Warum tut sich Leipzigs Verwaltung eigentlich so schwer, die Fehler rund um das gescheiterte Projekt Freiheits- und Einheitsdenkmal zu korrigieren? Hat sie zu viele Versprechungen gemacht, als 2010 und 2011 die neuen Gestaltungsvarianten für die Brache Markthallenviertel/Wilhelm-Leuschner-Platz aufgesetzt wurden? Oder setzt sich hier die Großbebauungs-Politik aus der City fort, ohne Rücksicht auf das Stadtquartier?

Der Streit in der Leipziger Stadtgesellschaft hält seit 2010 an, seit die Verwaltung ihre Vision für den Wilhelm-Leuschner-Platz vorgelegt hat, den sie mit aller Macht zum “Platz der Friedlichen Revolution” machen wollte und den sie unbedingt als riesiges Freiheits- und Einheits-Denkmal gestalten wollte.

Entsprechend stark war auch die Einflussnahme auf die Workshops 2010, aus denen dann der bis heute maßgebliche Entwurf des Architektengespanns Pelcak/Wolf stammt, den ursprünglichen Königsplatz, der 1945 in Wilhelm-Leuschner-Platz umbenannt wurde, regelrecht aufzureißen und in seiner Ausdehnung fast zu verdoppeln.

Das sichtbarste Ergebnis war dann das Scheitern des Wettbewerbs, der eine so unstrukturierte Platzfläche einfach nicht sinnvoll mit einem Denkmal bestücken konnte. Am Ende wären die älteren Leipziger schon froh gewesen, wenn hier einfach nur Apfelbäume gepflanzt worden wären. Aber gerade das machte ja deutlich, wie sehr hier die “Visionen” der Verwaltung gescheitert waren und wie kräftig man tatsächlich gegen die ganz normalen Grundsätze von Stadtgestaltung verstoßen hatte: Unstrukturierte Räume lassen sich nicht sinnfällig gestalten.

Erst recht nicht in einer Stadt, die längst schon jeden verfügbaren Quadratmeter braucht, um drängende soziale Aufgaben zu lösen – vom Schulbau bis zum sozialen Wohnungsbau. Und seit 1991 steht rund um die ehemalige Markthallenstraße die drängende Aufgabe, hier ein altes Stadtquartier wieder sinnvoll mit Leben zu erfüllen. Damals waren alle Beteiligten einverstanden, die ursprünglichen Quartiersgrundrisse wieder zur Planungsgrundlage zu machen. Die sind noch heute zu sehen. Es könnte eigentlich sofort losgebaut werden, wenn denn nicht Leipzigs Verwaltung mit aller Macht versuchen würde, die alten Konturen umzudefinieren.

Der Entwurf zeigt einen klar strukturierten Wilhelm-Leuschner-Platz und ein kompaktes Quartier City-Süd / Markthallenviertel. Grafik: Initiative Leipziger Architekten
Der Entwurf zeigt einen klar strukturierten Wilhelm-Leuschner-Platz und ein kompaktes Quartier City-Süd / Markthallenviertel. Grafik: Initiative Leipziger Architekten

Sehr zum Ärgernis der Leipziger Architekten, die gerade erst ihre Forderung öffentlich gemacht haben, die Konturen des alten Königsplatzes wieder herzustellen.

Jetzt gehen sie auch auf den anderen Teil der Riesenbrache ein. Und sie wiederholen, was sie seit 2010 immer wieder sagen: Erst ein fast komplett wieder bebautes Markthallenviertel gibt diesem Stadtraum die nötige Dichte und Entwicklungsperspektive.

Und so fordert die Initiative Leipziger Architekten vor der Abstimmung über neue Leitlinien für den Wilhelm-Leuschner-Platz im Stadtrat am 16. Dezember eine qualifizierte Weiterentwicklung des überholten, von der Verwaltung jedoch weiterhin favorisierten Bebauungsplanentwurfs und stellt eine eigene Beispielplanung für das Areal vor.

