Am 28. Februar, dem Welttag der Seltenen Erkrankungen 2023, fand im Fraunhofer IZI Leipzig die Veranstaltung „24. biosaxony vor Ort – Orphan Drugs“ statt. Seltene Erkrankungen und die Arzneimittel zu deren Behandlung werden in den Medien nicht oft thematisiert, wenn doch, dann geht es meist um extrem hohe Behandlungskosten. Grund genug, sich das anzuschauen. „Seltene Erkrankungen“ sind in Summe nicht so selten, mit ungefähr vier Millionen Betroffenen in Deutschland betreffen sie immerhin fünf Prozent der Gesamtbevölkerung.

Da es sich aber auf ungefähr 6.000 verschiedene Erkrankungen verteilt, tritt jede einzelne davon selten oder sehr selten auf. So gehört die Mukoviszidose dazu, von der in Deutschland etwa 8000 Menschen betroffen sind, aber auch die Progerie (Hutchinson-Gilford Syndrom), bei der Kinder im Zeitraffertempo altern, die nur wenige hundert Male weltweit auftritt.

Erforschung Seltener Erkrankungen: schwierig und herausfordernd

Die Erforschung der Erkrankungen, von Behandlungsmethoden und Arzneimitteln ist herausfordernd, da gerade bei der geringen Anzahl der Betroffenen die Renditeerwartungen der Pharmaindustrie gering sind. Die EU, der Bund, Akteure aus Forschung, Medizin, Industrie und ACHSE e.V. von der Patientenseite her, haben sich der Forschung und Behandlung von Seltenen Erkrankungen verschrieben.
Bei der Veranstaltung waren Vertreter aller Akteure anwesend, Themen waren hauptsächlich der Stand der Forschung, Diagnostik und Behandlung.

Nach einleitenden Worten von André Hofmann, CEO biosaxony, zum „24. biosaxony vor Ort – Orphan Drugs“ gab es ein Grußwort durch Staatssekretär Dr. Andreas Handschuh, Sächsisches Ministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus. Er wies auf die Unterstützung der EU, des Bundes und des Freistaates Sachsens für die Erforschung von Seltenen Erkrankungen hin und betonte die Wichtigkeit der Vernetzung von Akteuren aus Biotech, Pharmazie und Medizin.

Bianca Paslak-Leptien, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V., führte in die Arbeit des 2004 gegründeten Dachverbandes von und für Menschen mit chronischen seltenen Erkrankungen und deren Angehörige ein. Bestehend aus über 130 krankheitsspezifischen Patientenorganisationen, bündelt er das Wissen und die Expertise zu seltenen Erkrankungen und vertritt die Interessen betroffener Menschen.

ACHSE e.V. vertritt die Patientenseite im Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen NAMSE und bei EURORDIS auf europäischer Ebene.

Der Weg zur Diagnose ist oft lang

Im Gespräch nach der Veranstaltung betonte Frau Paslak-Leptien, dass das größte Problem für Menschen mit Seltenen Erkrankungen der Weg zur Diagnose ist. Durch die Vielzahl von Seltenen Erkrankungen und deren Spezifika werden diese oft durch den Hausarzt und Fachärzte nicht oder spät erkannt. Das bedeutet einen langen und schwierigen Weg für Patienten. Diesen abzukürzen und eine sachgerechte Behandlung zu gewährleisten, muss gemeinsames Ziel aller Akteure sein.

Zum Stand der Forschung und Behandlung von Seltenen Erkrankungen führte PD Dr. med. Marco Herling in seinem Vortrag „Neue Medikamente für seltene aggressive Leukämien“ aus, dass es Orphan Drugs, also Medikamente zur Behandlung Seltener Krankheiten, für nur etwa 150 Seltene Erkrankungen – das sind nur ca. 2 Prozent dieser – gibt. 70 Prozent davon sind auch für die Behandlung von Kindern zugelassen.

Prof. Min Ae Lee Kirsch betonte in „Seltene Erkrankungen und Personalisierte Medizin“, dass entzündliche Reaktionen durch Störungen des angeborenen Immunsystems bei Kindern durch verschiedene genetische Störungen entstehen. Dabei treten aber vergleichbare Krankheitsbilder auf, was für eine Diagnostik herausfordernd ist.

Kann die KI Hilfestellung leisten?

Um eine zielgerichtete und schnelle Diagnostik ging es im Vortrag „Digitale Lösungen für die Diagnose von Patienten mit seltenen Krankheiten“ von Maciek Klein. Saventic Health, ein in der medical forge von biosaxony ansässiges Unternehmen, hat mit Saventic Care eine digitale Plattform, auf der jeder Patient mit dem Verdacht auf eine Seltene Erkrankung aktiv nach einer Diagnose suchen kann, entwickelt. Durch die Bereitstellung der Daten zum Gesundheitszustand kann, KI- gesteuert, das richtige medizinische Zentrum oder der richtige Facharzt gefunden werden. Die Seite wurde am „Rare Disease Day 2023“ in Betrieb genommen und wird ständig weiterentwickelt.

Selbstverständlich gab es auch einen Vortrag der Pharmaunternehmen, Torsten Bathmann vom vfa führte zu „Medizinische Biotechnologie in Deutschland: Biopharmazeutika: Wirtschaftsdaten und die Bedeutung für Menschen mit seltenen Erkrankungen“ aus. Die Forschungsarbeit der Pharmaunternehmen hat selbstverständlich wirtschaftliche Hintergründe, die hier dargestellt wurden.

Fazit: Die Forschung zur Erkennung und Behandlung von Seltenen Erkrankungen ist in vollem Gange. Die Akteure haben sich gefunden und vernetzen sich immer weiter. Es ist aber noch ein weiter Weg zurückzulegen. Der Anfang wurde gemacht. Nicht nur, aber besonders, am „Tag der Seltenen Erkrankungen – Rare Disease Day“ müssen wir darauf aufmerksam machen.

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar