Die sächsischen DRK-Arbeitgeber haben die 13. Verhandlungsrunde mit ver.di ergebnislos abgebrochen – ver.di spricht von einem gefährlichen Absenken der Branchenstandards. 

Die Tarifverhandlungen zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und dem Arbeitgeberverband der sächsischen Rotkreuzverbände (Arbeitgeberverband Wohlfahrt und Gesundheitsdienste e.V.) sind auch in der 13. Verhandlungsrunde ohne Ergebnis geblieben. Obwohl mehrere verhandelbare Vorschläge auf dem Tisch lagen, brachen die DRK-Vertreter die Gespräche nach wenigen Stunden ab.

Die Gewerkschaft ver.di prüft nun die Fortsetzung und Ausweitung der Streiks und erwägt, sich vorübergehend stärker auf Haustarifverträge mit einzelnen DRK-Gliederungen zu konzentrieren – insbesondere so lange auf Landesverbandsebene der notwendige Wille fehlt und bis ver.di gemeinsam mit den DRK-Beschäftigten eine bessere Durchsetzungsfähigkeit erreicht.

„Alles wirkte wie eine Inszenierung nach einem zuvor festgelegten Drehbuch“, beschreibt Andre Urmann, der Verhandlungsführer der Gewerkschaft ver.di, die Verhandlungssituation. Zunächst habe es ein rein symbolisches Entgegenkommen gegeben, bevor die Arbeitgeber die Gespräche abrupt und mit voller Härte beendet hätten.

Die Vertreter des Deutschen Roten Kreuzes erklärten laut Urmann, die von ver.di vorgelegten Vorschläge seien wirtschaftlich nicht tragfähig – ein Argument, das auf den ersten Blick gängig wirkt, bei genauerer Betrachtung jedoch nicht trägt. Urmann kritisiert vor allem den nach wie vor erheblichen Abstand der angebotenen Entgelte und Arbeitsbedingungen zu vergleichbaren Trägern in Sachsen und Mitteldeutschland. Selbst unter Berücksichtigung der vom DRK bislang angebotenen Verbesserungen seien die Differenzen erheblich und durch nichts gerechtfertigt.  

„Das Wirtschaftlichkeitsargument nehmen wir in Tarifverhandlungen stehts sehr ernst, ein Tarifvertrag muss auch umsetzbar sein. Die DRKs missbrauchen dieses Argument jedoch als Totschlagargument. Andere Betreiber von Rettungsdiensten, Pflegeheimen, Krankenhäusern und Kindertagesstätten zeigen, dass gute Tarifverträge und wirtschaftlicher Erfolg sich nicht ausschließen. Viele dieser Einrichtungen sind mit deutlich besseren Tarifverträgen wirtschaftlich erfolgreich tätig. Wir gehen davon aus, dass sich die DRKs mit ihrer Dumpingmentalität so der unbequemen Tarifbindung mit ver.di entledigen wollten.“ vermutet Urmann. 

Entscheidend bei der Bewertung eines Angebots sei nicht allein, wie hoch die Entgeltsteigerungen ausfallen, sondern ob die Weiterentwicklung des Tarifvertrags ausreicht, um im Wettbewerb um Fachkräfte tatsächlich das notwendige Branchenniveau zu erreichen. Ein Tarifabschluss auf dem vom DRK vorgeschlagenen Niveau würde die Einkommensstandards einer ganzen Branche nach unten ziehen. Für Urmann ist das unverantwortlich und einer der Gründe für die seit einem Jahr verfahrene Situation.  

Nach Berechnungen der Gewerkschaft verdienen Erzieherinnen und Erzieher in kommunalen Einrichtungen derzeit bis zu 14 Prozent mehr als Beschäftigte in entsprechenden DRK-Einrichtungen des Arbeitgeberverbandes, obwohl gemäß sächsischem Kita-Gesetz die Kommunen den Trägern die Personalkosten bis zur Höhe des Tarifvertrags im öffentlichen Dienst (TVöD) vollständig refinanzieren.

