Weiße Regenschirme werden verteilt, mit Handys sollen sie dann auf dem Ring erleuchtet werden. Eine schöne Idee, optisch warm und als Zeichen gedacht. Für Menschenrechte und Demokratie hat zum heutigen 30. Januar 2023 ein breites Bündnis aufgerufen, Burkhard Jung wird eine Rede halten und Michael Kretschmer mindestens in der Nähe sein. Im Moment sammeln sich die ersten Menschen auf dem Marktplatz zur Vorveranstaltung zu „Leipzig leuchtet“, um ab 19 Uhr auf den Leipziger Ring zu gehen.

Eine Aktion, welche in den letzten Tagen zumindest im Netz und Netzwerken von Gewerkschaften, Kirchen, „Leipzig nimmt Platz“, Parteien beginnt zur Stunde in der Leipziger Innenstadt zu zeigen, wie viele interessierte Leipziger/-innen sich im Angesicht von Ukrainekrieg, „Querdenker“-Demos und Kriegsschuldverdrehungen durch diese noch für etwas einsetzen, was vielleicht auch zu vielen längst als selbstverständlich bekannt ist: die Demokratie und ihre Werte wie offene Debatte, aber eben auch ihre Abwehr demokratiefeindlicher Tendenzen.

Wie sich diese ausdrücken, wurde in den vergangenen Monaten oft genug beschrieben, nun will ein breites Bündnis beweisen, dass es auch anders geht. Zur Stunde, kurz vor 18 Uhr, sieht es zwar eher so aus, als ob das Interesse an eben diesem Beweis nicht so groß ist, wie es die Initiatoren gehofft haben. Von den sonstigen montäglichen „Querdenkern“ als „Gegendemonstration“ im Vorfeld gelabelt, scheint also die eigentliche und einfache Botschaft des heutigen Abends zum Auftakt nur einige hundert Teilnehmende, geschätzt 800 bis 1.000 anzuziehen.

Dafür sind einige rechte Störer auf dem Marktplatz dabei, während Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) seinen Redebeitrag beginnt: auch sie hatten sich angekündigt. Unter ihnen unter anderem der rechte Szene-Youtuber und AfD-Kreisrat Sebastian Weber und mindestens ein bereits durch Gewaltausübung auffällig gewordener Ex-Ordner von Volker Beisers ehemaliger „Bewegung Leipzig“.

Apropos Ankündigung: da Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) heute beim Neujahrsempfang des Universitätsklinikums Leipzig und der Medizinische Fakultät der Universität Leipzig erwartet wird, hält sich das Gerücht hartnäckig, dass auch er zum Marktplatz oder zur gemeinsamen Leuchte-Aktion auf den Leipziger Ring kommen könnte.

Ab 19 Uhr wird er jedenfalls neben Petra Köpping, Sächsische Staatsministerin für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, sowie Sebastian Gemkow, Sächsischer Staatsminister für Wissenschaft, Kultur und Tourismus im „Felix“ am Augustusplatz erwartet.

Der Innenstadtring ist bereits in einigen Teilen für die Durchfahrt gesperrt.

Die Rede von Burkhard Jung (Audio)

19 Uhr: Michael Kretschmer ist da & es leuchtet nun

Der Ministerpräsident Sachsens hat es geschafft – erstmals seit sehr langer Zeit ist der CDU-Politiker soeben auf dem Augustusplatz und damit zumindest in der Nähe einer nicht-rechten Demonstration oder mal abseits seiner „Bürgerdialoge“ eingetroffen.

Ob dies nun bedeutet, dass er sich an „Leipzig leuchtet“ auch ein wenig beteiligt oder gar auf dem Marktplatz eine Rede hält, ist offen.

Unterdessen gab es den ersten Ärger auf dem Marktplatz. Da sich eine Gruppe rechtsradikaler Demonstranten um den Youtuber Sebastian Weber und Lucien W., einem gewaltsuchenden „Querdenken”-Anhänger direkt an der Bühne und weitere „Montagsspaziergänger“ um Anette H. und Bernd R. auf dem Marktplatz eingefunden haben, hat ein junger Demoteilnehmer angeblich versucht, Bernd R. ein Schild zu entreißen oder den ehemaligen Soldaten anderweitig zu attackieren. Die Polizei hat ihn jedenfalls in eine Maßnahme genommen.

