Es geht nicht nur Journalist/-innen so, dass sie sich nur noch darüber wundern, was allerlei Demonstranten auf obskuren Demonstrationen seit einigen Jahren an seltsamen DDR-Vergleichen ins Feld führen. Bis in die jüngeren „Hygienedemos“ hinein, bei denen die Corona-Schutzmaßnahmen mit den Freiheitsbeschränkungen in der DDR verglichen wurden. Entweder verdrehen sie die Geschichte mit Absicht oder sie haben schlicht keine Ahnung. Zu einem ähnlichen Fazit kommt auch die Kulturwissenschaftlerin Christina Schwarz. Ein Interview.

30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung fühlen sich manche Ostdeutsche durch die Corona-Schutzmaßnahmen bevormundet und vergleichen dies mit den Verhältnissen in der DDR. Doch was wissen vor allem junge Menschen heute überhaupt noch über das Leben und das politische System in der DDR?

Zu diesem und anderen Themen forschen Christina Schwarz vom Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig und ihre Kollegen. Im Rahmen des Forschungsprojektes „Soziologie der außerschulischen Geschichtsvermittlung“ haben sie im Juni Vertreter von Institutionen der außerschulischen DDR-Geschichtsvermittlung befragt. Darin wollten sie die aktuelle Situationen der Einrichtungen dieses Feldes im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erfassen.

Teile der Bevölkerung fühlen sich durch die Corona-Schutzmaßnahmen so bevormundet wie zu DDR-Zeiten. Können Sie das nachvollziehen?

Die Corona-Schutzmaßnahmen werden zurzeit unterschiedlich gedeutet. Es gibt einen kleinen, aber sehr lauten Teil der Bevölkerung in Ost und West, der sich bevormundet fühlt. Diese Menschen äußern ihren Unmut auf der Straße und sind derzeit medial nicht zu überhören. In einigen Städten wurde im Rahmen sogenannter „Spaziergänge“ dabei explizit Bezug auf 1989 genommen. In Plauen trafen sich beispielsweise Demonstranten am Wendedenkmal. Dort zog man Parallelen zu den spontanen Demonstrationen, die im Umbruchjahr vor Ort eine große Rolle spielten.

Dass die Pandemie-Situation und die damit einhergehenden zeitweisen Grundrechtseinschränkungen Sorgen und Ängste hervorrufen, ist nachvollziehbar. DDR-Vergleichen und Behauptungen, es würden heute diktaturähnliche Zustände herrschen, muss ich allerdings entschieden widersprechen. Diese Bezugnahmen stützen und befeuern eine Erzählung, die in den letzten Jahren von PEGIDA, AfD und anderen rechten Gruppen kultiviert wurde. Den Ostdeutschen wird darin die Rolle der widerständigen Umstürzler zugeschrieben, die es 1989 geschafft hätten, ein System aus den Angeln zu heben, und die das heute wieder tun sollten. Das ist eine fatale, letztendlich demokratiefeindliche Perspektive.

Ist das Gefühl der „Corona-Bevormundung“ geschichtsbedingt vor allem bei Ostdeutschen ausgeprägt?

Auch in Westdeutschland gab es zahlreiche Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen, etwa in Stuttgart oder München. Vergleiche mit der DDR werden dort seltener gezogen. Und im Osten ist das Gefühl der Bevormundung in der derzeitigen Situation auch nicht omnipräsent. Es gibt zwar keine konkreten Zahlen, wie hoch die Zustimmung zu den coronabedingten Einschränkungen speziell in Ostdeutschland tatsächlich ist. Insgesamt war sie jedoch sehr hoch, vor allem zu Beginn der Pandemie.

Allein aufgrund der Erfahrung, in der DDR gelebt zu haben, werden nicht automatisch Parallelen zwischen der derzeitigen Situation und damals gezogen. Solche Gleichsetzungen sind gängige Argumentationsmuster neurechter Akteure bis hin zu Neonazis. Leider finden sie derzeit vermehrt Anklang. Inwiefern diese Deutungsangebote verfangen und alltagsweltlich angeeignet werden, untersuchen meine Kollegen Greta Hartmann und Alexander Leistner.

Bei einem Blick in die Berichterstattung zeigen sich aber noch zahlreiche andere Deutungen in Bezug auf Ostdeutschland und die Covid-19-Pandemie. Etwa, dass die Erfahrungen mit der Transformation die Ostdeutschen krisenfester gemacht hätten oder dass sie aufgrund der DDR-Erfahrung autoritätshöriger seien. Häufig wurde auf die signifikant geringeren Fallzahlen im Osten hingewiesen. Schnell führte man das auf demographische Merkmale der Ostdeutschen zurück, die beispielsweise weniger mobil seien.

Einfache Alltagserfahrungen wie das Schlangestehen vor Geschäften riefen bei einigen Beobachtern spontan Assoziationen zum Alltag in der DDR hervor. Historisch-politische Bildungsprozesse können helfen, die verschiedenen Bezugnahmen besser einzuordnen und zu reflektieren. Besonders für Jugendliche, die selbst keine eigenen Erinnerungen an die DDR oder an 1989 haben, die sich aber mit den derzeitigen Kontroversen auseinandersetzen, ist es wichtig, die Geschichte zu aktuellen Gesellschaftslagen und Konflikten befragen zu können.

Was wissen junge Menschen heute überhaupt noch über die DDR-Geschichte? Ist da 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung noch Interesse da, darüber etwas zu erfahren?

Immer wieder wird darauf aufmerksam gemacht, dass Jugendliche heute zu wenig über die DDR und 1989 wissen. Meine Erfahrungen sind in diesem Punkt differenzierter. Ich habe selbst einige Jahre mit Jugendlichen zum Thema DDR-Geschichte gearbeitet und untersuche in meinem Forschungsprojekt derzeit, wie in verschiedenen Bildungsveranstaltungen DDR-Themen verhandelt werden.

Enzyklopädisches Wissen mag häufig nur eingeschränkt vorhanden sein, das stimmt – ist nebenbei gesagt aber kein Alleinstellungsmerkmal von Jugendlichen. Doch viele junge Menschen haben Vorstellungen und Ideen zur DDR, der Friedlichen Revolution oder den Nachwendejahren im Kopf. Sie sind geprägt von ihren Eltern, von Filmen, Comics oder durch die Schule. Die Erzählungen, die sie in den verschiedenen Zusammenhängen hören, können sehr unterschiedlich sein und sich auch widersprechen.

Viele Eltern in Ostdeutschland erinnern die Wende als eine Phase der Unklarheiten und Zukunftsängste. In der Schule spielen solche Dinge zumeist jedoch keine Rolle, und 1989 ist häufig einfach nur das Ende der DDR. Es ist nicht immer leicht für die Jugendlichen, diese verschiedenen Geschichten in kohärente Zusammenhänge zu bringen.

Wie wird in Schulen mit diesem Thema umgegangen?

Wie die Schule mit diesem Thema umgeht, dazu kann ich wenig sagen. In den außerschulischen Veranstaltungen, die ich untersuche, ist allerdings häufig zu wenig Raum und Zeit, um die Deutungen und Vorstellungen der Jugendlichen zu diskutieren, ihre Perspektiven von Anfang an einzubinden und offene Fragen zu besprechen.

In der Schule wird es aufgrund der vollen Curricula ähnlich sein. Das sind keine guten Voraussetzungen für nachhaltige Bildungsprozesse, die eigentlich genau bei diesem alltagsweltlichem Wissen der Jugendlichen ansetzen sollten, um im Endeffekt nicht wirkungslos zu bleiben. Noch zu häufig wird auf die Vermittlung eines chronologischen Basiswissens gesetzt.

Ich plädiere dafür, die Kompetenzen der Jugendlichen zu stärken und sie dadurch zu befähigen, selbstständig mit Geschichtsbildern umzugehen und ihren eigenen Standpunkt in Geschichte und Gesellschaft finden zu können. Dann verfangen Bilder von 1989, wie das der AfD, auch nicht. Im vergangenen Jahr hat die rechte Partei mit einem Wahlkampfcomic gezielt Werbung bei jungen Menschen gemacht.

In dem Comic setzte sie die DDR mit der aktuellen politischen Lage gleich. Solche absurden Parallelisierungen als inkonsistent einordnen zu können, wäre wichtig. Das setzt natürlich eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem SED-Unrechtsstaat voraus, aber eben auch mit aktuellen Geschichtsbildern.

Sie haben eine Umfrage in Institutionen der außerschulischen DDR-Geschichtsvermittlung durchgeführt, um deren Situation in Zeiten der Coronakrise zu erfassen. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?

Außerschulische Bildungsinstitutionen rutschen häufig vom Radar, weil sie, anders als Schulen, gesellschaftlich für abkömmlich gehalten werden, was sie keinesfalls sind. Gerade in der Anfangszeit der Pandemie, als Gedenkstätten schließen mussten, Bildungsveranstaltungen ausfielen und auch Vortragsabende oder Podiumsdiskussionen abgesagt wurden, brachen die Besucherzahlen natürlich vollständig ein. Damit gerieten die außerschulischen Jugendbildungseinrichtungen komplett ins Abseits.

Eine fatale Situation, in der die Institutionen ihrem Bildungsauftrag nicht mehr nachkommen konnten. Für einige war das existenzbedrohend, weil Einnahmen wegfielen, die Fixkosten aber weiterliefen. Als wir die Befragung im Juni durchführten, waren dann viele Einrichtungen damit befasst, digitale Alternativen ihrer Bildungsangebote zu erarbeiten. Das bedeutet für sie einen nicht unerheblichen Mehraufwand, und häufig fehlen dafür die technischen Voraussetzungen. Bis jetzt ist nicht klar, wann Präsenzveranstaltungen wieder vollumfänglich möglich sein werden.

Viele der Befragten schauen vor diesem Hintergrund besorgt in die Zukunft, haben Angst, dass Stellen nicht besetzt werden, Förderungen und Einnahmen 2021 weiter ausbleiben oder wegbrechen. Auch inhaltlich werden auf die Institutionen der außerschulischen DDR-Geschichtsvermittlung vor dem Hintergrund der bereits angesprochenen gesellschaftlichen Entwicklungen große Herausforderungen zukommen.

Viele der Befragten haben vor, Menschen-, Grund- und Freiheitsrechte stärker in die historisch-politische Bildungsarbeit zur DDR einzubinden. Außerdem sollen die Vergleiche zwischen den Covid-19-Maßnahmen und der SED-Diktatur ins thematische Repertoire aufgenommen werden. Diese Vorhaben sind nicht zu unterschätzen.

Das Interview mit Christina Schwarz, Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig, führte die Medienredaktion der Universität Leipzig.

Die neue „Leipziger Zeitung“ Nr. 83: Zwischen Ich und Wir

Die neue „Leipziger Zeitung“ Nr. 83: Zwischen Ich und Wir

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 20 Kommentare

Wie hoch ist der Anteil der Jugendlichen die an
obskuren Demonstrationen teilnahmen und Corona-Schutzmaßnahmen mit den Freiheitsbeschränkungen in der DDR verglichen? Welchen Einfluß haben Institutionen der außerschulischen DDR-Geschichtsvermittlung auf jene Gruppe?

Arme Soziologie (wegen cultural studies nicht verhindert zu haben).

Egal. Es geht halt immer weiter, Anschlußjob für die Macher, DDR studies für ewig weil:

“Außerdem sollen die Vergleiche zwischen den Covid-19-Maßnahmen und der SED-Diktatur ins thematische Repertoire aufgenommen werden. Diese Vorhaben sind nicht zu unterschätzen.”

