Die Weiße Elster, die Saale, die Unstrut und die Mulde ist Lutz Heydick schon hinab geradelt und hat in handlichen und reich bebilderten Büchern erzählt, was man an den Flüssen alles entdecken kann, wenn man mit dem Drahtesel dort unterwegs ist. An jedem Fluss gibt es mittlerweile einen Radwanderweg, auch wenn der zuweilen in noch sehr rustikalem Zustand ist. Aber auch an der Pleiße kann man radeln – in diesem Fall macht es Lutz Heydick in umgekehrter Richtung und radelt von Leipzig bergauf zur Quelle.
Und weil die Pleiße ein besonders geplagtes Flüsschen ist, das schwerer als alle anderen Flüsse Mitteldeutschlands vom Bergbau betroffen war, hat er diese Radtour mit „Glanz, Niedergang und Wiederkehr eines Flusses“ untertitelt. Und statt einfach loszufahren – am Leipziger Eck, wo man irgendwie ja tatsächlich endlich die Pleiße bzw. ihr Flutbett zu sehen bekommt -, erzählt er allen, die die Geschichte nicht kennen (und die meisten werden sie nicht kennen) von der Geschichte der Pleiße im Leipziger Stadtbild.
Und zwar in zwei Kapiteln. Im ersten erklärt er, wie es eigentlich zum schönen Titel „Pleiß-Athen“ gekommen ist, obwohl Leipzig auch in historischen Zeiten nie wirklich an der Pleiße lag.
Aber das ist eben auch das Kapitel, in dem die Leipziger vor fast 1.000 Jahren ihre Mühlgräben bauten und dabei das Wasser der Pleiße umleiteten, sodass es über den Pleißemühlgraben die Mühlen direkt westlich der Stadt antreiben konnte. Mühlen, die bis ins 19. Jahrhundert das Stadtbild prägten. Und die einen Dichter, der sich Sperontes nannte, dazu animierten, von einem Pleiß-Athen zu schwärmen.
Was eine Menge mit den damaligen Dichtern und Denkern in der Stadt zu tun hatte – Leipzig war ja eines der Zentren der deutschen Frühaufklärung –, aber auch mit den barocken Gärten direkt vor den Toren der Stadt. Auch im Westen luden sie ein und erweckten das Staunen der Reisenden, die hier eine Gartenpracht entdeckten, mit der keine andere deutsche Stadt derart prahlen konnte.
Pleiße ans Licht!
Aber auch das zweite Kapitel gehört dazu, das Heydick ganz bewusst „Pleiße ans Licht“ genannt hat, weil hier der Kampf der Leipziger um die Freilegung der in den 1950er Jahren verrohrten Mühlgräben – damals ein wesentlicher Impuls der Friedlichen Revolution – und die beharrliche Arbeit des Fördervereins Neue Ufer gewürdigt werden, der mit seiner Beharrlichkeit die Stadt seit den 1990er Jahren dazu brachte, Pleiße- und Elstermühlgraben wieder ins Stadtbild zurückzuholen.
Bis 2019, als die Stadtverwaltung dem Verein und den Bürgern die kalte Schulter zeigte und eine Offenlegung des Pleißemühlgrabens vor der Hauptfeuerwache durchdrückte, obwohl eine Mehrheit für den historischen Grabenverlauf hinter der Hauptfeuerwache plädierte. Der Verein löste sich auf und veröffentlichte das letzte Heft „Neue Ufer“, das den Dissens noch einmal thematisierte.
Die Leser bekommen so zumindest kompakt die Geschichte des Pleißemühlgrabens im Leipziger Stadtgebiet, von dem freilich noch wesentliche Stücke zu öffnen sind. Sie haben damit natürlich die Wahl, ob sie ihre Radtour in Leipzig an der einstigen Angermühle beginnen, oder ob sie tatsächlich am Leipziger Eck starten, wo Pleiße- und Elsterflutbett ineinander fließen.
Die richtige Pleiße bekommt man sowieso erst oberhalb des Connewitzer Wehrs zu sehen. Aber dort bekommt man dann auch bald die ersten naturbelassenen Abschnitte zu sehen, die eine Vorstellung davon geben, wie ein richtiger Auenfluss eigentlich aussehen sollte.