Die Demonstration von „Leipzig nimmt Platz“ ist eingetroffen und die ersten Menschen sind unterdessen bereits auf den Ring gegangen. Hier bilden sich nun die ersten „Schirm“-Reihen, die mittels Lampen zum Leuchten gebracht werden.

Der eigentliche Symbolakt des Abends hat damit begonnen. Schätzungsweise 3.000 Menschen sicher, eher mehr, beteiligen sich daran. Auf dem Ring sind nur wenige Lücken zu sehen, während unsere Reporter/-innen vor Ort diesen ablaufen.

19:20 Uhr: Bilder vom Leipziger Ring

Es gibt Stellen, da ist es voll, auf der ganzen Breite der Fahrbahn tummeln sich Menschen mit weißen Schirmen, leuchten in der Nacht und ein wenig entschädigt eben dieses Bild für so manches auf dem Marktplatz zuvor. Es sind mehr geworden, als zwischendurch gedacht: von 4.000 Menschen darf man durchaus ausgehen.

Und auch die wenigen verstreuten „Querdenker“ gehen nun unter im eigentlichen Sinn der Aktion am heutigen 30. Januar 2023. Konnten sie am Markt noch in die Rede von Oberbürgermeister Burkhard Jung hineinrufen, ist der Eindruck nunmehr ein anderer: Leipzig leuchtet wirklich ein bisschen, zeigt Gesicht für Frieden, Demokratie und fundamentale Menschenrechte, wie auch für die Verteidigung der Ukraine und damit auch gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands.

Nach einem etwas schweren Start mit scheinbar wenigen Menschen sind sie nun die vielen, die nach Monaten mal wieder die Optik des Leipziger Ringes dominieren. Auch wenn ein Nachgeschmack bleiben wird: auch in Leipzig finden sich aktuell keine 10.000 Menschen mehr, um sich an einer Aktion für ureigenste Werte eines friedlichen Zusammenlebens offen und mit einem Schirm in der Hand zu engagieren.

Einen Erfolg darf man es dennoch nennen: Nur Leipzig schafft es derzeit, sich überhaupt zu solchen positiven Aktionen aufzuraffen. Und, was nicht selbstverständlich ist: unter ihnen tatsächlich ein CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer, der sich – wie auch seine Partei heute wieder – aus solchen vorgeblich linken Aktionen der Leipziger Bürgerschaft sonst gern heraushält.

20 Uhr: Ein Nachtrag zum Auftritt von Michael Kretschmer + Video

So einig sah man sie vielleicht zuletzt beim Lichtfest. Die beiden Politiker Burkhard Jung (SPD) und Michael Kretschmer (CDU) setzten am Rande der Aktion „Leipzig leuchtet“ mit einem kleinen gemeinsamen Interview auf dem Augustusplatz mindestens das Signal, dass Demokratie und Menschenrechte ebenso unverhandelbar für sie sind, wie die Frage, wer hier in der Mehrheit ist.

So zumindest Burkhard Jung deutlich, als er formulierte, dass es eben nicht die Mehrheit sei, die Montag für Montag auf dem Ring letztlich für die Abschaffung der Demokratie demonstrieren würden. Kretschmer betonte vor allem gegen Ende seines Beitrages, dass es Zuwanderung nach Sachsen und das entsprechend offene Klima in der Gesellschaft dafür brauche.

Damit war auch der Fingerzeig gegeben, welchen Konflikt sich nach Corona und nun Ukrainekrieg die rechten Demonstranten bereits gesucht haben: die gute alte „Ausländer-Problematik“ in Zeiten von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und weiterem Zulauf aus anderen Ländern.

Nachtrag 20:35 Uhr: Wie recht Burkhard Jung auf dem Marktplatz und Michael Kretschmer auf dem Augustusplatz mit ihren Hinweisen auf die wiedererstarkende Ausländerfeindlichkeit hatten, zeigte sich auch am heutigen Abend.