@Michael: Haben sie den Artikel denn ganz genau gelesen? Ich lese da eher, dass es gar nicht darum geht, was die junge Dame selbst von der DDR hält oder weiß. Sondern darum, dass sie u.a. im Rahmen eines Forschungsprojekts Menschen befragt hat, die in der “außerschulischen DDR-Geschichtsvermittlung” tätig sind.

Es ist doch davon auszugehen, dass darunter auch “gelernte DDR-Bürger” sind.

Zudem forscht Christina Schwarz ja zudem über junge Menschen:

“Doch was wissen vor allem junge Menschen heute überhaupt noch über das Leben und das politische System in der DDR?”

Und dafür müsste man ja sogar eher gerade junge Menschen, nicht alte, befragen, oder?

Vermutlich hat Frau Schwarz beides gemacht, müsste man aber noch erfragen.

Sie können natürlich die Schlußfolgerungen dieser jungen Dame, welche diese aus ihren Untersuchungen zieht, hinterfragen, aber Leute befragt, hat sie anscheinend schon – junge wie alte.

Und Michael, unten drunter steht:

“Das Interview mit Christina Schwarz, Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig, führte die Medienredaktion der Universität Leipzig.”

Ergo hat die L-IZ selbst die junge Dame gar nicht befragt, sondern eben die Medienredaktion der Universität Leipzig.

Sehr geehrte L-IZ, was treibt Sie (welchen Alters?), diese gerade mal erwachsen gewordene junge Dame (die nicht nur nichts von der DDR weiß,.sondern auch sonst vom richtigen Leben noch nicht so viel mitbekommen haben kann) dazu zu befragen, was (offensichtlich) vor ihrer Geburt so in der DDR los war? Wieso fragen Sie nicht diejenigen, die in der DDR sozialisiert worden sind, und dabei tagtäglich relevante politische
Erfahrungen (z.B. mit Bevormundung) gemacht haben? Noch gibt es sie ja!

Leider, werden einige mit verdrehten Augen murmeln und hoffen, dass sie endlich aussterben und es endlich niemanden mehr gibt, der schon mal gefühlt hat und sich deshalb sehr gut erinnern kann, wie es ist, wenn alle Medien das Selbe berichten, immer die selben Sätze wiederholt werden (ohne davon wahrer zu werden), Durchhalteparolen und Ordensvergaben von den wirklichen und immer größer werdenden Problemen
ablenken und Andersdenkende isoliert, diffamiert und lächerlich gemacht
werden.
Was sind wir Alten aus der DDR doch froh, dass Sie und sie uns endlich
mal die Welt erklären (und wie blöd wir sind)! Danke!
P.S. Ich empfehle Ihnen und der jungen Damen für ein tieferes
Verständnis der Prozesse das Büchlein “Das gespaltene Land” von einem echten DDR-Menschen, Prof. Hans-Joachim Maaz, das, 2020 entstanden, geradezu prophetisch die aktuelle gesellschaftliche Dynamik beschreibt.

es nervt langsam , das Thema, wann kommt denn mal eine Studie zu den gebrauchten Bundesländern nach 45, wieso es so viele Nazis in die neugebildeten Ministerien geschafft haben, bis hin zu Nazis als Ministerpräsidenten, und die Auswirkungen auf das heutige System, bin gespannt….

@ Torsten: Ja. Kein Widerspruch.
Sowohl was Nash betrifft als auch den confirmation bias, dem unterliegen wir mehr oder weniger alle. Ändert aus meiner Sicht aber nichts an der Aussage, dass die Dinge nicht immer so sind, wie sie sich auf den ersten Blick darstellen. Und gerade bei kontrovers diskutierten Themen lohnt es sich schon im Interesse des eigenen Erkenntnisgewinns, sich auch mal mit den Argumenten der anderen Seite zu beschäftigen, ohne diese gleich universell in Bausch und Bogen zu verdammen. Ich habe Nash auch nicht unter dem Gesichtspunkt zitiert, dass er als moralische Instanz herhalten solle, sondern weil (mir!) die zitierte Aussage stimmig ist. Es wird sich übrigens kaum ein, ich sag mal “zitatwürdiger”, Mensch finden, dem man in allen seinen Aussagen zustimmen kann…

