Bis es einen neuen Bebauungsplan für das Ostufer des Kulkwitzer Sees gibt, wird der See wohl noch ein weiteres Mal zum Lieblingssee der Sachsen gekürt. Denn wie schon in den Vorjahren war der Kulki 2016 in der Abstimmung zum Lieblingssee erfolgreich, wurde die klare Nummer 1 in Sachsen – aber diesmal nicht vor dem Cospudener See, sondern vor dem Störmthaler. Dahinter landete dann mit dem Berzdorfer See ein See aus der Lausitz.

Im bundesweiten Voting landete der Kulkwitzer See noch auf einem achtbaren 9. Platz hinter der Müritz und vor dem Mondsee in Sachsen-Anhalt. Natürlich hängen solche Votings immer davon ab, wie stark Initiativgruppen vor Ort für die Teilnahme an dieser Online-Abstimmung Werbung machen. Und die Anhängerschaft des Kulkwitzer Sees kämpft schon seit Jahren emsig, ihren See bei der Abstimmung immer ganz weit nach vorn zu bringen. So eine Fan-Gruppierung hat der Cospudener See nicht.

Aber dass es diese Anhänger des ältesten Leipziger Bergbaufolgesees gibt, hat auch die Leipziger Politik schon verändert. 2009 hatte Leipzigs Verwaltung mit einer sehr gedankenlosen Vorlage zu einem neuen Bebauungsplan am Ostufer versucht, Nägel mit Köpfen zu machen, weite Uferbereiche zu privatisieren und vor allem auch geschützte Geländestücke für neue touristische Angebote zu verbauen.

Das klingt zeitlich weit weg. Aber es war ein unübersehbares Teilstück im verwaltungsseitigen Versuch, Leipzigs Gewässer zunehmend einem „wassertouristischen“ Vermarktungskonzept zu unterwerfen – damals schon spürbar gegen die eigentlichen Wünsche der Leipziger. Das wurde auch durch jüngere Befragungen zum Neuseenland und – wie in der „Bürgerumfrage 2015“ – zu den Leipziger Gewässern im Speziellen deutlich, dass die meisten Leipziger sich vor der Haustür keinen nervigen Wassertourismus wünschen, sondern eine Gewässerwelt, die wirklich Ruhe und Raum zur Erholung bietet, wo die sanften Nutzungen überwiegen und auch die jahrzehntelang geschundene Natur wieder Raum bekommt.

Und das führte 2009 dazu, dass nach heftigen Protesten aus Grünau der vorgelegte Bebauungsplan kassiert werden musste und für einen nächsten Entwurf wenigstens ansatzweise eine ordentliche Bürgerbeteiligung organisiert werden musste. Die hat inzwischen auch stattgefunden, auch wenn die Bürger, die sich beteiligt haben, noch nicht wissen, inwieweit die Verwaltung bereit ist, auf ihre Änderungswünsche einzugehen.

Im Juli hat die Stadträtin der Linken, Dr. Ilse Lauter, angefragt, wo denn der lang versprochene neue Bebauungsplan bleibe. Denn wenn den keiner kennt, kann sich auch der Stadtrat keine Meinung bilden.

Das Dezernat Planung und Bau hat jetzt versucht, zu erklären, warum das Projekt noch in der Verwaltung festhängt.

„Die Gründe für die Verzögerung lagen in einer erforderlichen ergänzenden artenschutzrechtlichen Begutachtung von Teilgebieten, der Planung und vertraglichen Sicherung erforderlicher CEF-Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der im Gebiet vorkommenden geschützten Arten sowie in der Aufarbeitung der sehr umfangreich eingegangenen Stellungnahmen während der verschiedenen durchgeführten Beteiligungsverfahren“, packt das Dezernat die Erklärung in einen langen Satz. Was schon auffällt, denn damit gesteht die Stadtverwaltung auch ein, dass sie vorher die artenschutzrechtlichen Untersuchungen nicht wirklich gründlich vorgenommen hat.

Da kam wieder das Experten-Deutsch durch. Was sind CEF-Maßnahmen? Wikipedia übersetzt das so: „continuous ecological functionality-measures, Übersetzung etwa Maßnahmen zur dauerhaften Sicherung der ökologischen Funktion“.

