Die Menschheit führt einen sinnlosen und selbstmörderischen Krieg gegen die Natur, der menschliches Leid und enorme wirtschaftliche Verluste verursacht und gleichzeitig die Zerstörung des Lebens auf der Erde beschleunigt. Mit dieser Botschaft eröffnete der UN-Generalsekretär António Guterres im Februar diesen Jahres die Präsentation des ersten UN Enviornmental Program Report mit dem Titel „Making Peace with Nature“. 

Seit der Entstehung der Menschheit profitierte sie von der zunächst unerschöpflich erscheinenden Schatzkammer der Natur. Jedoch ist die relative Einseitigkeit der Beziehung zwischen Mensch und Natur in eine kritische Schieflage geraten. In den letzten 300 Jahren sind 85 % der weltweiten Feuchtgebiete verloren gegangen.

Erstaunliche 75 % der Umwelt zu Lande und etwa 66 % der Meeresgebiete wurden durch menschliche Handlungen erheblich verändert. Die Landwirtschaft bearbeitet aktuell mehr als ein Drittel der globalen Landfläche und verbraucht dabei 75 % der Süßwasserressourcen. 

Schaut man auf Deutschland, sind heute 50,7 % der Fläche in landwirtschaftlicher Nutzung, Wälder und Gehölze nehmen 31 %, Siedlungen und Verkehr 14,4 %, Gewässer 2,3 % und sonstige Flächen 2,8 % ein. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche hat von 2004 bis 2019 um 12,8 % zugenommen. Und dieser Trend geht ungebremst weiter. In Deutschland werden jeden Tag 56 Hektar für Siedlungs- und Verkehrsprojekte neu ausgewiesen.

In Leipzig zum Beispiel kann man aufgrund des Baubooms infolge des Wirtschaftswachstums und des konsekutiven starken Bevölkerungszuwachses in den letzten Jahren einen dramatischen Rückgang von Brach- und Grünflächen beobachten. Bis 2040 wird erwartet, dass die Leipziger Bevölkerung um weitere 14 % ansteigen wird. Damit liegt Leipzig auch im globalen Trend. Für das Jahr 2030 wird prognostiziert, dass 60 % (2018 55 %) der globalen Bevölkerung in Städten leben wird.

Die Landflucht, aber auch die zunehmende Devastierung der Landschaft durch Landwirtschaft, Siedlungsbau und unseren wenig nachhaltigen Lebensstil entrückt uns immer mehr der sogenannten echten bzw. intakten Natur. Diese massiven Veränderungen unserer Umwelt führen zu guter Letzt zu einer veränderten und bei vielen Menschen gar fehlenden Verbindung zur Natur. Der britische Journalist, Autor, Umweltschützer und Universitätsdozent George Monbiot propagiert seit einigen Jahren den Begriff „Ecological Boredom“, der im deutschen soviel bedeute wie ökologische Langeweile.

Der Begriff beschreibt die Auswirkungen der ausgeräumten Landschaft und der zum Teil immer lebensfeindlicher werdenden Städte auf den Menschen, der einst ein Teil im Netzwerk der Natur war. Die negativen Auswirkungen der Flächenversiegelung und Biotopzerstörung auf die Artenvielfalt, den Wasserhaushalt und das Klima liegen auf der Hand und sind in unzähligen Publikationen beschrieben. Die Auswirkungen des Verlustes der biologischen Vielfalt auf die psychische Gesundheit des Menschen sind jedoch noch wenig untersucht.

Zu diesem Thema erschien am 25. März 2021 eine interessante Arbeit unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums (SBiK-F) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die Forscher untersuchten den Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheit und Biodiversität in Deutschland. Insgesamt wurden die Daten von 30.000 Personen aus 15.000 deutschen Haushalten analysiert. In den Landkreisen mit einer größeren Vielfalt an Pflanzen und Vogelarten zeigten sich weniger psychische Pathologien.

