Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine FDP-Anfrage ging 2019 hervor, dass die Anzahl der Menschen in Deutschland, die unter Einsamkeit leiden, in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist. Corona, Lockdowns, Kontaktbeschränkungen und Phasen der Isolierung haben sicher nicht zur Besserung dieser Situation beigetragen. Seit inzwischen 20 Jahren unterstützt der „Gemeinsam statt einsam e. V.“ Menschen in Leipzig, die wenig bis gar keinen Anschluss in der Stadt haben und im Alltag oft allein sein.

2002 riefen Mitglieder und Mitarbeiter/-innen der Wohnungsgenossenschaft Transport eG (WOGETRA) den Verein ins Leben, mit einem klaren Ziel: „Wir möchten, dass Sie in unserer Stadt Leipzig Menschen finden, mit denen Sie nicht einsam sind.“ In den Begegnungsstätten in Leipzig-Marienbrunn, Gohlis und am Johannisplatz bieten die Mitglieder verschiedene Veranstaltungen und Aktionen an. Dort können Menschen andocken, sei es beim Sport, in kreativen Workshops oder beim Gedächtnistraining. Etwa 120 Personen betreut der Verein derzeit.

„Wir gehen auch aktiv auf Menschen zu, von denen wir den Eindruck haben, dass sie Unterstützung oder ein Gespräch gebrauchen könnten“, erzählt Gilbert Then, einer der ehrenamtlichen Mitarbeiter/-innen. „Das große Problem ist, die Menschen zu finden. Einsamkeit versteckt sich. Deshalb ist immer wieder das aktive Vorgehen notwendig: Auf Hinweise von Nachbarn reagieren zum Beispiel. Da muss man auch mit der notwendigen Sensibilität vorgehen.“

Über die letzten zwei Jahre gestaltete sich diese Arbeit als besonders herausfordernd: „Der Nachteil war natürlich, dass die Begegnungsorte geschlossen hatten. Das hat für manche Personen, die ohnehin wenig Kontakt zu anderen Menschen hatten, das Problem verstärkt. Wir haben natürlich so gut es ging versucht, entgegenzusteuern, beispielsweise mit Hofkonzerten und Veranstaltungen im Freien. Natürlich konnten wir nur punktuell Abhilfe leisten.“ Insgesamt habe Corona die Situation für die Menschen aber durchaus verstärkt, räumt Then ein. Auch regelmäßige Anrufe könnten den direkten Kontakt nur bedingt ausgleichen.

Explizit richte sich der Verein zwar nicht an ältere Menschen, dennoch sind es oftmals Senior/-innen, die unter Einsamkeit leiden und die Angebote gern annehmen. Gerade, wenn die Familie weiter weg wohnt, der/die Partner/-in oder Freund/-innen verstorben sind, hält die Einsamkeit schnell Einzug. Viele der ehrenamtlichen Helfer/-innen des Vereins sind ebenfalls bereits über 70, erzählt Then. „Es geht darum, Menschen zu aktivieren und gleichzeitig für andere da zu sein; Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.“

In Zusammenarbeit mit der WOGETRA führte der Verein in einem von der Deutschen Fernsehlotterie geförderten Projekt über vier Jahre bis zum Juni 2021 auch präventive Hausbesuche durch. Das Angebot richtete sich vorrangig an ältere Menschen, mit dem Ziel, das „selbständige Wohnen im Alter so lange wie möglich zu erhalten, eingebunden in Nachbarschaft und Wohngebiet. Das Projekt möchte die gegenseitige Nachbarschaftshilfe fördern. Bei Menschen mit Hilfebedarf soll der Beratungsprozess bis zu einem erfolgreichen Abschluss begleitet werden. Dazu werden nicht nur Informationen an die entsprechenden Stellen weitergegeben, sondern auch die passenden Kontakte hergestellt und alles Nötige organisiert, damit besonders einsame Menschen in ihrer häuslichen Umgebung besser klarkommen können“, beschreibt der Verein das Konzept. Insgesamt 324 Hausbesuche fanden in der Projektlaufzeit statt.

Mit Erfolg: Im Wohngebiet habe das Projekt Beachtung erfahren und Anklang gefunden. Künftig könne auf die in dieser Zeit gewachsenen Strukturen zurückgegriffen und die entstandene Zusammenarbeit fortgesetzt werden. Inspiriert durch das Projekt habe die Stadt Leipzig sogar bereits in zwei weiteren Stadtteilen „Präventive Hausbesuche“ ins Leben gerufen.

Fühlen Sie sich einsam in Leipzig? Mehr Informationen zum Angebot des „Gemeinsam statt einsam e. V.“ gibt es unter www.gemeinsam-statt-einsam-leipzig.de

„Im Alltag allein: Der Verein „Gemeinsam statt einsam“ bringt Menschen zusammen“ erschien erstmals am 25. Februar 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 99 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar