Entweder sitzt am anderen Ende ein Sachbearbeiter am Hebel, der immer wieder versucht, die alten Ideen zur Zukunft des agra-Parks in immer neuem Aufguss an die Stadträte zu verkaufen, oder das Thema agra-Park ist eigentlich ein Test, der heimlich im Pongoland des Zoos durchgeführt wird. Auch der dritte Versuch der Leipziger Stadtverwaltung, den Stadträten ihre alten Ideen unterzujubeln, ist gescheitert.

Erst im Frühjahr hatte die Verwaltung ihre nunmehr dritte Konzeption für das alte Ausstellungsgelände in Dölitz vorgelegt, eine Vorlage, die diesmal wohl gar nicht erst zur Abstimmung kommt, denn zwei Stadtratsfraktionen haben mittlerweile eigene Anträge gestellt – die Grünen- und die Linken-Fraktion. Beide fordern vor allem, die aktuellen Nutzungen des Park-Geländes vor allem durch das Wave Gotik Treffen und diverse Aussteller zu respektieren und nicht über eine wilde Ausquartierung nachzudenken. Und sie fordern eine stärkere Berücksichtigung der Übergänge in den Park und in die Seenlandschaft im Süden. Denn zweifelsfrei steht fest: Das Gelände hat gewaltiges Potenzial.

Aber eben nicht schon wieder für die altbackenen Ideen von Eigenheimsiedlung bis Hotel. Wenn Leipzig sein ganzes Gerede über Tourismuskonzepte wirklich ernst nehmen wollte, wäre hier die echte Gelegenheit, Zeltplatz und Caravanstellplatz dauerhaft zu etablieren.

Aber insbesondere die Linksfraktion verwahrte sich gegen die auch in der dritten Vorlage fast unverschämt wieder als normal eingefügte Absicht, den größeren Teil des Geländes zu privatisieren und damit wieder einmal alle Chancen für eine abgestimmte öffentliche Nutzung zu zerstören.

Sie beantragte deshalb auch, das Gelände solle “langfristig als Veranstaltungs- und Campinggelände erhalten werden und im städtischen Eigentum verbleiben”.

Der Stadtbezirksbeirat Süd hat übrigens drei Antragspunkten der Linksfraktion zugestimmt, dem vierten nicht. Der lautet: “Bis zum Vorliegen der Konzeptplanung werden die gegenwärtig genutzten Hallen instandgehalten. Nach Entscheidung zum Strategie- und Nutzungskonzept werden grundlegende bautechnische Maßnahmen zur Sanierung und zur baulichen, darunter auch der brandschutztechnischen, Ertüchtigung eingeleitet.”

Es sieht derzeit so aus, dass der Antrag der Linken zur Grundlage eines Stadtratsbeschlusses werden wird – aber in veränderter Form. Denn der Kritik aus den Fachausschüssen und dem Stadtbezirksbeirat muss ja Rechnung getragen werden.

Zu zwei Punkten aus dem Linke-Antrag hat jetzt die CDU-Fraktion Änderungsvorschläge eingereicht. Den Antragspunkt 3, der ursprünglich eine Beauftragung der stadteigenen LEVG mit der Entwicklung des Geländes vorsah, möchte die CDU-Fraktion jetzt so gefasst haben: “Die Stadt prüft eine geeignete Organisationsform zur Umsetzung des Strategie- und Nutzungskonzeptes und der künftigen Entwicklung des städtischen Areals.”

Und den auch vom Stadtbezirksbeirat abgelehnten Punkt 4 möchte die CDU-Fraktion jetzt so formuliert wissen: “Zu dem Konzept sind eine Bestandsaufnahme der Gebäude sowie eine Konzeption der zu revitalisierenden Gebäude und der nicht erhaltungswürdigen Bestände vorzulegen. Die Erschließung und nötige Sanierungen sind in die Betrachtung einzubeziehen. Eine Aufstellung der Kostenschätzung ist beizufügen.”

Womit dann auch erstmalig das in die Diskussion kommt, was bislang gründlich fehlt: Was würde eigentlich die Sanierung und Instandhaltung der alten Ausstellungshallen kosten? Wäre nicht gar ein Neubau preiswerter? Oder ein Teilabriss mit Konzentration auf die wichtigsten Teile?

Denn erst wenn alle wissen, wie teuer die Alternativen sind, kann ja auch fundiert diskutiert werden.

Und die CDU-Fraktion möchte einen Punkt verankert wissen, den Grüne und Linke bisher nur angetippt haben, weil sie das vielleicht sogar als logische Folge von “Planungen, Gestaltungs- und Erhaltungsmaßnahmen der Grünbereiche in Zusammenarbeit mit der Stadt Markkleeberg, die der Erholung und der Freizeit dienen”, gesehen haben: dass endlich von der Dölitzer Straße aus ein ständig offener Zugang ins agra-Parkgelände geschaffen wird.

Das formuliert die CDU-Fraktion nun als neuen Beschlusspunkt 5: “Die durchgehende Zugänglichkeit der AGRA vom Park zum Messegelände und umgekehrt muss gewährleistet werden.”

