innen anwesend sein müssen. Statt der üblichen 50 bis 60 Minuten dauere eine Beratung bei Migrantinnen häufig 90 Minuten.

Ein weiteres Problem seien fehlende Kapazitäten in den Frauenschutzhäusern, berichtet Eßbach. In insgesamt mehr als 150 Fällen mussten Personen in diesem Jahr in drei Einrichtungen abgewiesen werden, darunter das autonome Frauenhaus und ein Schutzhaus für geflüchtete Frauen.

Polizeipräsident Schultze verwies darauf, dass seine Behörde seit 2003 mit der KIS zusammenarbeite. Bei der Polizei werde es bald zwei hauptamtliche Opferschutzbeauftragte geben. Diese sind Ansprechpartner/-innen für Mitarbeiter/-innen der Behörde und externe Organisationen. Schultze erwähnte zudem, dass es laut Polizeigesetz möglich sei, eine Person für höchstens 14 Tage aus ihrer Wohnung zu verweisen, wenn sie Mitbewohner/-innen gefährdet.

Netzwerk mit Forderungskatalog

Das „Netzwerk gegen häusliche Gewalt und Stalking zur Umsetzung der Istanbul-Konvention in Leipzig“ fordert, die Wohnungsverweisung zu verlängern. Doch das ist nur einer von fast 30 Punkten eines Forderungskatalogs, der ebenfalls Thema der Pressekonferenz war.

Weitere Forderungen sind unter anderem: mehr Geld und Personal für verschiedene Organisationen, ein weiteres Frauenhaus in Leipzig, mehr Sensibilisierung und Beratung von Geflüchteten in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften sowie beschleunigte Strafverfahren.

Ordnungsbürgermeister Rosenthal kündigte an, „offensiv“ mit den Forderungen umgehen sowie „personelle und räumliche Kapazitäten weiter ausbauen“ zu wollen.

Zur Homepage der KIS

Frauen-Notruf in Leipzig: 0341 4798179

Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 1. Oktober 2019): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider (!) nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 450 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

René Loch über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar