Nach dem NuKla e. V. hat sich nun auch der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e. V. (AHA) zu Schlobachs Hof zu Wort gemeldet. Der Hof - bis zum Hochwasser 2011 als Reiterhof und Gasthof genutzt - soll versteigert werden. Rund 1 Million Euro könnte das bringen. Der Ökolöwe hatte an die Stadt appelliert, die Gelegenheit zu nutzen, ein Stück Naturschutzgebiet wieder in ihre Hand zu bekommen.

Denn als der Sägewerkbesitzer Schlobach das Gebäudeensemble 1913 baute, setzte er es in ein uraltes Überschwemmungsgebiet von Elster und Luppe. Das Grundstück, auf dem bis dahin auch noch Auenwald wuchs, hatte er preiswert bekommen. Über Naturschutz aber machte man sich damals augenscheinlich wenig Gedanken. Doch das Thema holte den Hof ein, als er im Winterhochwasser 2011 nach Öffnung des Nahle-Auslass-Werks geschwemmt wurde. Und dasselbe passierte auch wieder beim Juni-Hochwasser 2013, was den Plänen der Betreiberfamilie Stanuschewski, den Hof wieder in Gang zu bringen, endgültig den Garaus machte.

Inwiefern überhaupt künftig eine landwirtschaftliche Nutzung des Geländes möglich ist, ist völlig offen. Denn dass das Gelände bei Hochwassern geflutet wird, gehört zum sicheren Risiko. Der NuKla e. V. hat deshalb angeregt, das Gelände zu erwerben und eine Naturschutzstation draus zu machen.

Und im AHA e. V. findet er dabei fachliche Unterstützung. Immerhin befindet sich Schlobachs Hof direkt an der Burgaue, einem zentralen Teil des aktuellen Wieder-Vernässungs-Projekts „Lebendige Luppe“. Ein aufwendiges Projekt, das natürlich wesentlich mehr Wirkung für den Auenwald entfalten würde, wenn wichtige Störelemente aus der Aue einfach entfernt oder anders genutzt werden.

Bei der Versteigerung von Schlobachs Hof geht man von einem Verkehrswert von ca. 1 Million Euro aus. Das insgesamt ca. 13,64 ha große Grundstück teilt sich in drei Teilgrundstücke auf, wovon ca. 13,19 ha landwirtschaftlicher Nutzung unterliegen und mit verschiedenen Gebäuden bebaut sind, auf ca. 0,45 ha befindet sich Wald. Nicht zu vergessen ist dabei auch der Bestand von vier Streuobstwiesen, die sich weitgehend in einem guten Zustand befinden.

Das Gesamtgebiet ist Bestandteil der Elster-Luppe-Aue, gehört zum ca. 3.800 ha großen Landschaftsschutzgebiet „Leipziger Auwald“ sowie zum Europäischen Vogelschutzgebiet „Leipziger Auwald“, ist Teil des Flora-Fauna-Habitat-Gebietes „Leipziger Auensystem“ und grenzt mit dem Verlauf der Luppe im Nordwesten an die Stadt Schkeuditz. Viel zentraler kann man mit so einem Objekt in der Leipziger Naturschutzlandschaft gar nicht liegen.

Nördlich und nordöstlich schließt sich das insgesamt 589 ha große Naturschutzgebiet „Luppeaue“ an, wovon der Teil im Stadtgebiet von Leipzig ca. 32 ha umfasst. Ferner folgt in östlicher Richtung das zweiteilige, 270 ha große Naturschutzgebiet „Burgaue“. In südöstlicher Richtung ist zudem als bedeutsames Schutzgebiet das Flächennaturdenkmal „Gundorfer Lache“ zu nennen.

„Die letzten Hochwasser in den Jahren 2011 und 2013 haben das Gesamtgebiet nachhaltig beeinflusst und verdeutlicht, dass ein anderer Umgang mit Hochwasser dringend erforderlich ist“, erklärt dazu Andreas Liste vom AHA. „Dazu zählen Deichrückverlegungen, um so Altauen dem Flusssystem von Weißer Elster und Luppe wieder zur Verfügung zu stellen. Somit bestehen wieder die dringenden Möglichkeiten, alle Natur- und Landschaftsbestandteile der Aue der gesamten Wasserdynamik des Fluss- und Grundwassersystems wieder anzuschließen.“

Denn tatsächlich ist der größte Teil der Aue seit Jahrzehnten vom Wasser abgeschnitten: Von den 4.563 Hektar Leipziger Auenfläche sind 3.934 Hektar Altaue, also ursprüngliche Aue, die seit den großen Deichbauten der 1920er-Jahre aber „hinterm Deich“ liegen, von Elster und Luppe also abgeschnitten sind. Nur 524 Hektar sind rezente Aue und 105 Hektar Flussfläche.

Prozentual bedeutet dies, dass 86,22 Prozent zwar morphologisch (vom Erscheinungsbild her) Aue sind, aber in der Regel durch Deiche abgetrennt und keine Überflutung mehr erfahren, sich also langsam aber sicher in eine Trockenlandschaft mit der entsprechend veränderten Flora verwandeln.

Nur 13,78 Prozent der Aue stehen einer Überflutung zur Verfügung. Was eben auch heißt, dass der Platz für die Ausbreitung von Hochwassern fehlt – die stauen sich zwischen den Deichen zu immer höheren Hochwasserscheiteln an – mit entsprechender Gefahr für verschiedene Siedlungsteile. 2011 und 2013 hat die Talsperrenverwaltung damit reagiert, dass das Nahleauslasswerk kurzfristig geöffnet wurde und die Fluten direkt in die Burgaue rauschen konnten. Mit erheblicher Gewalt übrigens, was bei natürlichen Hochwassern nicht so ist.

„Alle diese Gesichtspunkte gilt es bei der Planung und Gestaltung der Zukunft des Schlobachshofs zu berücksichtigen“, merkt Liste an. „Nunmehr liegen zum einen die Forderung des Umweltbundes Ökolöwe Leipzig e. V. auf dem Tisch, dass die Stadt Leipzig die Fläche erwirbt, alle Bauten beräumt und somit eine sukzessive Entwicklung der Aue, einhergehend mit einer Ausweitung des Hochwasserraumes ermöglicht. Diese Variante findet offenbar Zustimmung bei der Stadt Leipzig. Zum anderen hat der Naturschutz und Kunst Auwald Leipzig e. V. (NuKLA) das Interesse, die Fläche zu erwerben, um eine Stätte nachhaltiger Umweltbildung in der Elster-Luppe-Aue zu schaffen, um den Menschen Natur und Landschaft als notwendigen Lebens- und Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen nahezubringen sowie als Ort der sanften Erholung zu nutzen.“

Nach seiner Auffassung und damit des AHA bedürfe es jetzt einer umfassenden wissenschaftlichen Nutzungs-, Schutz-, Entwicklungs- und Finanzierungskonzeption für Schlobachs Hof.

Die vom NuKla vorgeschlagene Flächenübernahme findet er richtig: Sie garantiere eine vielseitige, gemeinnützige Berücksichtigung der Interessen von Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutz sowie der Umweltbildung und eines sanften Tourismus.

Doch wenn man für das Gelände keine landwirtschaftliche Nutzung vorsieht, ist natürlich der für die Versteigerung des Hofes angesetzte Wert viel zu hoch.

Ein Verkehrswert im Umfang von 1 Million Euro ist aus Sicht des AHA überzogen. Liste plädiert deshalb für eine Übergabe im Umfang des symbolischen 1 Euro.

„Insbesondere auch aus dem Blickwinkel umfassender Sanierungs- und Entwicklungskosten betrachtet, erscheint dieser Betrag für angemessen“, sagt er. „Der AHA ist jedenfalls bereit, im Rahmen seiner ehrenamtlichen Möglichkeiten an der Erstellung einer umfassenden wissenschaftlichen Nutzungs-, Schutz-, Entwicklungs- und Finanzierungskonzeption für Leipzigs Schlobachs Hof sowie insgesamt an der Prüfung und Erarbeitung einer aktuellen und nachhaltigen Auenschutz-, Hoch- und Grundwasserkonzeption für die gesamte Aue in der Stadt Leipzig mitzuwirken. Darüber hinaus ruft der AHA zur aktiven Mitwirkung interessierter Bürgerinnen und Bürger in den Städten Leipzig, Markkleeberg und Schkeuditz auf, sich mit einzubringen.“

Und natürlich steht die Frage in der für am 12. Mai anberaumten Versteigerung: Wer wird überhaupt 1 Million Euro aufbringen für ein Grundstück, das nun einmal eindeutig im Überschwemmungsgebiet liegt? Langfristige kommerzielle Nutzungen sind nicht wirklich kalkulierbar – auch nicht mit einem wie auch immer strukturierten Landwirtschaftsbetrieb. Der Betrieb als Pferdehof kam den Möglichkeiten des Geländes schon am weitesten entgegen.

Der NuKla e.V. jedenfalls will versuchen, jetzt Gelder zu sammeln, um den Hof eventuell doch für den Naturschutz zu sichern.

„Nach dem Rückbau der zum Teil illegal errichteten Gebäude würde diese devastierte Fläche wieder in jene artenreichen Lebensräume umgewandelt werden, die für unsere Auwälder typisch sind. Alle Beteiligten könnten damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Biodiversität leisten – und das inmitten einer Großstadt. Das Gelände würde eine Oase für geschützte und bedrohte Arten werden, mit einer sanften Naherholungs- und Bildungsnutzung für die Leipziger Bürgerinnen und Bürger und deren Gästen“, kündigt der Verein seine Pläne an, wenn er hier die Chance bekäme, seine Vorstellungen von Auenwaldschutz umzusetzen. „Hierzu benötigt der Verein Mittel in Höhe von mindestens 1.100.000 Euro.  Wir rufen daher alle Leipzigerinnen und Leipziger auf, Geld auf ein extra dafür eingerichtetes Treuhandkonto zu überweisen: Wenn alle Leipzigerinnen und Leipziger nur 2 Euro oder alle, die über ein Einkommen verfügen, nur 10 Euro spenden würden, käme diese Summe zusammen!“

Der Spendenaufruf des NuKla e. V.

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