Andererseits geht man davon aus, dass sich keine weiteren geschützten Arten in das Gebiet verirrt haben: „Diese Möglichkeit wird als sehr gering eingeschätzt. Das Naherholungsgebiet Kulkwitzer See hat eine hohe Nutzungsdichte und Besucherfrequenz. Es handelt sich weitestgehend um öffentlich zugängliche Grünflächen und Sondergebiete (z.B. Campingplatz, Ferienhäuser sowie sonstige touristische Infrastrukturen), die in ihrer jetzigen Ausprägung schon seit Jahrzehnten existent sind. Die zur Entwicklung anstehenden Sondergebiete wurden 2015 erneut begutachtet.“

Aber da man nicht davon ausgeht, „dass sich weitere geschützte Arten angesiedelt haben, ist eine erneute Prüfung im Planverfahren nicht erforderlich.“

Aber wenn eine Verwaltung schon unter so viel Arbeit stöhnt, wird man so schnell nicht mit einer Vorlage rechnen können. Wann kommt die also?

„Die abschließende Bearbeitung der Vorlage zum Satzungsbeschluss einschließlich des umfangreichen Abwägungsvorschlags zu den eingegangenen Stellungnahmen erfolgt durch das Stadtplanungsamt in 2016. Der B-Plan soll dann der Ratsversammlung im 1. Halbjahr 2017 zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch auch, dass bis dahin zwischen der Stadt und dem privaten Entwickler sowie zwischen der Stadt und dem Zweckverband die notwendigen Verträge zur Sicherung der Umsetzung der im B-Plan festgesetzten Kompensations- und CEF-Maßnahmen abgeschlossen werden.“

Was zumindest seltsam klingt: Man weiß also schon, welche Kompensations- und CEF-Flächen zu sichern sind, will die aber schon vor dem Stadtratsbeschluss zum Bebauungsplan extra mit Verträgen sichern. Normalerweise ist ja der B-Plan dafür da, solche Flächen zu definieren und zu sichern.

Das sieht nicht wirklich nach einem transparenten Verfahren am Kulkwitzer See aus.

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Einen ersten Kommentar zur Vorlage gibt es schon von der SPD-Ortsgruppe Grünau:

B-Plan Kulkwitzer See überfällig!

Grünauer SPD kritisiert Prioritätensetzung von Bürgermeisterin Dubrau

Nach jahrelangen Diskussionen hat die Stadtverwaltung Leipzig mitgeteilt, dass die Einbringung des Baubauungsplans 232 „Erholungsgebiet Kulkwitzer See“ sich wieder verzögert; auf frühestens das 1. Halbjahr 2017. Die Grünauer Sozialdemokraten kritisieren diese falsche Prioritätensetzung von Baubürgermeisterin Dubrau.

„Mit der Antwort von Baubürgermeisterin Dubrau zur Stadtratsanfrage zum aktuellen Stand des Verfahrens (Nr. VI-F-03061) wird wieder einmal das fehlende Gespür für die Interessen der Grünauerrinnen und Grünauer deutlich. Die Einbringung frühestens zum 1. Halbjahr 2017 in den Stadtrat ist viel zu spät und ein herber Rückschlag für die am Verfahren beteiligten Akteure“, so der Grünauer Stadtbezirksbeirat Klaus Hülsmann (SPD).

Der Bebauungsplan Kulkwitzer See ist seit 2010 im Entwurf und seitdem mehrfach überarbeitet worden. Die Grünauer SPD begleitet seitdem mit einer Vielzahl von Interessierten und Anliegern des Sees dieses Thema. Die ungewöhnlich lange Dauer zur Erarbeitung des Bebauungsplanes hat große Skepsis unter den Anwohnern hervorgerufen.

„Mit dieser Entscheidung von Frau Dubrau wird es unmöglich gemacht, zur Badesaison 2017 die lang erwarteten Verbesserungen an den Zugängen zum See und auch endlich Sicherheit für Anlieger und Naturschutzbelange zu schaffen. Damit wird die Odyssee wohlwissentlich wieder um ein Jahr verlängert“, so Klaus Hülsmann weiter.

„Ein erster wichtiger Schritt der Stadtverwaltung und des Zweckverbandes sollte eigentlich die Verwirklichung einer sicheren Fuß- und Radwegeverbindung von der Endstelle der Linie 1 zum Kulkwitzer See sein. Seit vielen Jahren verfolgt der Stadtbezirksbeirat West dieses wichtige Thema. Voraussetzung dafür war bisher ein existierender Bebauungsplan. Gerade in der zurückliegenden Badesaison mussten wieder viele Badegäste über die derzeit bestehende Holperpiste, um von der Endstelle der Linie 1 zum Kulkwitzer See zu gelangen. Dies ist nicht nur ein unschöner sondern auch ein enger und gefährlicher Weg“, so der stellvertretende Vorsitzende der Grünauer SPD, Peter Hütter, abschließend.

Die Auskunft auf die Anfrage von Ilse Lauter zum Kulkwitzer See.

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