Nebengedanke zum Gefangenendilemma der Spieletheorie des Herrn Nash (Da das ja hier sowieso in Richtung Meta-Diskurs läuft. Also es geht nicht primär um die Inhalte des Hauptartikels, sondern um die Fragestellung: Wer darf etwas dazu sagen und warum. Und da man trotz selbst erstelltem Gegenbeweis meint, sich nicht äußern zu dürfen, wird dem Nach-Fragenden die Kompetenz abgesprochen.).
https://de.wikipedia.org/wiki/Nash-Gleichgewicht#Gefangenendilemma
Interessant dass da gerade ein Rechtsanwalt die praktische Theorie erweitern wollte.
Also wenn beide “Gefangene” aussagen: Der Andere war es, wäre das eine “unjustiziable” Aussage gegen Aussage-Situation:
“So soll Ernst Pfläging am 21. Februar dieses Jahres informiert haben, dass sein zweites Geständnis – in dem er den Mitangeklagten Markus H. bezichtigt hatte, den tödlichen Schuss auf Walter Lübcke abgegeben zu haben – größtenteils eine Erfindung seines Verteidigers Hannig gewesen sei. “Das ist die Strategie, die Herr Hannig hat”, soll Ernst gesagt haben. Ziel sei es gewesen, eine “Aussage gegen Aussage-Situation” zu konstruieren.

Bereits im Dezember 2019 habe Hannig ihm gegenüber für Januar einen “Knaller” angekündigt, sagt Pfläging. Er habe von einem “ganz neuen Konzept” gesprochen, das die Strafverteidigung in Deutschland auf neue Beine stellen würde. An Selbstvertrauen scheint es Hannig nicht gemangelt zu haben. Was folgte, war Ernsts zweite Einlassung, die ihm eigentlich niemand wirklich abgekauft hat.”
https://www.hessenschau.de/panorama/luebcke-prozess-rueckschlag-fuer-die-anklage,prozess-blog-mordfall-luebcke-104.html#88d694ef-65f0-462d-a2d5-d320032110d1

@ Matthew: Nash ist m.E. ein relativ ungeeigneter Zeuge, wenn man die Vielfalt der Realität und die Vorzüge der Komplexität preisen will. Seine Spieltheorie z.B. führte leider nicht zur Anerkennung einer Vielfalt von Realitäten sondern eher zu deren Vernichtung und auch soweit zur Komplexitätsreduktion, dass man nur noch zwischen Atombombenknopf-Drücken und -Nicht-Drücken unterscheiden konnte. Alternativlosigkeit at it’s best. In manchen seiner scheinbar nicht-psychotischen Phasen hat er viele seiner spieltheoretischen Konstruktionen für Resultate seiner Krankheit gehalten. Und leider popeider für uns alle wird die Spieltheorie in vielen Bereichen der Wirtschaft und Kommunikation immer noch für ein neutrales Werkzeug gehalten. So wurde der Paranoia eine Schneise in die Realität von Menschen geschlagen, die eigentlich sonst keine Befunde psychischer Krankheit zeigen.

Und, ja klar. Confirmation bias ist wenn der/die Andere ihn hat.

@Saschok: A pro pos ” Der letzte Beitrag ist ein charakteristisches Beispiel zum Thema. Eine sachbezogene Gegenrede zu den von Vahrenholt aufgeführten Argumentation findet nicht ansatzweise statt. ” – Wie steht es denn mit Ihren sachbezogenen Argumenten auf meine obigen Einlassungen zu Ihren Kommentaren? Verstehen Sie Ihr Schweigen als sachbezogen? Oder fanden Sie eine sachbezogene Argumentation in dem Fall zu anstrengend? Bin ich zu ungeduldig?

