Es ist Dezember 2024 und ich blicke zurück auf das Super-Super-Wahljahr (jedes neue Superwahl-Jahr muss man ein „Super-“ vorne dranhängen, um es vom vorigen Super-Wahljahr unterscheiden zu können). Tue ich natürlich nicht, es ist schließlich noch 2023, und noch gar nicht rum, aber so, habe ich gelesen, geht das in der Literatur. Man tut so, als wäre man schon in 2024 – dabei ist es noch gar nicht so weit! – und schreibt dann, über das was war, aber eigentlich noch gar nicht gewesen ist. Irre, nicht? Beenden wir also hier den literaturnobelpreisverdächtigen Einstieg und beginnen mit der als Rückschau getarnten Vorschau auf das Jahr 2024.

1. Januar. Knall weil Wagenknecht-Partei. Unnötige Aufregung allerdings. Nebst anderer Politquerulanten tritt auch die PARTEI klandestin und massenhaft in die Wagenknecht-Partei ein. Die Selbstzerlegung geht schnell. Mitte April stellt sich raus: Das Sammelbecken ist ein trüber Tümpel voller Töpel, die alle verpasst haben, für die Wahlen Listen aufzustellen oder voller, genau, Tölpel zu besetzen. Wagenknecht fängt aus Verzweiflung einen Krieg gegen die eigene Partei an. Doch die Medien schauen bereits woanders hin.

22. April. Zwei Tage nach dem 135. Geburtstag Adolf Hitlers erleidet Viktor Orbán einen schweren Herzinfarkt. Der Große Vorsitzende und Jabba-the-Hut vom Balaton findet ein ganz und gar stalineskes Ende. Sein Sekretariat war mit der Anweisung „a papagáj nagyon szép!“ versehen worden („keinesfalls stören“) und so fand niemand den sabbernden, röchelnden, hochrot angelaufenen Mittelscheitel, bevor sich seine Blutpumpe finalemang abgeschaltet hatte.

Das Land fällt ins heillose Chaos. Das Konzept der „physischen Gewalt“ wird von der ungarischen Landbevölkerung auf das tägliche Leben übertragen. Neue Kreuzritter, mit brennenden Kreuzen bewaffnet, durchreiten die Puszta auf der Hatz nach Flüchtlingsfamilien. An Ostern wird (wie früher!) zur Romajagd aufgerufen. Die Orban’schen Geister des Illiberalismus. Nun sind alle Orban.

Cover Leipziger Zeitung Nr. 117, VÖ 28.10.2023. Foto: LZ

9. Juni. Die Europawahl. Blauer Himmel über Deutschland. Die Rechten haben endlich wieder einen Erdrutsch ausgelöst. Doch nicht nur hat man katholische Karrieristen auf Europasitze gehievt, auch die Stadt- und Gemeinderäte werden von den blauen Fluten überrollt. Blöd nur: Der Scheißverein hat immer noch nicht genug intellektuell satisfaktionsfähiges Personal, um die Listen zu füllen.

Die Sachsenfraktion überdenkt erstmalig ihre Migrationspolitik. Die CDU hat jede Abgrenzung aufgegeben, teilt sich die Mehrheiten in der sächsischen Provinz, und wo noch kommunal gewählt wurde: Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der Osten ist völlig besoffen. Strunzen-hacke-zerre Blau.

1. September. Die Party geht weiter. Am 85. Geburtstag des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Deutschlands auf Polen gewinnt die Landtagswahl Sachsen wieder: Blau. Kretschmer am Boden. Nur 23 Prozent für seinen Kurs. Die Kriegsgewinnler in der CDU in love wizz AfD. Kretschi: „Nur über meine Leiche!“ Er verlangt König Kurts alte, aber polierte Walther PPK auf seinen Schreibtisch zu legen. Er wolle in den nächsten Stunden unter keinen Umständen gestört werden. Peng.

9. November. Deutschland endlich kaputt. Am 86. Geburtstag der Novemberpogrome wirft der Kanzler entnervt die Augenklappe in die Ecke. Die rot-grün-gelbe Koalition ist Geschichte. Fotzenfritz Merz wäscht gemäß seinem Schwur das erste Mal seit 20 Jahren seinen Genitalbereich am Abend NACH seiner Inauguration als Bundeskanzler. Bundesinnenminister Chrupalla fasst sich nach dem Handshake mehrfach ins Gesicht, was einen schlimmen, nässend-eitrigen Ausschlag zufolge hat.

Na, haben sie richtig Lust auf 2024 bekommen? Ich auch.
Ihr MP in spe a.D.
Tom Rodig

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