Niklas Wuchenauer, ver.di-Gewerkschaftssekretär, der sich in der Branche besonders gut auskennt, ist überzeugt: „Eine bessere Vergütung und die geforderte Arbeitszeitreduzierung wären betriebswirtschaftlich leistbar gewesen. Damit ließe sich zugleich sinnvoll auf die derzeit sinkenden Kinderzahlen reagieren. Es geht offenbar nicht ums Nichtkönnen, sondern ums Nichtwollen. Die Beschäftigten leisten jeden Tag ausgezeichnete Arbeit und dürfen von ihren Arbeitgebern erwarten, dass auch diese ihren Job verantwortungsvoll und professionell erledigen, anstatt so zu tun, als sei branchenübliche Bezahlung eine unüberwindbare Hürde.“ 

Im Rettungsdienst gilt bundesweit der DRK-Reformtarifvertrag als Branchenreferenz. In Sachsen findet dieser Tarifvertrag mit einer Ausnahme jedoch keine Anwendung. Die sächsischen DRKs im Arbeitgeberverband sträuben sich seit Jahrzehnten dagegen, ihn einzuführen. Für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter würde dies bedeuten, trotz des jüngsten Arbeitgeberangebots weiterhin bis zu 16 Prozent weniger Jahreseinkommen zu erhalten als Kolleginnen und Kollegen in Thüringen und anderen Bundesländern. 

Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Pflege. Im Vergleich zu Tarifverträgen der Arbeiterwohlfahrt in Sachsen oder verschiedenen Haustarifverträgen anderer Pflegeanbieter liegen die angebotenen DRK-Entgelte um durchschnittlich acht Prozent darunter. Auch im Krankenhausbereich sind die Unterschiede deutlich. Für beispielsweise Therapeutinnen und Therapeuten sowie Medizinische Technologinnen und Technologen liegt das Entgeltniveau im DRK-Krankenhaus teils über zehn Prozent unter dem der meisten Krankenhäuser in Sachsen, beispielsweise in Mittweida, Chemnitz oder Zschopau. 

Dass ausgerechnet die DRK-Verbände in Sachsen Tarifstandards eher nach unten drücken, sorgt bei ver.di für Verwunderung. „Angesichts ihrer Größe und gesellschaftlichen Bedeutung erwarten wir vom DRK eine klare Vorreiterrolle bei Entgelt- und Arbeitsbedingungen. In mehreren sächsischen DRK-Verbänden haben wir bereits Haustarifverträge durchgesetzt, die diesem Anspruch gerecht werden. Der Arbeitgeberverband hingegen zeigt bislang wenig Bereitschaft, diesen Weg konsequent mitzugehen“, so Urmann.  

Wie es nun weitergehen soll, wird in den kommenden Wochen Gegenstand umfassender Beratungen mit den ver.di-Mitgliedern sein. Diese hatten in einer repräsentativen Umfrage das Arbeitgeberangebot deutlich abgelehnt.

Nach Auffassung der ver.di ist es sehr wahrscheinlich, dass die von den Arbeitgebern angebotenen jährlichen Entgelterhöhungen von drei Prozent sowie die angebotenen Anpassungen bei Zuschlägen und Zulagen auch ohne Tarifeinigung zunächst umgesetzt werden. Dies würde sicherstellen, dass zumindest die bislang von den gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten erkämpften, wenn auch noch unzureichenden, Verbesserungen, bei den Beschäftigten ankommen. Für weitergehende Schritte und eine Annäherung an das im Wettbewerb erforderliche Tarifniveau sei ein intensiver gewerkschaftlicher Einsatz weiterhin notwendig.

Ob ver.di im weiteren Verlauf zu unbefristeten Streiks aufruft oder in besonders gut organisierten DRK-Betrieben ergänzend Haustarifverhandlungen aufnimmt, bleibt vorerst offen. Entscheidend für den Gewerkschafter ist, dass die Beschäftigten fair und branchenüblich vergütet werden. Dafür wird man sich gemeinsam mit allen ver.di-Mitgliedern im DRK weiterhin mit voller Konsequenz und allen zur Verfügung stehenden Mitteln einsetzen. 

Das Kompromissangebot von ver.di an die DRK-Arbeitgeber umfasst unter anderem:  

  • Wöchentliche Arbeitszeit: Reduzierung auf 38,5h in zwei Schritten bis 1.9.2027  
  • Jahressonderzahlung: Erhöhung auf 80% in drei Schritten bis 2027  
  • Erholungszeit: Einen zusätzlichen freien Tag ab 2025  
  • Belastungsausgleich: Anpassung der Zulage für Wechsel- bzw. Schichtarbeit auf mind. 200€ bzw. 100€ mtl. ab 2026 

Die Verhandlungen zu den Tarifgehältern der nächsten zwei Jahre wurden im gegenseitigem Einvernehmen vorgezogen. Hier erwarten die Beschäftigten Verbesserungen von mind.  

  • 3% (min. 110€) ab 1. Januar 2026, weitere  
  • 2% ab 1. Juli 2026 und nochmal  
  • 3% ab 1. Januar 2027.   

Bei den Nachtzuschlägen und Funktionszulagen gab es in der Vergangenheit bereits eine Annäherung. 

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