Was weiter kommt, ist eine Tour der Gegensätze. Denn schon bald kommen die ersten Abschnitte der Pleiße, in denen sie kanalisiert durch ehemaliges Bergbaugelände fließt und wo künftige Renaturierungsmaßnahmen noch ausstehen. Solche, wie es sie an der „Grünen Pleiße“ bei Böhlen, Rötha und Neukieritzsch noch oder wieder gibt. Auch wenn mittendrin noch jener Abschnitt der Pleiße fließt, der im Volksmund Braune Pleiße heißt, weil die Pleiße beim Durchfließen alten Kippengeländes Eisenoxide freischwemmt.
Im Pleißenland
Man bekommt also einen lebendigen Eindruck davon, was bei der Revitalisierung der Pleiße noch zu tun ist. Eine Generationenaufgabe. Aber man sieht eben, je weiter flussaufwärts es geht, immer mehr naturbelassene Abschnitte, wo die Pleiße eben noch aussieht wie ein richtiger Fluss. Auch wenn man immer wieder auf Wehre und alte Mühlenbauwerke stößt, die davon erzählen, dass auch dieses Flüsschen seit dem Mittelalter intensiv genutzt wurde.
Und je mehr man sich Altenburg nähert, wo die Pleiße ein Stück durch das Bundesland Thüringen fließt, um so dichter werden auch die Zeugnisse der durchaus historischen Rolle, die das Pleißenland hier dereinst spielte, als deutsche Kaiser versuchten, sich hier ein neues Stammland aufzubauen. Einstige Klöster und faszinierende Schlösser laden links und rechts zum Besuch ein.
Und bei der Rückkehr auf sächsisches Gebiet begegnet man dann einem Wirtschaftskapitel, das aus Leipziger Perspektive irgendwie hinterm Horizont liegt: der einstigen sächsischen Textilindustrie um Crimmitschau, an die heute noch Fabrikgebäude und Museen erinnern. Wer die Pleiße für ein kleines, unscheinbares Flüsschen gehalten hat, ist spätestens hier bekehrt. Auch dann, wenn er nicht die ganze Tour geradelt ist, sondern – auf Heydicks Empfehlung – die Bahnstationen genutzt hat, die sich meist ganz in der Nähe des Pleißeradwegs befinden.
Wo ist die Quelle?
Und jenseits von Crimmitschau wird es zwar hügeliger – aber dafür lernt man hier kleine sächsische Städte wie Werdau kennen oder findet Zeugnisse der sächsischen Eisenbahngeschichte wie die Leubnitztalbrücke von 1845 oder das Römertalviadukt, das ebenso zur historischen Bahnstrecke Leipzig-Hof gehört. Von fern winkt mit Burg Schönfels eine der am besten erhaltenen sächsische Burgen.
Und dann geht es – nach rund 90 Kilometern – auf die Suche nach der Pleißequelle, die noch vor 110 Jahren höchst umstritten war, weil gleich drei Bäche die Pleiße speisen. Welches aber war nun der eigentliche? Das musste damals ganz administrativ geklärt werden, wurde es auch. Und so kann man in Ebersbrunn tatsächlich die jetzt offizielle Pleißequelle besuchen, auch wenn sie nicht wirklich eindrucksvoll vor sich hinplätschert.
Aber jedes Flüsschen braucht einen Anfang. Erst recht, wenn es – wie die Pleiße – durch den Bergbau und frühere Kanalisierungen so drangsaliert wurde wie die Pleiße, die einmal stolze 115 Kilometer lang war, heute aber nur noch 90 Kilometer misst. Aber Heydicks Einladung, die ganze Strecke mit dem Rad abzufahren, ist auch eine Einladung, sich die künftigen Renaturierungen an diesem Flüsschen auszumalen.
Denn kommen müssen sie, nicht nur wegen der schönen Landschaft, sondern auch der Wasserqualität und des Artenreichtums wegen. Chancen hat die Pleiße. Das sieht man überall dort, wo sie noch in ihrem natürlichen Bett fließt. Allein das zu sehen lohnt sich die Tour bergauf. Oder eben abschnittweise, je nachdem, wie viel Puste man hat.
Lutz Heydick „Entlang der Pleiße“, Sax-Verlag, Beucha und Markkleeberg 2025, 16,50 Euro.
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