Landschaftsschutzgebiet im Landkreis Leipzig. Foto: Stephan Schürer
Landschaftsschutzgebiet im Landkreis Leipzig. Foto: Stephan Schürer

„Wenn also eine Person in einem Kreis mit vielen verschiedenen Pflanzen und Vögeln lebt, dann geht es dieser Person im Durchschnitt mental besser als Menschen in Kreisen mit niedrigerer Artenvielfalt“, sagt Erstautor Joel Methorst.

Weiterhin konnten die Autoren zeigen, dass sich die Nähe zu öffentlichen Parks und Grünflächen auch positiv auf die psychische Gesundheit auswirkt.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass man Naturschutz durchaus auch als Maßnahme zur Gesundheitsförderung verstehen kann“, sagt Letztautorin Prof. Katrin Rehdanz von der Universität Kiel. „Vor allem Stadtplanung und Grünflächenämter sollten in Biodiversität investieren, um so die Gesundheit der städtischen Bevölkerung zu fördern.“

In Deutschland haben sich psychischen Erkrankungen in den letzten Jahren zu einer Volkskrankheit entwickelt und sie sind aktuell, nach Erkrankungen des Gelenkapparates, die zweithäufigste Ursache für Fehltage im Beruf und der häufigste Grund für eine Frührente. Laut einer OECD Studie aus dem Jahr 2018 belaufen sich die jährlichen ökonomischen Kosten psychischer Erkrankungen in der EU auf rund 600 Milliarden Euro. Deutschland muss dafür, laut diesem Bericht, 4,8 % seines Bruttoinlandsproduktes aufwenden.

Natürlich sind die schwindenden Naturräume nicht der einzige Grund für die Zuwachsraten der psychischen Erkrankungen. Jedoch unterstreicht die oben genannte Arbeit noch einmal die enorme Wichtigkeit artenreicher Ökosysteme, zu deren Ökosystemleistung nun zum Teil auch unsere psychische Gesundheit gehört.

Selbst wenn der zunehmende Verlust der biologischen Vielfalt in unserem direkten Umfeld auch nur eine untergeordnete Rolle bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielt, sind die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen für unsere Gesellschaft enorm.

Die logische Konsequenz ist ein besserer Schutz der bestehenden Biotope und eine obligate Integration von Biodiversität fördernden Maßnahmen in die Stadt- und Raumplanung.

Kein "Gestrüpp" mehr - hier sind Bäume gewachsen. Foto: LZ
Kein „Gestrüpp“ mehr – hier sind Bäume gewachsen. Foto: LZ

An akut bedrohten Lebensräumen mangelt es in Leipzig nicht (z. B. Wilhelm-Leuschner-Platz). Hier sollte ein sensibler Umgang mit den verbliebenen Grünflächen die Devise sein. Innerstädtische Rückzugsräume für Biodiversität und Einwohner/-innen sind ein unbezahlbares Gut und können nicht durch dezentrale Ausgleichspflanzungen ersetzt werden. Durch die zunehmende innere Verdichtung der Metropole werden auch grüne Rückzugsräume im Umland, wie z. B. das Leipziger Neuseenland, für die Einwohner/-innen von Leipzig immer wichtiger.

Jedoch gibt es auch hier einen zunehmenden Bebauungsdruck (wie z. B. am Markleeberger, Hainer und Störmthaler See), der die sich wieder etablierende Natur, nach dem Braunkohleabbau, nun zum erneuten Male bedroht.

„Der Mensch muss der Natur ihre Würde zurückgeben, um seine eigene Würde zu bewahren.“ (Eckart Löhr 12.05.2019, NZZ)

Es wird Zeit, dass die Politik und Verwaltung die Natur als Standortvorteil, den es zu bewahren und auszubauen gilt, begreift. Eine weitere Bebauung der letzten städtischen Grünflächen in Leipzig und der Uferbereiche der Seen und eine Erschließung bisher unerschlossener Bereiche im Leipziger Neuseenland sollte ein Tabu sein.

