Das neue Heizkraftwerk (HKW) Leipzig Süd wurde am Montag, dem 23. Oktober, feierlich eröffnet. Es soll die Stadt Leipzig mit Fernwärme versorgen und dadurch die Abhängigkeit vom fossilen Brennstoff Braunkohle aus Lippendorf reduzieren. Die Leipziger Stadtwerke, Betreiber des neuen HKW, wie auch Politiker von Bund und Land proklamieren damit einen großen Schritt in Richtung Klimaneutralität und Leipzigs wichtigen Beitrag zur Energiewende. Energie-Wissenschaftler Dr. Christoph Gerhards sieht das Ganze jedoch kritisch.

Aktuell liegt der Anteil von Fernwärme in Leipzig laut Informationen der Stadtwerke bei rund 25 Prozent. Er könnte durch das HKW auf mehr als das Doppelte steigen. Betrieben wird das Kraftwerk aktuell mit Gas, das die Stadtwerke noch vor Beginn des Ukraine-Kriegs eingekauft hatten. Langfristig soll ein Umstieg auf Wasserstoff erfolgen.

Die Wasserstoff-Beimischung für das HKW ab 2025 soll in einem vom Bund geförderten Entwicklungsprojekt erfolgen, gemeinsam mit dem Turbinen-Hersteller Siemens Energy und der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK).

Das HKW Leipzig Süd gilt laut den Stadtwerken als eines der emissionsärmsten Gasturbinenkraftwerke. Es ist ein Schlüsselprojekt im Wärme-Zukunftskonzept der Leipziger Stadtwerke.

„Unser Ziel ist es, in absehbarer Zeit Leipzigs Energieversorgung mit umweltfreundlichen und innovativen Anlagen sicherzustellen, keine CO₂-Emissionen mehr zu erzeugen und so die Klimaneutralität der Stadt zu befördern“, sagt Dr. Maik Piehler, Geschäftsführer der Leipziger Stadtwerke.

Kritik an fehlender Klimafreundlichkeit

„Wir brauchen diese Sorte von Kraftwerken im Rahmen eines klimaneutralen Energiesystems auf jeden Fall“, so Dr. Christoph Gerhards. „Es gibt immer Stunden, in denen es dunkel ist und kein Wind geht, in denen also kein Strom aus Wind- und Solarenergie zur Verfügung steht. Für diese Zeit brauchen wir Gaskraftwerke, die mit einem klimaneutralen Brennstoff, zum Beispiel grünem Wasserstoff, betrieben werden können.

Aber eben nur für diese Zeit. Wir brauchen kein Kraftwerk, das mehrere tausend Stunden im Jahr laufen soll. (…) Primär müssen wir die erneuerbaren Energien und die Fernwärme aus den Erneuerbaren oder Industrie-Abwärme ausbauen. Grüner Wasserstoff ist viel zu teuer, um ihn für die Wärmebereitstellung zu verbrennen.“

Die Stadtwerke und Siemens betreiben hier Greenwashing, so würden manche es wohl nennen. Vor der Eröffnung des Kraftwerks war Dr. Gerhards sowohl mit Anwohner*innen als auch den Stadtwerken im Gespräch. Bedenken gab es vonseiten der Anwohner*innen, so sagt er, vor allem wegen potenzieller Stickoxidbelastung und einem sogenannten „Lock-in“ in fossile Infrastruktur, also einer Bindung an diese Infrastruktur, die einen späteren Wechsel auf erneuerbare Energie deutlich erschwert.

Wasserstoff kann aus unterschiedlichen Rohstoffen hergestellt werden. Grüner Wasserstoff bezeichnet den Wasserstoff, der mit klimafreundlicher Energie durch Elektrolyse aus Wasser erzeugt wird. Blauer Wasserstoff hingegen steht für die Erzeugung mittels klimaschädlichen Energien und ist nicht mehr klimaneutral.

Laut Dr. Gerhards sei nicht anzunehmen, dass in den kommenden zehn Jahren genug grüner Wasserstoff für das Betreiben des HKW zur Verfügung stehe. Dafür fehlten schlicht die erneuerbaren Energien in Deutschland, das weit hinter seinen Pariser Klimazielen zurückliegt. Auch mit ausreichend Import sei nicht zu rechnen.

Rund 5000 Personen bei der Eröffnungsfeier

Nach Information der Leipziger Gruppe besichtigten bei der Eröffnungsfeier rund 5.000 Menschen das Kraftwerk. In einer Podiumsdiskussion sprachen Wissenschaftler*innen, der Geschäftsführer von L-Gruppe und Stadtwerke Karsten Rogall sowie Politiker*nnen, darunter der Sächsische Energie- und Umweltminister Wolfram Günther und Judith Pirscher vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung über die Zukunft des HKW.

„Leipzig ist es ernst mit der Klimaneutralität“, so Pirscher. Von hier ginge ein wegweisendes Zeichen aus: Hybrid seien heute nicht mehr nur Autos, Arbeitswelten, Fassadenfarben, Putz und Kleber, sondern auch Kraftwerke.

Leipzig rede nicht nur über die Energiewende, so Wolfram Günther, sondern habe gehandelt und Deutschlands erstes wasserstofffähiges Heizkraftwerk gebaut. „Leipzig hat vor allen anderen seine Hausaufgaben gemacht“, so Günther. „Ich freue mich schon, wenn wir es schaffen, hier Wasserstoff in ausreichender Menge heranzuschaffen.“

Auch Oberbürgermeister Burkhard Jung war vor Ort und lobte das Projekt: „Leipzig zeigt, wie es gelingt, die Energiewende im urbanen Raum zu integrieren und dabei das Stadtbild aufzuwerten. Mit dem HKW Leipzig Süd, das vom Start weg H2-ready ist, sichern wir die Energieversorgung und liefern zugleich einen wichtigen Beitrag zum Erreichen unserer Klimaziele.“

Freude mit Wehmutstropfen von Der Linken

Die Partei Die Linke äußerte ihre Freude über die Inbetriebnahme des Kraftwerks.

Michael Neuhaus, Sprecher für Umwelt der Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat, erklärt dazu: „Bislang kam ein Großteil der Fernwärme aus dem Braunkohlekraftwerk Lippendorf. Der Profit aus der Wärme wanderte direkt in die Taschen der Konzerne LEAG und EnBW. Mit dem HKW Süd ist es nun endlich möglich, den Fernwärmebedarf der Leipzigerinnen und Leipziger vollständig durch ein demokratisch kontrolliertes, kommunales Unternehmen zu decken.

Der Profit bleibt in der Stadt und dient zum Beispiel der Finanzierung von Bus und Bahn. Gleichzeitig gelingt es uns aus einem Kraftwerke auszusteigen, das EU-weit zu den zehn dreckigsten gehört.“

Ein Wehmutstropfen bleibt: Auch wenn das HKW Süd bereit für Wasserstoff ist, läuft es aktuell noch mit Erdgas. Grüner Wasserstoff gilt aber als Champagner der Energiewende und sollte im Wärmebereich so selten wie möglich zum Einsatz kommen. Die Aufgabe des HKW ist es, schnell und flexibel einspringen zu können, wenn andere Energiequellen versagen oder der Winter besonders kalt wird. Es ersetzt nicht den dringend notwendigen Ausbau anderer erneuerbarer Energien.

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