Mit rechtsextremen Rufen, wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ und „Ost- Ost- Ostdeutschland“ zogen auch heute einige Neonazis unter der Versammlungsleitung Volker Beisers (Ex-NPD) durch Leipzig. Noch am vergangenen Montag waren Teile dieser Neonazis bei Bernd R. und den sogenannten „Querdenkern“ mitgelaufen, um angeblich für Frieden zu demonstrieren.

Heute ging es vom Simsonplatz über die Ebert-Straße und Käthe-Kollwitz mal nicht wirklich über den Ring. Insgesamt sollen 100 Teilnehmende beteiligt gewesen sein, darunter auch Reichsbürger, Putin-Fans und DDR-Nostalgiker. Mindestens ein Frontbanner machte deutlich, dass die Demonstration erneut auch unter dem Einfluss der rechtsextremen „Freien Sachsen“ stand.

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Es gibt 10 Kommentare

@Michael Freitag
“Und immer besteht auch die Chance, dass sich noch eine sinnhafte Debatte daraus entwickelt 😉”

Bei Menschen dieses Schlages besteht diese Chance sicher nicht, das ist meine eigene Erfahrung. Und glauben Sie mir: Ich habe in Verwandtschaft, Herkunftsfamilie und Bekanntschaft einige wirklich heftige Kaliber dieser “Erwachten und Wahrheitssucher” zu ertragen gehabt, so dass ich weiß, dass ab einer gewissen “festgefahrenen Verschwurbeltheit” nichts mehr zu machen ist. Manchmal rütteln schwere Schicksalsschläge solche Menschen auf, oder vor Selbstlosigkeit und Empathie strotzende Heilige überschütten sie mit so viel Liebe, dass sie plötzlich merken, dass sie mit ihrem Hass nur ihre seelischen Verletzungen überdecken und verdrängen wollten. Dann haben sie evtl. die Chance wieder zugänglicher werden zu können. Manchmal, … evtl …

Aber: Ich bin kein Heiliger und könnte so selbstlos sein. Und so war es für mich wichtig, eine gesunde Distanz zu wahren und mich nicht anstacheln zu lassen. Das war mein Rezept, um meine Energie nicht weiter in völlig sinnlosen Diskussionen zu verschwenden. Wir haben ja nicht nur die Energiekrise in der Wirtschaft und in den Haushalten. Wir haben nach so vielen unruhigen Jahren auch nur noch eine sehr begrenzte Seelenenergie, um mit diesem wild gewordenen Teil der Gesellschaft noch einigermaßen zurechtzukommen. Auch diese Ressourcen sind nicht unerschöpflich. Auch da suchen wir gerade mühsam nach regenerativen Quellen zum Aufladen, die man nicht überall und automatisch findet.

Nachdem ich einige Kommentare von Herrn S. gelesen habe, kam mir insgeheim der Gedanke, ob eine Sperrung nicht doch sinnvoll wäre. Nach dem Motto: Will er diskutieren oder sucht er nur ein Ventil, um Dampf abzulassen?

Ich schreibe übrigens auch nicht immer Kommentare, die dem jeweiligen Autor der Artikel gefallen dürften. Auch ich habe nicht selten konträre Meinungen zu dem, was geschrieben wird. Aber bei mir schimmert hoffentlich nie so eine blinde Wut (oder ist es schon Hass) zwischen den Zeilen durch, wie es hier zu spüren ist.
Wenn Herr G.S. hier einmal vom “demokratischen Diskurs” spricht und im nächsten Kommentar davon, dass er “kein Humanist und Demokrat mehr sein will”, dann frage ich mich natürlich, ob er das überhaupt jemals war.
Na ja, immerhin ist er Akademiker und beherrscht die deutsche Sprache, eine Fähigkeit, die vielen Anhängern der “Wutbürgerklimaleugnerimpfgegnertrumpverehrerbenzinautofanatikerfreiefahrtfürfreiebürgerdiktaturrufer….”-Fraktion oft völlig abgeht.