Die EU Biodiversitätsstrategie hat sich bis 2030 zum Ziel gesteckt, 30 % der Landmasse unter gesetzlichen Schutz zu stellen. In Sachsen machen die Naturschutzgebiete nur 3 % der Landesfläche aus. Damit liegt Sachsen deutlich unter dem ohnehin niedrigen Bundesdurchschnitt von 6,3 %. Eine Unterschutzstellung der letzten Leipziger Grünflächen und von großen Gebieten des Leipziger Neuseenlandes würde also nicht nur der Einhaltung der EU Biodiversitätsstrategie dienen, sondern auch der psychischen Gesundheit der Bevölkerung.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 10 Kommentare

Sehr geehrter Herr Schürer! Vielen Dank, dass Sie so fundiert auf den Zusammenhang zwischen Natur und seelischer Gesundheit hinweisen: man kann das nicht oft genug tun! Und eigentlich weiß jeder das aus eigener Erfahrung, wie wohltuend es ist, sich in der Natur aufzuhalten. Dass die immer weiter zurückgedrängt wird (auch durch den sog. Nutzungsdruck, gerade in Städten und Stadtnähe), ist offensichtlich. in Leipzig passiert das seit langen und, leider unkritisert von den Naturschutzverbänden der Stadt, im Rosenthal, wo Baumbestände gefällt werden um Platz für die gehabten und zukünftigen Erweisterungen eines solch fragwürdigen Projektes wie die Erweiterung eines für Menschen gegen hohe Gebühr begehbaren Gefängnisses für ansonsten in freier Wildbahn lebende Tiere aus völlig anderen Regionen als der hiesigen (Zoo). Dafür werden dann die Lebensräume dort natürlicherweise ansässiger Arten zerstört. Was aber niemanden zu stören scheint.

Zu der von Ihnen aufgeführten Studie, deren Fazit ja, sehr löblich, ein deutliches Plädoyer für die Artenvielfalt auch in Städten ist, meine ich, dass es noch wesentlich mehr Variablen als die Biodiversität gibt, die das unterschiedliche Wohlbefinden zwischen Stadt und ländlichen Orten und dessen Folgen beeinflusst. Die Zusammenhänge zwischen Endokrinologie, Neurologie, Physiologie, Psyche und Immunsystem werden ja seit geraumer Zeit und bereits mit den entsprechenden Nachweisen erforscht. So ist eine gute Funktion des Immunsystems bei dauerhaftem Stress, wie z.B. permanenter Angst, erlebter Ohnmacht, nichtnachvollziehbaren Eingriffen ins Persönliche o.ä. massiv beeinträchtigt, während Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Beeinflussbarkeit im Erleben hoch protektive Faktoren sind – auch hier dürfte es große Unterschiede zwischen einer großen Stadt und ländlichen Orten geben, wenngleich eine wenig protektive Situation derzeit flächendeckend zu konstatieren wäre, würde sich jemand einer deratigen Untersuchung widmen. Da nützt dann auch eine hohe Bioviersität nichts mehr.

@ Saschok:

Ja sehen sie, Saschok, dass mit dem Wald, der das Hauptbiotop wäre in Mitteleuropa, wäre der Mensch nach der Eiszeit nicht gekommen, denken wir uns, aber woher wollen wir das eigentlich so genau wissen? Ich denke, es kann ja so sein, frage mich aber, warum wir es mit Absolutheit so sagen.

Weil im Endeffekt sind wir ja bei “was wäre wenn” – und man kann es schlicht nicht herausfinden, was gewesen wäre, wenn der Mensch nicht gekommen wäre. Es hätte ja auch – ohne den Menschen – nach der Eiszeit sonst was passieren können bis hin zu Besiedlungen durch Außerirdische (um es überspitzt zu sagen) oder auch einer außergewöhnlichen Ausbreitung irgendwelcher anderen Arten.