Nun zur politischen Ausrichtung des von Saschok ins Spiel gebrachten Herrn Varenholt habe ich mich nicht eingelassen.
“Wegbereiter” bedeutet, dass die Thesen von anderen benutzt werden, und das ist auch ohne Absicht des Autors möglich.
Und ja, ich sehe keine Argumente, die für einen weiteren Braunkohleabbau sprechen bzw. lösungsorientierte Ansätze für den Umgang mit dem Atommüll, die nicht die Zerstörung unserer aller Lebensgrundlagen zur Folge hat.
Anstatt mir vorzuwerfen, dass ich nicht diskutieren wöllte, hätten ja Saschok und matthew Argumente für ihre Thesen (welche eigentlich?) bringen können anstatt mir Einseitigkeit vorzuwerfen.
Na und dass sich Jugendliche auch mit den Gegenthesen beschäftigen sollten, um sie richtig einordnen zu können, habe ich ja geschrieben.

@ Ellen:
Klassischer Bestätigungsfehler oder neudeutsch “confirmation bias” (ich seh’ nur das, was meine Meinung unterfüttert).
Mit z.B. EIKE habe ich auch Probleme, dessen ungeachtet kann man Vahrenholt nicht einfach als Spinner, oder noch’n Zacken schärfer, abtun. Einfach mal in Ruhe lesen und vergleichen…
Die Welt ist ziemlich komplex und nicht nur komplementärfarbig. Oder, wie es der Nobelpreisträger J.F. Nash formulierte:
“… hängt es auch immer von gesellschaftlichen Übereinkünften ab, was als verrückt gilt und was nicht. Schauen Sie sich doch nur die katholische Kirche und ihre Wunder an. Man kann offen sagen, dass man daran glaubt, und dennoch ernst genommen werden. Was ich sagen will, ist, dass allgemein akzeptiertes Denken nicht unbedingt etwas mit Rationalität zu tun haben muss. Die Realität ist immer eine Art von Fiktion, der alle zustimmen.”
(https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/john-nash-im-sonntagsinterview-hatte-ihre-schizophrenie-etwas-mit-ihrer-originalitaet-zu-tun/1834236-3.html)

zu Ellen. Der letzte Beitrag ist ein charakteristisches Beispiel zum Thema. Eine sachbezogene Gegenrede zu den von Vahrenholt aufgeführten Argumentation findet nicht ansatzweise statt. Gleichzeitig erfolgt eine Stigmatisierung (EIKE,Tichy klimawabelleugnede AFD). Schöne einfache Selbstbestätigung nach dem Duktus: Ich muss meine Meinung nicht diskutieren weil der Gegenüber in einer politisch bösen Ecke verortet wird. . Super Abschluss des Themas, besser hätte man kein Schlusswort finden könne. Danke

Wen es interessiert, auf welchen Autor sich Saschok hier bezieht, in dem Artikel steht eigentlich alles drin:
https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Vahrenholt

Erst Braunkohle- jetzt Atomkraft-Lobbyist, einer allein gegen die Wissenschaft, Statistiken falsch gelesen zur Selbst-Begründung seiner Thesen, inzwischen Autor bei Achse und Tichy, EIKE..
Also ein Wegbereiter neoliberaler Wirtschaftsinteressen und klimawandelleugnender AfD.
Was das jetzt mit der DDR zu tun hat, weiß ich auch nicht. Aber sicher auch interessant, für die (umwelt-)politische Bildung Jugendlicher.

