Freunde gemacht hat sich Bürgermeister Heiko Rosenthal am 14. November nicht, als er kurz und trocken die komplette Bürgerbeteiligung zur Öffnung des Pleißemühlgrabens an der Hauptfeuerwache vom Tisch wischte. Eine Bürgerbeteiligung, die eigentlich seit acht Jahren versprochen war. Und dann fand man mit den Werkstattgebäuden im Hof schnell ein millionenteures Argument, das Votum der engagierten Bürger vom Tisch zu wischen.

Ein Argument, das so in den beiden Bürgerbeteiligungsveranstaltungen nie genannt wurde. Die über 14 Millionen Euro, die der Neubau einer eigenen neuen Wache extra für die dort untergebrachten Fahrzeuge, Werkstätten und Desinfektionsräume bedeuten würde, wurde erst am 14. November aus dem Ärmel gezaubert, um den Vorstoß des Bürgermeisters zu begründen, dass ja ein Pleißemühlgraben direkt am Goerdelerring um satte 12 Millionen Euro billiger wäre als einer dahinter.

Was so auch nicht ganz stimmt.

Aber noch abenteuerlicher wurde dann die Wortmeldung des Stadtrats Siegfried Schlegel (Die Linke), die zumindest eines bestätigte: Wirklich beschäftigt hat sich der Mann mit dem Thema noch nie.

Siegfried Schlegel (Linke) im Stadtrat Leipzig. Foto: L-IZ.de
Siegfried Schlegel (Linke) im Stadtrat Leipzig. Foto: L-IZ.de

Weshalb sich jetzt der Verein Neue Ufer zu Wort meldet, der nun seit Jahren darum kämpft, dass der historische Pleißemühlgraben wieder geöffnet wird und der sich vom Vorgehen des Umweltdezernats erst so richtig gelinkt fühlt.

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Die Kommentare des Neue Ufer e.V. zu den eigenwilligen Argumenten von Siegfried Schlegel:

Kita: Die Kita wurde vom Förderverein Neue Ufer „angedacht“, nicht von der LWB. Sie könnte anstelle des jetzigen LWB-Parkplatzes entstehen und wird als neue Mitte des Naundörfchens ein absoluter Zugewinn sein. Eine zu hohe bauliche Dichte im Hof, etwa durch Wohnungsbau oder eine Sporthalle, ist ohnehin zu vermeiden und durch einen auf den Ort zugeschnittenen, differenziert gegliederten Kita-Baukörper ist es möglich, auch den Altbaumbestand in diesem Bereich weitgehend zu erhalten.

Wohnhof/Grün: Hauptstörfaktor des Wohnhofs ist ohne jeden Zweifel der großflächige Garagenhof der Feuerwehr, nebst Fahrzeugverkehr und Bodenversiegelung. Es wäre fatal, dies auch noch für die Zukunft festzuschreiben. Die vergleichende Analyse der Plandarstellungen der Stadt und des Fördervereins zeigt wohl deutlich genug, wo künftig im Gesamtareal Gewinne und Defizite zu erwarten sind. Bezeichnend und kein Zufall, dass das Amt für Stadtgrün und Gewässer im Lageplan ausgerechnet die Mitte des Quartiers ausgeblendet hat.

Hochhaus: Dass bei historischem Pleißeverlauf ein architektonisches Eingehen auf den Fluss nur mit „unverhältnismäßig hohem Aufwand“ möglich sei, ist eine willkürliche, nur aus Ablehnung resultierende Behauptung. Noch hat niemand Kenntnis von einem konkreten Projekt und davon, wie sich der Fluss in seinem historischen Verlauf und das Hochhaus berühren könnten. Mit der Akzeptanz des Pleißemühlgrabens bietet sich jedoch die Chance, die Sockelzone des Hochhauses in höchst individueller Weise zu gestalten. Stadträte sollten für eine hochwertige architektonische Lösung für diesen exponierten Standort offen sein und auch außergewöhnliche Möglichkeiten nicht von vornherein diskreditieren.

Pleißemühlgrabenöffnung am Goerdelerring. Visualisierung: Stadt Leipzig
Pleißemühlgrabenöffnung am Goerdelerring. Visualisierung: Stadt Leipzig

Rad- und Fußweg/Flusstrasse: Diesen Rad- und Fußweg am Goerdelerring, dessen „Entstehung“ sich Herr Schlegel wünscht, gibt es seit Jahren. Hätte er auf den Lageplan des Amtes für Stadtgrün und Gewässer geschaut, hätte er auch bemerkt, dass eine Baumreihe der Promenadenallee gefällt werden soll, ebenso wie sämtliche Altbäume zwischen Käthe-Kollwitz-Straße und Naundörfchen. Die damit am dicht befahrenen Ring zu erwartende „Erlebbarkeit“ lässt sich leicht vorstellen.

Und was die „Großzügigkeit“ der Flusstrasse am Ring betrifft – Schaubild und Lageplan des Amtes zeigen erhebliche Diskrepanzen in der Struktur der Uferzone – hier ist keine klare Planungsabsicht erkennbar!

Feuerwehr: Dass die Hauptfeuerwache Standort für „Feuerwehrlöschfahrzeuge“ ist, ist hinlänglich bekannt. Doch was soll diese Feststellung? Der Erhalt der Hauptfeuerwache steht seitens des Fördervereins nicht infrage, wie unseren Materialien und unserer Argumentation im Bürgerforum zu entnehmen war. Überdies wurden von uns Vorschläge unterbreitet, wie auch die „überlebensnotwendigen“ Feuerwehrfunktionen am Ort zu erhalten sind. Warum werden diese ignoriert?

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Das Fazit aus Sicht von Heinz-Jürgen Böhme vom Förderverein Neue Ufer Leipzig e.V.: „Von einem Stadtrat darf man schon eine genauere Sicht auf die Situation erwarten, jedenfalls bevor er sich öffentlich mitteilt oder bevor er sein Votum abgibt. Abgesehen von der üblen Art, anstelle sachlicher Argumente Kita-Plätze als Maßeinheit zu missbrauchen, bleibt zu fragen, ob derart diffuse Äußerungen tatsächlich die Meinung der Fraktion widerspiegeln?“

Eine Muntermacher-LZ Nr. 61 für aufmerksame Zeitgenossen

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