Sie schreiben ja auch von “viel Niederschlag” – und wenn man sich Karten anschaut, wo Flüsse und Bäche und Moore waren, bevor man sie begradigt oder zerstört hat, dann war zumindest in einigen Regionen Mitteleuropas eher mehr Moor und Wasser als Wald – v.a. in Perioden, wo es eben besonders viel geregnet hat (die gab es ja auch).

Ja, die Megaherbivorenhypthese, ja, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es hier Savanne gegeben hätte, aber ganz ohne Einfluss wären große Herbivoren auf die Umwelt auch nicht gewesen, nicht wahr? Ich werde jedenfalls die Entwicklung solcher Projekte wie Oostvaardersplassen weiter mit Interesse verfolgen. Aber wie sich Vegetation, Artenreichtum und Artenzusammensetzungen entwickelt HÄTTEN betreffs bspw. der Megaherbivoren – ohne Faktor Mensch – gute Frage. Man streitet ja sogar darüber, ob die Menschen zumindestens die ganz großen Herbivoren ausgerottet hat oder ob hier schlicht wieder das Klima auch eine Rolle spielte. Man weiß es anscheinend nicht.

Den Prozess, dass durch den Menschen neue Arten in ein Gebiet eingeführt werden, findet im Endeffekt heute noch statt, über Staudenknöterich und Waschbären wird viel gestritten, prinzipiell kann man also dann Waschbär&Co. auch als Artenvielfalt begrüßen – dennoch haben ja neue Arten auf einheimische Natur auch wieder einen Einfluss, den andere wieder beklagen (siehe Graureiher im Rosental). Welchen Einfluss mögen die in historischer Zeit eingewanderten Arten eigentlich gehabt haben? Auch hier – wir wissen es nicht, oder?

Aber all dies bedeutet ja auch nicht, dass das Wissen oder Nichtwissen über das Gestern uns etwas über das Morgen verrät. Sie schreiben ja selbst: “Diese Theorie wird aber im Gegensatz zur Savanne in Afrika, die ja durch Pflanzenfresser erhalten wird, für Mitteleuropa wegen der fruchtbareren Böden und dem höheren Niederschlag begründet in Frage gestellt”

Und damit sprechen sie was ganz wichtiges an: Das Klima – es wandelt sich und das mit den höheren Niederschlägen hat sich wohl fürs erste gegessen. Somit steht ja doch eher die Frage: wie wird sich die Natur in Zukunft diesbezüglich entwickeln? Und gibt Mensch der Natur genug Freiraum, um Anpassungsprozesse der Natur an das sich wandelnde Klima zu ermöglichen? Sicher kann man hier noch mehr Fragen stellen. Wie verhalten sich denn die Menschen in den Karpaten zum Wolf? Aber – kann man die Karpaten mit Mitteleuropa überhaupt vergleichen?

Eine Ergänzung zur Artenvielfalt. Vielleicht wäre es besser den Begriff des Artenreichtums zu verwenden. Das natürlich ohne den Menschen vorkommende Hauptbiotop in Mitteleuropa wäre der Wald, der sich, theoretisch angenommen, ohne uns Menschen auch wieder entwickeln würde. Es gibt zwar die Theorie, das Megaherbivoren (große Pflanzenfresser) auch in historischer Zeit Offenlang geschaffen haben. Diese Theorie wird aber im Gegensatz zur Savanne in Afrika, die ja durch Pflanzenfresser erhalten wird, für Mitteleuropa wegen der fruchtbareren Böden und dem höheren Niederschlag begründet in Frage gestellt. Offenlandflächen sind in Gebirgsregionen und wenig verbreitet auf Sanddünnen (wie Ostsees- oder Binnendünen) natürlich. Der Wald im Klimaxstadium (Bäume aller Altersklassen) ist in Mitteleuropa durch einen bestimmten Artenbestand gekennzeichnet, der aber begrenzt ist. Durch die extensive landwirtschaftliche, waldbauliche und sonstige Nutzung ( Wiesennutzung,Dreifelderwirtschaft, Hutewaldung, Brandrodung, Plänterung, Plaggenwirtschaft, Tongruben, Heckenanlage zur Grenzziehung) wurde Freiräume im größeren Maße von ca. 500 bis 1000 n. Chr. geschaffen, die Lebensräume bilden, die in Waldzeit in Mitteleuropa nicht vorkamen, sondern aus Innerasien aus Steppenlandschaften einwanderten (Schmetterligsarten, Hase, Rebhuhn, Feldhamster, Knoblauchkröte, Rebhuhn, Neuntöter u.v.m. und viele Pflanzenarten). Sofern die Bewirtschaftung nicht eine bestimmtes Intensivierungsmaß überschritt, so fanden diese eingewanderten Arten ausreichend Lebensraum. Die extensive Beweidung in Form der Wanderschäferei ist zum Beispiel ein Rest der bäuerlichen Kulturlandschaft. Auf jeden Fall hat die menschliche Nutzung bis ca. Anfang des 20 Jahrdt. gesichert, dass ein höherer Artenreichtum existierte als in der davor liegenden Waldzeit.
Noch eine Ergänzung: Die Einwanderung des Wolfes ist nicht das Problem sondern die Wolfpolitik, die für extensive Weidewirtschaft das AUS bedeuten wird. In Gebieten, wo Wolf und Weidewirtschaft zusammen existieren können (Karpaten, Balkan) verhalten sich die Menschen so, dass der Wolf menschliche Siedlungen scheut und es in Bezug auf den Bestand an Weidetieren und Wölfen zu weniger Übergriffen auf Weidetiere kommt als gegenwärtig in deutschen Wolfsgebieten.