Ja, ich gebe zu, die letzten beiden Sätze waren jetzt ein bisschen bös-ironisch. Aber ich schrieb ja schon oben: Ich bin kein Heiliger 😉

@der Michel: ab und zu ist mir, wie jedem Menschen, nach einer öffentlichen Antwort auf eine öffentlich geäußerte Meinung. Hier also auf solchen Blödsinn wie einem 1:1-Vergleich zwischen eines „Leipzig leuchtet“, wo sich verschiedenste Parteien, Gewerkschaften und Kirchen auf eine Aktion einigen, mit einem 1. Mai in der DDR oder einem FDJ-Treffen (Beispiele). Ob „gerd stefan“ die DDR überhaupt erlebt hat, weiß ich nicht, ist für seinen Unsinn auch nicht relevant.

Relevant ist, dass er damit eben jene Propaganda aufgreift, derer sich auch die „Freien Sachsen“ und die „Querdenker“ (Ost) bemühen, indem sie „Diktatur“ brüllen. Und die schon im Vorfeld von „Leipzig leuchtet“ aus den Kreisen der „Montagsspaziergänger“ zu hören war (die „gerd stefan“ also maximal aufgreift): ist doch von „Oben“ organisiert, wie in der DDR.

Doch das ist noch nicht Ende der Gründe: Nun, da ich beruflich (auch) viel im Netz unterwegs bin, ist sicher nicht nur mir klargeworden, wie oft mittlerweile unwidersprochen Dünnes erzählt wird. Und sich in den Köpfen „festsetzt“.

Denn so ist das menschliche Hirn: ein bisschen was bleibt immer hängen (Ah, Ähnlichkeiten zwischen DDR und heute, na klar „die da Oben“ …)

Und genau das möchte „gerd stefan“ ja vielleicht auch erreichen (vielleicht plappert er ja auch nur?), wenn er sich darüber amüsiert, dass es ja irgendwie nicht 10.000 sondern weniger waren. Bei Nachfragen und Widerworten kommt dann nur noch Geplänkel.

Sollen wir ihn deshalb hier sperren – so wie man es eigentlich mit Trollen machen sollte? Nein, so lange es sich im Rahmen der Gesetze und der Meinungsfreiheit bewegt, nicht. Das gilt hier schon seit Anbeginn der L-IZ.de: es fliegt nur raus, wer andere verleumdet, beleidigt oder sich strafbar mit seinen Kommentaren macht.

Also einfach „labern“ lassen? Nun, ich habe meine Antwort versucht zu geben.

PS.: Und immer besteht auch die Chance, dass sich noch eine sinnhafte Debatte daraus entwickelt 😉

Herr Freitag, warum füttern Sie den Troll denn unnötig? Damit erreicht er sein Ziel der Provokation und lacht sich ins Fäustchen.

Ich verrate Ihnen etwas: Sie waren nie Humanist, wenn Sie das so leichtfertig hergeben. Gut also, dass Sie das nicht behaupten. Die Aufklärung haben Sie gleichfalls unter den Tisch fallen lassen. Scheint Ihnen nicht wichtig genug gewesen. Passt so 😉

Und ich bin eben bei den Klimaleugnern, die sich über Oliven, Rotwein und Austern Made in Sachsen , dank der vom Homo sapiens verursachten Erwärmung Recht wohl fühlen.Humanist und Demokrat will ich angesichts der heute angesichts der woken Umdeutung nicht mehr sein.

Wo auch immer Sie mich hineininterpretieren wollen: in der “Nische” aufgeklärter Demokrat und Humanist bin ich gern zu Hause. Fragt sich also nun, in welcher Sie sich angesichts Ihrer schrägen DDR-Vergleiche befinden 😉

Danke trotzdem, dass ich in ihrer politischen Nische bleiben kann. Das lässt hoffen. Ein demokratischer Diskurs ist alles, aber ist nie langweilig.

@gerd stefan: schön zu sehen, dass Sie den Unterschied nicht verstanden haben 😉 Zu DDR-Zeiten wäre es voll gewesen. So kamen eben die, die es wichtig fanden.

Also angesichts des mehr oder weniger staatlich organisierten und von der Stadt Leipzig zwangsbeleuchteten Demokratieevents hätte ich mir mehr Zulauf gewünscht, eher wie zum Ersten Mai in der DDre. Habe gerade den Ring abgefahren. Bin entäuscht dass in unserer lieben Heimatstadt doch so wenig Demokraten leben sollen. Wo sind Sie denn geblieben . An der runden Ecke hängt im Geäst ein Panzer sonst nichts von Substanz.

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