Im kommenden Jahr startet die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) mit ihren Beschäftigten in die Tarifrunde Chemie. Die Gewerkschaft will die Tarifrunde auch nutzen, um Mitglieder zu gewinnen. In Leipzig erfasst die IGBCE 105 Betriebe und etwas über 13.000 Beschäftigte, davon die Hälfte in der pharmazeutischen und chemischen Industrie.

„In Bereich der Braunkohle ist das Ende absehbar“, so Stephanie Albrecht-Suliak, Landesbezirksleiterin Nordost im Gespräch mit der Leipziger Zeitung (LZ). „Deshalb müssen wir in den anderen Bereichen wachsen. Vorrangig versuchen wir das über erfolgreiche Tarifpolitik. Unser Fokus ist, über Mitbestimmung und Tarifverträge die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten anzuheben.“

Am 30. Januar startet die Forderungsfindung mit den Mitgliedern. Nach dem Beschluss der Forderungen am 10. April in der Bundestarifkommission beginnen zunächst die Verhandlungen in den Regionen. In Nordost findet am 25. April die regionale Verhandlung statt.

Der gesamte Verhandlungszeitraum auf Bundesebene ist zunächst bis Ende Juni 2024 festgelegt, dann endet auch die Friedenspflicht. Angeführt wird die Tarifrunde Chemie Nordost 2024 erstmals von zwei Frauen: Stephanie Albrecht-Suliak von der IGBCE Nordost und Nora Schmidt-Kessler, Geschäftsführerin der AVG Nordostchemie.

IGBCE will Mitgliedschaften über Vorteile stärken

„Wir haben über die letzten Jahrzehnte immer eine besondere Kultur der Sozialpartnerschaft geprägt. Bei uns steht es auf der Tagesordnung, am Verhandlungstisch zu einem Tarifergebnis zu kommen, mit dem beide Seiten gut leben können. Wir nehmen natürlich auch wahr, dass uns diese Kultur der Tarifpolitik in der Mitgliederfrage nicht wirklich hilft“, so Albrecht Suliak.

Es sei jedoch ungerecht, dass die „Trittbrettfahrer“ von den Erfolgen der Gewerkschaft genauso profitierten wie die Mitglieder. Deshalb setzt die IGBCE schon seit einiger Zeit auf Mitgliedervorteile, zum Beispiel Einmalzahlungen, Tankgutscheine, mehr freie Tage oder Aufstockungszahlungen bei Kurzarbeit.

Die Arbeitgeber in der chemischen und pharmazeutischen Industrie stünden dem skeptisch gegenüber, so Albrecht-Suliak, weil es gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße. Es sei jedoch anzunehmen, dass die Arbeitgeber eine Stärkung der Gewerkschaft durch mehr Mitglieder fürchten.

„Bei der LEAG haben im September einen Abschluss erzielt, mit einer Einmalzahlung von 6.000 Euro nur für Gewerkschaftsmitglieder, mit einer Stichtagsregelung, sodass die Beschäftigten auch noch Mitglied werden konnten. Das ist ein einmaliges Beispiel, das uns sehr geholfen hat, im Nachgang den Mitgliederanteil steil nach oben zu organisieren“, so Albrecht-Suliak.

In diesem Sinne hatten IGBCE und Arbeitgeber bereits 2022 vereinbart, die Tarifbindung beiderseitig zu stärken. Bewegt habe sich laut IGBCE jedoch bisher wenig.

Transformation und Politik der Industrie

Am 8. November hatte die Tarifkommission Chemie Nordost in Kagel bei Grünheide einen ersten Ausblick auf die Tarifrunde Chemie 2024 gerichtet. In krisengeschüttelten Zeiten will die Gewerkschaft den Wunsch der Beschäftigten nach Mitbestimmung und guten Tarifverträgen ernst nehmen, ohne die Arbeitgeber aus dem Blick zu verlieren.

Dazu Albrecht-Suliak: „Wir wissen darum, dass unsere Unternehmen Tempo aufnehmen müssen beim Erreichen von CO₂-neutraler Produktion und Wertschöpfung.“

Ein wichtiger Baustein sei auch der Kampf gegen Rechts. Bereits 2016 hatte die IGBCE die AfD als ihren politischen Gegner markiert, da ihre Politik zutiefst neoliberal ist, es kaum Konzepte für Sozial-, Arbeits- und Rentenpolitik gibt und durch die Abschaffung der Erbschaftssteuer und weiterer Steuerentlastungen vor allem die Kapitalseite entlastet wird, nicht aber die Lohnabhängigen.

Dafür müsse man auch aktiv in die Betriebe gehen und mit den Belegschaften sprechen, so Albrecht-Suliak.

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