Hallo Christian, ich versuche kurz, zu erklären, worauf ich hinaus wollte. Der Begriff “Artenvielfalt” ist sehr weit gefasst und kann alles mögliche bedeuten, wenn man es sich ganz einfach machen will, sagt man halt: “Ja gut, dann kommen eben in einem bestimmten Gebiet viele Arten vor, und dann ist das Gebiet sehr artenreich”. Nun kommen aber in einem bestimmten Wald, in einer bestimmten Heide, in einer bestimmten Steppe usw. usf. teilweise ganz unterschiedliche Arten vor. Daher kann es auch unterschiedliche artenreiche Wälder, unterschiedliche artenreiche Heiden und auch unterschiedliche artenreiche Steppen geben etc. und jede dieser Artenvielfalten ist wertvoll, auch wenn vielleicht irgendwo dann etwas mehr Arten vorkommen als in einem anderen Lebensraum – die Gesamtheit der Arten in den unterschiedlichen Lebensräumen und ihre Verbindungen untereinander sind ja der Clou, nicht allein die reine Summe an Arten im Vergleich. Somit ist es schon mal seltsam, hier zu unterscheiden zwischen mehr oder weniger gefährdeten Arten(vielfalten), und ich meine mich zu erinnern, gelesen zu haben, dass bestimmte Wald-Artenvielfalten ebenso gefährdet sind wie bestimmte Offenland-Artenvielfalten. Natur ist aber nie statisch, auch ohne den Menschen gab es ja zahlreiche Einflüsse, die stets und ständig für Veränderungen gesorgt haben (bis hin zu krassen Fällen wie Kometeneinschläge oder Vulkanausbrüche mit weltweiten Auswirkungen). Wo es wann welche Arten mal gab und wieviele in einem bestimmten Gebiet war also auch vor dem Auftauchen des Menschens eine komplexe und dynamische Angelegenheit – Arten verschwanden, Arten kamen. Und ja – irgendwann kam auch der Mensch und wurde ein weiterer Faktor betreffs der Arten und ihrer Verbreitung (wie alle anderen Arten auch in gewissen Maße). Aber wir wissen eigentlich nicht viel darüber, wie genau der Mensch in grauer Vorzeit genau Arten und das Zusammenspiel der Arten wo und wie stark beeinflusst hat (und die Arten ihn, denken sie nur daran, wie uns die Art “Severe acute respiratory syndrome-related coronavirus” gerade beeinflusst). Tiere und Pflanzen werden ja nach Ableben weitestgehend zersetzt, was wir haben, sind dann hier und da Fossilien etc., oder man macht Pollenanalysen usw. Aber auch wenn man dann mal irgendwo einen Knochen aus einer bestimmten Zeit gefunden hat, und auch einen aus einer späteren Zeit, gibt es immer noch große Zeiträume, wo man nichts weiß, was aber nicht bedeutet, dass da nichts war (nur was?). Auch Pollenanalysen können, soweit ich weiß, nicht vollständig über alles Informationen geben, auch wenn es hier wahnsinnig interessante Forschungen gibt – dennoch bleibt das Bild quasi stets unscharf. Somit begibt man sich halt auf dünnes Eis, wenn man sagt, im frühen Mittelalter wäre die Artenvielfalt am höchsten gewesen wegen der Halbkultur (vor allem im Vergleich wozu? Und mit welcher Evidenz?). Landwirtschaft gibt es ja in Mitteleuropa seit 7500 Jahren (Jungsteinzeit! Da kamen ebenfalls bereits zahlreiche Arten im Schlepptau mit, nicht erst im frühen Mittelalter). Und die Menschen damals waren sehr klug, bedenken sie, man hat ja sogar Observatorien gebaut – nicht nur zu kultischen Zwecken, sondern weil ja die Zeitpunkte wichtig waren, wann man was anbaut. Aber wie genau da nun die Artenvielfalt ausgesehen hat und ob die nun größer oder kleiner war als im frühen Mittelalter und wo genau (war sicher regional auch damals unterschiedlich!)? Übrigens haben auch schon die Menschen der Linearbandkeramischen Kultur Waldweide betrieben, auch dieses gab es nicht erst seit dem frühen Mittelalter – so las ich es zumindestens. Dennoch wissen wir vieles nicht über die Linearbandkeramiker, zum Beispiel, was sie wann an welcher Stelle konkret getan haben, wie sich die Bevölkerung entwickelt hat und wo sie hin sind – denn rein genetisch haben sie kaum Spuren hinterlassen im Erbgut der heutigen Menschen! Auch betreffs des frühen Mittelalters dürfte es schwer sein, genau herzuleiten, was für eine Artenvielfalt konkret es in welchen Arealen gegeben hat und ob diese nun höher oder niedriger als eine Artenvielfalt zu einem anderen Zeitpunkt war. Komplexe Zusammenhänge der Arten sind ja dann erst recht nicht herleitbar (weil uns eben die Informationen fehlen) – auch nicht zum Wolf. Zudem ist es sehr unwahrscheinlich, dass wir Menschen plötzlich ganz aus Mitteleuropa verschwinden, sodass Flächen in signifikanter Anzahl sich wegen des Wolfes plötzlich wiederbewalden könnten (was klimaschutztechnisch eigentlich auch nicht schlecht wäre, man will ja mehr Wald fürs Klima derzeit). Und ob Wald in einem Klimaxstadium “nicht so artenreich” ist, kann man auch mal nachdenken – ist ein naturnaher Wald nicht eher ein Mosaik aus unterschiedlichen Alters- und Zerfallsphasen, in welchem irgendein Klimaxstadium als solches in der Fläche gar nicht vorkommen kann?