Bei solchen Umfragen dieser genannten Medien wird leider der Teil der Angerufenen, die sofort das Telefongespräch beenden nachdem sie das Thema bzw. den Initiator erfahren, nicht in der Grundgesamtheit (100 %) erfasst, da diese ja keine Information weitergeben. Bei der Anticoronademo in Berlin hätte man aber mal die 100 % der Beteiligten zählen können und nicht nur den Teil den man politisch wollte. die teilnahmer der Love Parade kennen das Fassungsvermögen des belegten Raumes). Auch hätte man den politisch bunt zusammengewürfelten Haufen sich ansehen können und diesen nicht gleich komplett rechts verorten sollen. Es ist alles eine Frage der politisch gewollten Zählweise. Das Thema Umweltschutz und Klimaschutz wird auch anders als der politische Mainstream möchte diskutiert, auch im Sinne des Themas (Naturschutzinitiative. Sachbuch der unerwünschten Wahrheiten).

Und die jüngste Umfrage vom 30. September: “Eine Mehrheit der Menschen in Deutschland hält die jüngst beschlossenen zusätzlichen Corona-Beschränkungen einer Umfrage zufolge für angemessen. Rund 62 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigten sich in einer von RTL und ntv in Auftrag gegebenen Forsa-Befragung mit den Maßnahmen einverstanden. 21 Prozent wünschen sich demnach sogar noch striktere Regelungen.”
Quelle: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-09/meinungsumfrage-corona-einschraenkungen-mehrheit-befuerwortet

#Saschok: Nicht nur zu Beginn der Pandemie war die Zustimmung zu den Maßnahmen hoch. Zitat: “Das am 28. August veröffentlichte “Politbarometer August 2020″ der Forschungsgruppe Wahlen, für das vom 25. bis 27. August 2020 1.303 Personen befragt wurden, kommt zum Ergebnis, dass 60 Prozent der Befragten die geltenden Schutzmaßnahmen für gerade richtig halten. 28 Prozent fanden, dass die Maßnahmen härter ausfallen müssten und zehn Prozent fanden sie übertrieben.”
Quelle hier: https://hpd.de/artikel/deutliche-mehrheit-befuerwortet-corona-massnahmen-18414

“Heute gibt es teilweise selbst als alternativlos bezeichnete Politik zu verschiedenen nach wie vor nicht angegangenen Themen. Die dazu diskutieren wollen, werden stigmatisiert und verächtlich gemacht (Rechts, Nazis, Pegidasympathisanten)”

– Mir ist so, als diskutierte auch ich hin und wieder über ‘alternativlose Politik’ ohne auch nur einen Hauch von Stigmatisierung als Rechter, Nazi oder Pegidiot abzubekommen. Wenn ich z.B. auf die Unterdrückungsmechanismen des Neoliberalismus oder den verblendeten Glauben an das Wirtschaftswachstum oder die Umweltzerstörung hinweise, hab ich noch nie “Nazi” gehört. Höchstens “linksgrüner Spinner” oder “Gutmensch”.
Liegt wohl daran, dass es einfach Leute gibt, die über ‘alternativlose Politik’ diskutieren und Nazis sind. Das hat nix damit zu tun, dass Diskussionen automatisch (und vielleicht noch von oben), wie von Ihnen, @Saschok, suggeriert unterdrückt würden.

“Nur an einer Stelle lässt die junge Wissenschaftlerin ansatzweise eine Diskussion zu”

Krass, was für eine Macht diese junge, hübsche Frau hat! Seltsamerweise haben wir hier auf L-IZ genau diese eine Stelle gefunden, an der diskutiert wird. Ganz schön clever wiederum!

Im Artikel wird die Meinung der Redaktion im Vorspann des Interviews klar. Die junge Kommunikationswissenschaftlerin bestätigt diese Meinung, Eine Diskussion zu anderen Argumenten findet nicht statt. In der DDR gab es natürlich Nazis (Neonazis im DDR-Sprech). Gleichzeitig gab es aber auch eine Opposition zur Einheitsmeinung der Partei. Diese Opposition wurde stigmatisiert und verächtlich gemacht (Rowdytum, Konterrevolution). Heute gibt es teilweise selbst als alternativlos bezeichnete Politik zu verschiedenen nach wie vor nicht angegangenen Themen. Die dazu diskutieren wollen, werden stigmatisiert und verächtlich gemacht (Rechts, Nazis, Pegidasympathisanten). Das sind wiederkehrendende ungelöste Konflikte der politischen Kommunikation, an die man sich erinnert fühlt. In der DDR sprach man von fehlender sozialistischer Erziehung heute von fehlender Bildung.Nur an einer Stelle lässt die junge Wissenschaftlerin ansatzweise eine Diskussion zu (zumindest zum Anfang der Pandemie war die Zustimmung der Coronamaßnahmen hoch).