Die Begründung der CDU-Fraktion für ihre Änderungswünsche: “Momentan können keine seriösen Aussagen über den Finanzbedarf der kurz-, mittel- und langfristigen Entwicklung des AGRA-Geländes gemacht werden.

Um möglichen Investoren, aber auch der Stadt mehr Klarheit über die Bedarfe und Möglichkeiten zu schaffen, ist ein Konzept zu erstellen. Darin sind die Sanierungsbedarfe an Gebäuden und Infrastruktur zu erfassen. Als methodisches Vorbild können die IGA oder EGA (Erfurter Gartenbau-Ausstellung) dienen. Die dortigen Konzepte wurden sehr gut umgesetzt.

Die Zugänglichkeit des Markkleeberger Teils zum Leipziger Teil des AGRA-Geländes ist nur durch eine Brücke möglich. Diese ist jedoch sehr häufig durch ein Tor verschlossen. Die Stadt Leipzig soll zusammen mit der Stadt Markkleeberg die Zugänglichkeit beider Areale dauerhaft sicherstellen.”

Man könnte auch schreiben: Macht den Park endlich auch von Osten öffentlich zugänglich! Eine Devise für das ganze Projekt, bei dem sich die großen Fraktionen im Stadtrat mittlerweile recht einig sind.

Der ursprüngliche Antrag der Linksfraktion

“Beschluss:

Unter breiter Einbeziehung der Bürgerschaft, der Organisatoren des Wave-Gotik-Treffens, von Ausstellern und Messeveranstaltern, mit Umweltverbänden sowie Stadtratsgremien  wird dezernatsübergreifend in enger Abstimmung mit der Stadt Markkleeberg ein Strategie- und Nutzungskonzept zur Entwicklung des agra-Areals unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Planung und Umsetzung in den Grünräumen erarbeitet und im 2. Quartal 2016 vorgelegt.

Die Stadt bekennt sich zum langfristigen Erhalt des Wave-Gotik-Treffens in Leipzig und zur Durchführung weiterer Kulturveranstaltungen und Verkaufsmessen auf den etablierten Standorten auf dem agra-Gelände. Die Stadt prüft die Beauftragung der Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft (LEVG) zur Umsetzung der Entwicklung des städtischen Areals. Bis zum Vorliegen der Konzeptplanung werden die gegenwärtig genutzten Hallen instandgehalten. Nach Entscheidung zum Strategie- und Nutzungskonzept werden grundlegende bautechnische Maßnahmen zur Sanierung und zur baulichen, darunter auch der brandschutztechnischen, Ertüchtigung eingeleitet.

Sachverhalt:

In den zurückliegenden Jahren wurden wiederholt Anläufe zur Erarbeitung von Konzeptionen und ein Bebauungsplanverfahren mit dem Ziel der Umwidmung der agra als Wohngebiet gestartet, zuletzt durch die Informationsvorlage DS 00933. Es wurden Zukunftsforen organisiert. Nachhaltig waren bisher nur Planungen, Gestaltungs- und Erhaltungsmaßnahmen der Grünbereiche in Zusammenarbeit mit der Stadt Markkleeberg, die der Erholung und der Freizeit dienen. Die bisherigen Strategien, wie die eines schleichenden Umbaus des Veranstaltungsgeländes agra zu einem Wohngebiet, bedeuten vor allem für das Wave-Gotik-Treffen, aber auch für andere Veranstaltungen einen Tod auf Raten. Statt dessen bedarf es eines klaren Bekenntnisses der Stadt zum langfristigen Erhalt des Wave-Gotik-Treffens auf den etablierten Standorten, darunter auch  auf der agra, um ein Abwandern in eine andere Stadt zu verhindern und langfristig Sicherheit zu bieten. Gleiches trifft auch auf weitere traditionelle Veranstaltungen und Verkaufsausstellungen zu.  Deshalb muss das agra-Gelände langfristig als Veranstaltungs- und Campinggelände erhalten werden und im städtischen Eigentum verbleiben.

Erinnert sei daran, dass die Entscheidung zur Neuen Messe im Norden mit Schließung der Innenstadtmesse sowie des Messestandortes Alte Messe auch an die Bedingung geknüpft war, das agra-Gelände als Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche zu erhalten. Zu prüfen ist weiterhin, ob das agra-Areal in Analogie zur Alten Messe zum Stichtag Betriebsgelände war oder noch ist, als vom Gesetzgeber Anfang der 1990-er Jahre alle öffentlich gewidmeten Verkehrsflächen der jeweiligen ostdeutschen Kommune automatisch zugeordnet wurden. Untersucht werden muss auch, in welchem Umfang und in welchen Zeiträumen  die verkehrs- und stadttechnische Infrastruktur baulich erneuert und entwickelt werden muss. Außerdem ist zu prüfen, ob die mittel- oder langfristig zu erhaltenden Ausstellungshallen die heutigen Bauvorschriften erfüllen und in welchem Umfang Sanierungs- und baulich ergänzende Maßnahmen umzusetzen sind. Die stadteigene LEVG hat in den zurückliegenden 20 Jahren mit der Alten Messe das entsprechende und dafür notwendige know how entwickelt.”

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