Was wir wissen, dass ist, dass die Artenvielfalt weltweit jetzt dramatisch sinkt und hier eindeutig nicht der Wolf schuld ist, sondern der Mensch (v.a. wegen intensiver Landwirtschaft u.a.). Das weiß man, das findet jetzt statt und darum sollte man sich kümmern – nicht um irgendwelche Wölfe. Extensive Weidewirtschaft kann gern gefördert werden, aber dass diese nicht gerade eine Goldgrube ist, liegt wahrscheinlich auch zu einem Teil an der industriellen Landwirtschaft mit Massen-Billigfleischproduktion. Schaf und Ziege werden selten gegessen, die Menschen kaufen ja doch weitestgehend Rind, Schwein und Huhn, welche nie das Tageslicht gesehen haben und mit Soja gefüttert werden, für welches anderswo wieder Wälder abgeholzt werden. Extensive Weidewirtschaft, regional, wäre da wirklich besser – aber deren Problem ist nicht der Wolf (für den sich vielleicht auch Lösungen finden würden?).

Ich könnte hier noch viel mehr schreiben, aber dies soll erst einmal reichen.

Ok. Also der Wolf verbreitet sich dank Förderung weiter, frisst möglichst Menschen (mit roten Käppchen) und dann haben wir wieder einen geringeren Besatz an Menschen, welcher mit viel Wald zu mehr Biodiversität führt 🙂
[Ich halte die vehemente Förderung dieses Tieres nicht wirklich für sinnvoll]

Mit “Biodiversität” überfordern Fachkundige höchstwahrscheinlich sämtliche Entscheidungsträger. Auf hohem Niveau.
Würde man der Natur heutzutage einfach nur mehr Raum geben und die “Landschaft nicht weiter ausräumen”, entstünde sicher wieder “guter Raum”.
Leider ist die Betonlobby noch zu stark.

Dass das damals nicht so war, und deswegen die Natur auch wesentlich fulminanter ausgeprägt wuchs, wird man ja – ohne gemonitorte Datengrundlage – sicher nicht bestreiten, oder?

@Saschok: es gab im frühen Mittelalter dann auch flächendeckende Monitorings und sie haben zu den damaligen wissenschaftlichen Ergebnissen die Daten???

Das stimmt der Wolf und auch das Mammut waren schon in Mitteleuropa als sich unserer Altvorderen noch nicht mal aus Afrika auf den Weg gemacht haben. Deshalb auch bei mir den Hinweis, dass die Artenvielfalt im frühen Mittelalter während der sehr verbreiteten Halbkultur (Dreifelderwirtschaft, Hutewáld) am höchsten war. Der unbegrenzte Einmarsch des Wolfes in Mitteleuropa fördert den Wald (Wo der Wolf ist wächst der Wald). Nur Wald im Klimaxstadium ist nun mal nicht so artenreich. Die Waldarten sind in Mitteleuropa von der Anzahl her weit weniger gefährdet als die Offenlandarten.
Das Politikum “Willkommen Wolf” ist im ökologischen Sinne nichts anderes als Populismus.

Und schon wieder wird der Wolf 🐺 als Sündenbock gebraucht, der Wolf war eher da als wir, Willkommen zurück Wolf😅🤗

Die höchste Artenvielfalt in Mitteleuropa war während der extensiven landwirtschaftlichen Nutzung im frühen Mittelalter und der Einwanderung von asiatischen Steppenarten gegeben. Momentan finden in Stadtrandlage deutlich mehr Arten Lebensraum als in den ausgeräumten Agrarlandschaften. Deshalb ist Bezug auf Artenschutz Stadt nicht gleich Stadt. Die ungeregelte Ausbreitung des Wolfes in Mitteleuropa wird absehbar der extensiven Weidenutzung mit Schafen und Ziegen den Todesstoß geben, womit eine sehr anpassungsfähige und ungefährdete Art (Verbreitung von Mitteleuropa bis Kamtschatka) gewinnen wird aber viele besonders gefährdete Tier- und Pflanzenarten des Offenlandes ihren Lebensraum verlieren. werden. Halbkultur mit einem geringen Besatz an Menschen ist der beste Naturschutz.

Schreiben Sie einen Kommentar