“Im Gegensatz zu dem 2010 entstandenen Entwurf für den Bebauungsplan 392, der mit Blick auf das seinerzeit geplante Freiheitsdenkmal eine konturlose und überdimensionierte Platzfläche vorsieht, schlägt die Initiative Leipziger Architekten ein lebendiges Stadtviertel (City Süd) als Bindeglied zwischen Innenstadt und Südvorstadt vor”, heißt es in einer Mitteilung der verschiedenen beteiligten Architektenverbände.

Und sie betonen auch, dass der verfügbare Bauraum westlich der Markthallenstraße genutzt werden muss, wenn dieser Riesenraum überhaupt sinnvolle Raumkanten bekommen soll. Anstelle von drei Blöcken sollen sich vier eigenständige Quartiere – von denen eines die neue Markthalle aufnimmt – um einen Binnenplatz gruppieren und abwechslungsreiche Straßen- und Platzräume schaffen. Und der Südausgang der S-Bahn-Station wird mit aufgenommen in den vierten Baublock, der dann gleich noch dem Wilhelm-Leuschner-Platz eine klare Raumkante gibt.

Das Konzept der Initiative sieht auf diese Weise vor, den Wilhelm-Leuschner-Platz in der Kontur des alten Königsplatzes herzustellen und mit der axialen Freistellung der Stadtbibliothek als Leitbau den Platz veranstaltungsfreundlich neu zu gestalten.

“Wir sehen uns auch angesichts der städtebaulichen Fehler beim Wiederaufbau in vielen deutschen Städten bei der Bebauung der Kriegsbrache in der Pflicht, den ererbten Stadtraum zu achten. Leipzig hat jetzt die einmalige Gelegenheit, ein innerstädtisches Viertel komplett zu gestalten und zugleich einen der markantesten Plätze am Promenadenring wiederzugewinnen. Diese Chance sollten wir nicht vertun!”, stellen die verschiedenen Initiativen und Verbände fest.

Abgesehen von klaren städtebaulichen Vorteilen sprechen auch starke ökonomische Gründe für den Vorschlag der Architekten-Initiative: Neben höheren Erlösen aus Grundstücksverkäufen werden Herstellungs- und Unterhaltskosten für Freiflächen vermieden, durch die bessere Ausnutzung dauerhaft höhere Steueraufkommen generiert und bereits erschlossene Bauflächen sinnvoll genutzt.

Die Initiative Leipziger Architekten besteht aus Mitgliedern des Bundes Deutscher Architekten (BDA), des Bundes Deutscher Baumeister (BDB), der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL), des Stadtforums Leipzig für behutsamen Stadtumbau sowie von PRO LEIPZIG. Damit stellen sich Mitglieder aller maßgeblichen Leipziger Fachverbände gegen die Absicht der Stadtverwaltung, an dem überholten Bebauungsplanentwurf von 2010 festzuhalten.

Die beigefügte Alternativplanung wurde von den Beteiligten der Initiative ehrenamtlich erarbeitet und allen Leipziger Stadtratsfraktionen zugesandt.

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Es gibt 2 Kommentare

Politischer Wille und Führung gibts nicht von Herrn Jung.

Ich bin mir sicher, dass längst alles “entschieden” ist.
Ich gehe weiterhin davon aus, dass Korruption im Spiel ist, und zwar nicht zu wenig.

Die Leipziger dürfen nur noch abwarten, welche Investoren der OBM und seine Stadtverwaltung dann präsentieren.

Der Stadtrat, die eigentliche Stadtregierung, hat sich aus seiner Kontrollfunktion völlig verabschiedet.

So schön die Ideen dieser Architektengruppe sind: Daraus wird nichts.

Es geht nur um Kohle.

Zu klar, zu eindeutig, zu einfach, um die Verwaltung aus ihrer selbstgebauten Falle heraus zu locken. Nur fachlich richtige Argumente bewirken hier gar nichts. Politischer Willen und Führung ist hier gefragt Herr Jung!!!!

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