Der Schlüssel zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen (AMR) in der Humanmedizin liege in gut strukturierten, nachhaltig angelegten „Antibiotic Stewardship“ (ABS)-Programmen – als Ergänzung zur ärztlichen Verschreibungspflicht bei antiinfektiven Substanzen. Dies betont Prof. Dr. Christoph Lübbert vom Zentrum für Infektionsmedizin (ZINF) des Universitätsklinikums Leipzig (UKL) anlässlich der World Antimicrobial Awareness Week (WAAW) vom 18. bis 24. November.

Es handelt sich hier um eine globale Kampagne, die alljährlich stattfindet. Sie soll beitragen, das Bewusstsein und das Verständnis für antimikrobielle Resistenzen (AMR) zu verbessern und bewährte Strategien und Praktiken in der Öffentlichkeit bei den Akteuren und politischen Entscheidungsträgern, die eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von AMR spielen, zu fördern. Als Europäischer Antibiotikatag 2022 ist vom European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) Freitag, der 18. November, ausgerufen worden.

Aus diesem Anlass weist das Universitätsklinikum Leipzig (UKL) auf die enorme Wichtigkeit des rationalen Einsatzes von Antibiotika beziehungsweise Antiinfektiva hin. Eine am Anfang des Jahres in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlichte systematische Analyse konnte zeigen, dass 2019 schätzungsweise 4,95 Millionen Todesfälle weltweit im Zusammenhang mit AMR auftraten, darunter 1,27 Millionen, die direkt auf bakterielle AMR zurückzuführen sind.

Subsahara-Afrika mit 23,7 Todesfällen pro 100.000 Einwohner und Südasien gelten mit mehr als 20 Todesfällen pro 100.000 Einwohner als Regionen mit den meisten AMR-Problemen. In den westlichen Industrieländern liegt die Rate mit 13 Fällen je 100.000 Einwohner deutlich niedriger.

„Was es braucht, sind gut strukturierte, nachhaltig angelegte Antibiotic Stewardship (ABS)-Programme“, betont daher Prof. Lübbert, leitender Infektiologe des UKL. Darunter versteht man das nachhaltige Bemühen einer medizinischen Einrichtung oder eines Gesundheitssystems, eine Verordnungspraxis von Antiinfektiva, wie beispielsweise Antibiotika, in einem rationalen Maß sicherzustellen und zu verbessern. 

Am UKL unterstützt ein interdisziplinäres Team aus Infektiolog/-innen, Mikrobiolog/-innen und klinischen Apotheker:innen den bestmöglichen Einsatz der wertvollen Substanzen, ergänzt durch die Expertise des Teams der Krankenhaushygiene. So erklärt denn auch die Leiterin der UKL-Krankenhausapotheke Dr. Yvonne Remane: „Durch den rationalen Einsatz von Antiinfektiva werden uns auch in Zukunft wirksame Therapien zur Verfügung stehen.“

Neue Leitfaden-Auflage als Kitteltaschenbuch und App

Pünktlich zur diesjährigen WAAW erscheint die 5. Auflage des erstmals 2014 herausgegeben Antiinfektiva-Leitfadens des UKL als Kitteltaschenbuch und als PDF-Dokument für das hauseigene Intranet. Außerdem steht eine darauf basierende, anwendungsfreundlich gestaltete App zum Einsatz von Antibiotika bzw. Antiinfektiva für iOS/iPadOS und Android zur Verfügung. Diese kann in den entsprechenden „Download-Stores“ heruntergeladen werden. Die App ist von Fachmedien wie beispielsweise dem Deutschen Ärzteblatt bereits positiv bewertet worden. 

Eigene Forschungsarbeiten unter Federführung von Prof. Lübbert zeigen, dass ein mehrgliedriger Ansatz mit Kitteltaschenbuch, PC-Version und App für mobile Geräte notwendig ist, um mehr als 90 Prozent der Klinikärzt:innen zu erreichen. 

Vor allem bei junge Kolleg:innen gelinge es so, ihr Verordnungsverhalten bei empirischen Antibiotikatherapien positiv zu beeinflussen, resümiert er: „Daraus resultieren am UKL deutlich verbesserte Therapiestrategien, sinkende Verbräuche von Antiinfektiva und deutlich fallende Resistenzraten, gerade bei wichtigen Antibiotikaklassen wie Cephalosporinen und Fluorchinolonen. Hinzu kommt eine relevante Absenkung der Therapiekosten über mehrere hunderttausend Euro jährlich.“ Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in zwei größeren Arbeiten in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht worden.

Zudem engagiert sich das Leipziger Universitätsklinikum in einer klinisch-wissenschaftlichen Partnerschaft mit dem „Kiruddu National Referral Hospital“ sowie dem „Infectious Diseases Institute“ (IDI) der Makerere-Universität in Kampala (Uganda) beim Aufbau von ABS-Programmen in Subsahara-Afrika, unter anderem durch Etablierung leistungsfähiger mikrobiologischer Laborkapazitäten nach deutschem Vorbild. 

Hintergrund: 

Antimikrobielle Resistenz (AMR) tritt auf, wenn sich Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten im Laufe der Zeit verändern und nicht mehr auf Medikamente ansprechen, wodurch die Behandlung von Infektionen erschwert wird und das Risiko der Krankheitsausbreitung, schwerer Erkrankungen und des Todes steigt. Infolge von Arzneimittelresistenzen werden Antibiotika und andere antimikrobielle Medikamente unwirksam, die Behandlung von Infektionen somit immer schwieriger oder unmöglich. 

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