Es ist einer dieser echten Narrenstreiche in der Leipziger Verkehrspolitik. Seit 2012 wird über den viel zu schmalen Radweg am REWE-Supermarkt diskutiert. Ein Radweg, der auf der anderen Seite der Scheffelstraße auch noch hinter einer Litfaßsäule auf die Karl-Liebknecht-Straße geführt wurde. Hier sind schon mehrere Unfälle mit Fußgängern und Radfahrern passiert. Eigentlich genug Grund, die Litfaßsäule zu entfernen.

Das ist in den vergangenen zwei Wochen auch so passiert. Im Untergrund wurden Leitungen ausgewechselt, für die Baustelle musste die Litfaßsäule entfernt werden. Fast sah es schon so aus, als würde die Stadt die Gelegenheit nutzen, die Ecke endlich etwas sicherer zu machen und das Sichthindernis nicht wieder aufzubauen.

Doch wer am Montag, 15. Juni, wieder an der Ecke vorbeikam, sah: Es hatte sich nichts geändert. Die Litfaßsäule stand wieder da. Die Situation ist so unübersichtlich wie zuvor.

2012 hatte die SPD-Fraktion schon offiziell beantragt, wenigstens das Problem mit dem zu schmalen Radweg vorm REWE-Supermarkt zu klären. Der Weg ist so schmal, dass Radfahrer immer wieder auf den stark begangenen Fußweg ausweichen müssen. Eigentlich wäre der Neubau des REWE-Marktes vor zwei Jahren eine Chance gewesen, hier auch eine Lösung zu finden. Aber auch diese Chance wurde nicht genutzt.

Mittlerweile hat sich auch die Interessengemeinschaft Connewitz schon mehrfach mit dem Thema beschäftigt, hat extra eine IG Rad- und Fußwege gegründet und zwei Vorschläge formuliert, die dem zuständigen Verkehrs- und Tiefbauamt seit November 2014 vorliegen.

Vorschlag 1 lautet: Die zwei Fahrspuren vor dem REWE werden auf eine reduziert, der Fahrradweg wird auf die jetzige rechte Fahrspur verlegt und führt damit auch jenseits der Scheffelstraße direkt weiter auf den dort existierenden Radweg. Und damit die Raserei des Kraftverkehrs, der gern mit quietschenden Reifen am Connewitzer Kreuz startet, wenn die Ampel auf Grün schaltet, gebändigt wird, wird der Straßenabschnitt zur Tempo-30-Zone gemacht. Was auch aus anderer Perspektive überfällig ist. Dazu kommen wir gleich.

Vorschlag 2 aus der IG Rad- und Fußwege lautet: Der bereits existierende (aber viel zu schmale) Radfahrsteifen auf dem Fußweg wird besser gekennzeichnet. Und es wird geprüft, ob Bäume versetzt und die Baumschutzbügel weniger verkehrsraumeinschränkend angebracht werden könnten. Das aber würde das Problem auf der Nordseite der Scheffelstraße nicht lösen, wo der Radstreifen ebenfalls über den Fußweg geführt wird, aber hinter der Litfaßsäule auf die Straße abbiegt und dort auf den Radstreifen auf Straßenniveau geführt wird.

Das ist die eigentlich brisante Stelle – aus mehreren Perspektiven unübersichtlich. Aus Autofahrerperspektive, denn die Wagenlenker sehen nicht, wer oder was hinter der Litfaßsäule hervorkommt – ob Radfahrer, die aufs Straßenniveau herunterkommen, ob Fußgänger, die an dieser Stelle zur Haltestelleninsel wechseln wollen. Besondere Verschärfung: Die Straßenbahn fährt parallel mit dem Kfz-Verkehr in die Haltestelle ein, der gleichzeitig Grün bekommen hat.

Verschärfung für die Radfahrer: Gerade Autofahrer, die für einen Kurzbesuch in der Sparkasse, im Schnellimbiss oder beim Bäcker “mal kurz rechts ran” fahren wollen, müssen dafür über den einbiegenden Radfahrstreifen. Sie überkreuzen sich also mit den Radfahrern, die für sie direkt aus dem toten Winkel kommen.

Zusätzlich dient dieser Übergang nicht nur Nutzern der Straßenbahn, sondern auch als Querung der gesamten Karl-Liebknecht-Straße durch Fußgänger und Radfahrer. Beim Bau der Haltestelleninsel im vergangenen Jahrhundert haben Leipzigs Planer hier auf alles Mögliche geachtet, nur nicht auf sichere und vor allem sinnvolle Querungen.

Was übrigens auf der Westseite des Übergangs seine Entsprechung findet: Auch dort behindert eine Litfaßsäule genau an der Stelle die Sicht der Autofahrer, an der Fußgänger und Radfahrer über die Straße müssen.

Zwei Wochen lang war die Stelle an der Scheffelstraße nun gut überschaubar. Als das Pflaster geschlossen war, sah es fast so aus, als hätten Leipzigs Verkehrsplaner einmal gehandelt, ohne dass es wieder Winter werden muss. Haben sie aber nicht. Am Montag stand die störende Litfaßsäule wieder an der alten Stelle und der Schnittpunkt der Wege war so uneinsehbar wie zuvor. Und beim Radweg vorm REWE ist auch nichts geklärt. Die Schnecke von der Rathausklinke lässt grüßen. Wenn sie nicht schon unter die Räder gekommen ist.

Der SPD-Antrag von 2012

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(Gibt noch mehr Beispiele von Stadtmöbeln, die “strategisch” aufgestellt wurden. Z.B. die Kombination von Sitzbank&Milchtopf auf der nordöstlichen Ecke der Südhälfte vom Augustusplatz.)

Wenn herausgekommen wäre, dass im Verkehrsamt nur Narren säßen, hätte mich das nicht zu sehr gewundert. (Man beachte den Irrealis.)

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