Am Freitag, 26. Oktober, veröffentlichte der Sächsische Rechnungshof seinen Jahrsbericht, Band 1 für 2018. Darin kommt auch das Soziokulturelle Zentrum „Anker“ vor. Der Rechnungshof prüft zwar nicht die Stadt, deswegen gibt es für Leipzig nur einen indirekten Rüffel. Den direkten Rüffel aber bekommt der Fördergeldgeber SAB. Und Leipzig könnte zumindest mit der Rückzahlung von Fördergeldern rechnen.

Worum geht es?

„Am 27.03.2013 stellte die Stadt Leipzig einen Antrag auf Zuwendung, welcher vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (kurz SIB) baufachlich geprüft wurde. Der SIB bezweifelte die Instandsetzungsfähigkeit des Kneipengebäudes (E) sowie die Auskömmlichkeit der Gesamtkosten i. H. v. 3.100.000 € für das Gesamtobjekt. Die Stadt Leipzig plante daraufhin um. Ergebnis der Umplanung war der Abriss und Neubau des Kneipengebäudes, wodurch sich Gesamtkosten von nunmehr rd. 3.300.000 € ergaben.“

Was aber nur die erste Stufe der Kostensteigerung war. Denn erst zu diesem Zeitpunkt besahen sich die Bauexperten das Innenleben des „Anker“ genauer und erschreckten dann die Presse mit der Nachricht, dass der „Anker“ sofort gesperrt würde und die Bauarbeiten gestoppt würden. Das war nur drei Monate nach Antragstellung.

Welche Verantwortung aber trägt da die SAB? Sie hätte mit der Antragsbearbeitung eine tragfähige Wirtschaftlichkeitsuntersuchung anfordern müssen, monieren die Rechnungsprüfer. Zum Beispiel durch die Fachleute vom landeseigenen SIB. Dann hätte sie zwangsläufig attestiert bekommen, dass die historische Bausubstanz nicht zu erhalten war.

Das haben sie unterlassen.

„Durch die fehlende Prüfung des SIB wurden wesentliche Sachverhalte nicht erkannt, die Auswirkungen auf die Kostenentwicklung und die Funktionalität des Objektes und damit auch auf die Wirtschaftlichkeit der Baumaßnahme haben sollten. Dies betrifft insbesondere die mangelnde Vollständigkeit der Bauzustandsuntersuchungen und die fehlende Funktionalität der Räumlichkeiten.“

Das hätte übrigens auch die Stadt Leipzig vorher wissen können. Denn dass es da verdeckte Schäden gab, muss schon lange bekannt gewesen sein. Der Rechnungshof: „In Vorbereitung der Baumaßnahmen am Stadtteilzentrum ‚Anker‘ wurden seit 1993 mehrere Untersuchungen der Bausubstanz angestellt. In deren Ergebnis wurde wiederholt auf eine mögliche Schädigung verdeckter Bauteile in den Gebäudeteilen hingewiesen.

Da die Stadt Leipzig den Kulturbetrieb nicht unterbrechen wollte, sind die Untersuchungen nicht mit der erforderlichen Tiefgründigkeit durchgeführt worden. So wurden die schwerwiegenden Schäden – insbesondere am Saalgebäude – erst nach Baubeginn im April 2014 durch das Freilegen der verdeckt gewesenen Konstruktionsteile sichtbar.

Bauzustandsuntersuchungen fehlten. Dies hätte bei einer baufachlichen Begleitung vom SIB entdeckt werden können. Die fehlenden Bauzustandsuntersuchungen hätten im Förderverfahren berücksichtigt werden müssen.“

Das Leipziger Baudezernat reagierte nach den Funden ja bekanntlich sehr erschrocken. Aber es wurde auch sichtbar, dass hier wieder so ein typisches Leipziger Denken am Werk war – im Grunde genauso wie beim Naturkundemuseum. Man versucht die Kosten kleinzuhalten, nachdem man jahrzehntelang um die Notwendigkeit einer Sanierung weiß.

Der „Anker“ stand ja auch über 20 Jahre auf der Sanierungsliste – aber er war im Leipziger Nordwesten als Kulturzentrum überdies nicht zu ersetzen. Also spielte man weiter in der Hoffnung, dass die alten Bauschäden an diesem Gaststättenbau des 19. Jahrhunderts doch nicht so schlimm wären.

Tatsächlich hatte man wahnsinniges Glück, dass bis 2014 bei laufendem Betrieb nichts wirklich Schlimmes passiert ist.

Das Erschrecken von 2014 war nicht gespielt.

In der Folge wurden die ältesten Gebäudeteile dann eben doch komplett abgerissen und durch Neubau ersetzt. Mit Einschränkungen, die man bei einer völligen Neuplanung hätte vermeiden können, so der Rechnungshof: „Die Gebäudeteile A, C, D und E wurden letztendlich abgerissen und völlig neu errichtet. Vom Saalgebäude B blieben nur die Giebelwand, die östliche Seitenwand und das Bühnenhaus erhalten, alle übrigen Bauteile wurden ebenfalls neu errichtet.

Die Grundrisse der vorherigen Bebauung wurden dabei weitestgehend wieder aufgegriffen. Die Funktions- und Raumzuordnung, die Detail- und Innenraumgestaltung sowie die Ver- und Entsorgung sind auch nach der Neuerrichtung nicht optimal aufeinander abgestimmt. Unter anderem entstanden lange, unüberschaubare Wege und es fehlt die durchgängige Barrierefreiheit, bedingt durch den fehlenden Aufzug. Die verschiedenen Säle des Saalgebäudes können nur eingeschränkt zeitgleich genutzt werden, da die WC-Anlagen und die Garderobe nur über den größten der drei Säle zu erreichen sind.“

Was dann einmal mehr unterstreicht: Wer immer nur billig bauen will, baut am Ende teurer. Und in diesem Fall auch schlechter als möglich. Am Ende kostete das Ganze dann 5,8 Millionen Euro.

Und da eigentlich denkmalgeschützte Substanz nun doch abgerissen wurde, wurden auch geförderte Maßnahmen aus den Jahren davor wieder zurückgebaut. Was jetzt die Frage in den Raum stellt, ob Leipzig frühere Fördergelder für diese Maßnahmen zurückzahlen muss.

Mit den Worten des Rechnungshofes: „Da der marode Gebäudezustand den Abbruch ganzer Gebäudeteile erforderlich machte, gingen große Teile von Baumaßnahmen verloren, die in den Jahren 2005 bis 2013 mit Mitteln aus dem Programm ‚Stadtumbau Ost‘ i. H. v. rd. 544.000 € insbesondere am Saalgebäude gefördert worden waren. Deren Zweckbindungsfrist läuft noch. Der SRH hat die SAB aufgefordert, Rückforderungen zu prüfen.“

Das schwebt jetzt noch in der Luft. Die Sächsische Aufbaubank (SAB), die hier direkt kritisiert wurde, hat ja Stellung nehmen dürfen. Und sie ließ vermerken: „Die SAB hat zugesagt zu prüfen, welche geförderten Bauteile/Anlagen mit dem Abbruch des Saalgebäudes verloren gegangen sind. Sie wird ggf. entsprechende Rückzahlungen veranlassen.“

Leipziger Zeitung Nr. 60: Wer etwas erreichen will, braucht Geduld und den Atem eines Marathonläufers

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Es gibt 3 Kommentare

Catch 22: Entweder wird bis zur umfassenden Gesamtsanierung über Jahrzehnte garnichts mit Fördermitteln gemacht, oder, wenn doch, dann verschiebt man die Sanierung wieder solange, bis die Zweckbindung abgelaufen ist. Dumm nur, wenn unterdessen alles zusammenbricht, denn dann wären die geförderten Bauteile auch weg.
Bin gespannt, was die Baufachleute der Bank da jetzt noch feststellen werden.

Manchmal ist es auch von Nachteil, wenn man zu tief in einer Materie drinsteckt. Da vergisst man dann schon mal, dass der geneigte Leser mit einer Abkürzung wie SIB*) nicht automatisch etwas anzufangen wei0. Wenigstens bei der ersten Verwendung kann man dann schon mal ausschreiben, um was es sich dabei eigentlich handelt…

*) Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement

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