@Saschok:

Sicher ist es was anderes, wenn man etwas mit erlebt hat.

Aber für wissenschaftliche Forschungen (gerade betreffs Zeitgeschichte usw.) mag Abstand sogar ganz gut sein.

Von daher kann das also sogar ganz zielführend sein, wenn ein junger Mensch etwas erforscht – ohne Befangenheit.

Außerdem, Herr Saschok, steht ja im Text, dass die Kulturwissenschaftlerin Menschen befragt hat, ergo nicht nur in der Bibliothek war.

Der Umstand dass jemand mit Abstand die Materie erforscht, bedeutet aber auch nicht, dass persönliches Erleben weniger wichtig sei. Persönliches Erleben ist aber auch vor allem sehr individuell. Aber das Sprechen darüber mit anderen kann sehr aufschlussreich sein für alle Beteiligten – so es konstruktiv bleibt. Dabei kann es nie um recht haben gehen oder die ultimative Wahrheit. Gerade die unterschiedlichen Blickwinkel sagen doch was aus. Was aber auch nicht bedeutet, dass immer alle einer Meinung sein müssen.

Ich meine jedenfalls, weder Aussehen noch Alter sollten Anlass dafür geben, die wissenschaftliche Arbeit von jemanden geringschätzig zu bewerten.

Ach ja, auch gab es ja schon in der DDR überhaupt keine Nazis. Hat die SED einfach verboten und alle haben sich dran gehalten. Wie gut das geklappt hat, konnte man z.B. beim der https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cberfall_auf_die_Zionskirche sehen.

@Saschok: Irgendwie kann auch ich da Parallelen zu aktuellen Denkverboten wahrnehmen. Denn wieder ist es so, das alles was Rechts ist, einfach nicht existiert. Nicht in der DDR, nicht bei der Polizei, nicht in unserem schönen Sachsen.

@Saschok Nur mal kurz.
Nee, sowas wie “AFD, Pegida oder Neue Rechte” gab es damals nicht.
Die Skinheads und Neonazis hießen ja “Rowdys”.
Und die Altnazis, die in Parteien, NVA, Stasi etc. “rehabilitiert” waren,
sangen höchstens mal im Suff Nazi-Lieder aus ihrer HJ-Jugendzeit..
“Die sich kontinuierlich vertiefende wirtschaftliche, soziale und damit auch politische Legitimationskrise der DDR trieb immer mehr Untertanen in die Opposition, die aber mitnichten nur bürgerrechtsbewegt, reformsozialistisch-demokratisch war. Da gab es auch jene, die in stiller Nische vom deutschen Kaiserreich träumten – und jene, die heimliche Nazis waren. Ihr Bindeglied war der Hass auf das “Schweinesystem” DDR.”
https://www.zeit.de/2012/08/DDR-Nazis/komplettansicht

Der jungen hübschen Frau kann man es schon ansehen, dass sich sie viel über die Befindlichkeiten der Menschen von 89 anlesen musste, in der Bibliothek. Im übrigen gab es am Ende der DDR, Gott sei Dank, keine AFD, Pegida oder Neue Rechte. Wer aber die Denkverbote in der DDR miterlebt und miterfahren hat, kann schon Parallelen beim heutigen Duktus der politischen Alternativlosigkeit wahrnehmen. Erlebt oder angelesen ist schon ein Unterschied.

Schreiben Sie einen Kommentar