Mit allen Mitteln und unterstützt durch eine Leipziger Lokalzeitung kämpften einige Gewerbetreibende an der inneren Jahnallee gegen die Pläne der Stadt, die Parkplätze an beiden Seiten der Straße aufzuheben. Sie schrieben auch gemeinsam eine Petition, in der sie beteuerten, ihr ganzes Geschäftsmodell sei auf Kurzparker vor ihren Geschäften ausgerichtet. Eine Petition, zu der das Dezernat Stadtentwicklung und Bau jetzt ausführlich Stellung genommen hat. Am 29. März wird der Petitionsausschuss darüber beraten.

Aber auch der Petitionsausschuss wird an den simplen Regeln der StVO nichts ändern können. Was hier seit 13 Jahren wie ein schönes Gewohnheitsrecht aussah, war von Anfang an ein Experiment, das schlicht gegen die gesetzlichen Vorgaben zur Verkehrssicherheit auf einer (innerstädtischen) Bundesstraße verstößt. Und die Jahnallee ist Teil der B87. Dass es hier seit Jahren zu einer Häufung von Unfällen mit schwächeren Verkehrsteilnehmern kam, hat genau darin seine Ursachen. Hier hätten niemals Parkplätze eingeführt werden dürfen.

Aber das ignorierte Leipzigs Straßenverkehrsbehörde nach Fertigstellung der neu gebauten Jahnallee ab 2006 komplett.

Bezahlt haben dafür andere – mit Leben und Gesundheit. Und die Stadt selbst sträubte sich noch 2017 mit Händen und Füßen gegen eine Änderung dieses experimentellen Zustands. Selbst in der Verkehrsunfallkommission wurde das Problem kleingeredet. Dass eine Petition und zwei Stadtratsentscheidungen diesen misslichen Zustand endlich änderten, zwingt auch die Verwaltung nun zu einer sachlichen Position.

Kurzzeitparkplätze machen die Straße brandgefährlich

Die das Planungsdezernat auch noch einmal erläutert: „Die eindeutige Unfalllage verpflichtet die Straßenverkehrsbehörde zum Handeln. Dieser Sachverhalt ist in den o. g. Verwaltungsstandpunkten bereits umfassend dargestellt worden. Dort ist auch dargelegt, dass in den Jahren 2015-2017 von den 20 Unfällen mit Radfahrerbeteiligung und Personenschäden 11 Unfälle mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen wären, wenn der ruhende Verkehr dort nicht zugelassen gewesen wäre.

Eine Teilreduzierung der Kurzzeitparkplätze bzw. des ruhenden Verkehrs würde die Sicherheit des Radverkehrs sogar noch stärker gefährden als dessen durchgehende Beibehaltung. Denn in diesem Fall müssten die Radfahrer dem ruhenden Verkehr immer wieder in Richtung Fahrbahnmitte (Straßenbahn) ausweichen und kämen wiederholt in Konflikte mit dem Nachfolgeverkehr. Fahren die Radfahrer jedoch durchgehend links vom ruhenden Verkehr wie derzeit, gibt es diese Art von Konflikten zwar nicht, jedoch hält sich der überwiegende Anteil der Radfahrer aber dicht am ruhenden Verkehr, um in Anbetracht der unzureichenden Platzverhältnisse nicht vom überholenden Verkehr gefährdet zu werden.

Genau dadurch treten aber die auffällig vielen Unfälle von Radfahrern im Zusammenhang mit dem ruhenden Verkehr auf (Ein- und Ausparken, sich öffnende Autotüren). Aus den dargelegten Gründen besteht zu einer vollständigen Verlagerung des Kurzzeitparkens in die Seitenstraßen keine Alternative. Den Händlerinteressen wird aber insofern entsprochen als dass in 3 Abschnitten, d. h. dort, wo keinerlei Alternative bzw. zumutbare Andienungsmöglichkeiten bestehen, der Lieferverkehr montags bis freitags in der Zeit von 9-14 Uhr zugelassen wird.

Die Maßnahmen zur Neuregelung des ruhenden Verkehrs erfolgen allein auf der Grundlage der bundeseinheitlich geltenden Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Die Ausführung obliegt der Straßenverkehrsbehörde im übertragenen Wirkungskreis und unterliegt der Fachaufsicht der oberen Straßenverkehrsbehörde (Landesamt für Straßenbau und Verkehr). Somit ist die StVO kein Mittel der kommunalen Selbstverwaltung.

Die Gemeinde ist insofern in ihrer Entscheidungskompetenz eingeschränkt. Entscheidungen dürfen allein im Interesse der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs getroffen werden. Eine Berücksichtigung verkehrsfremder Belange, darunter auch Händlerinteressen, ist dabei nicht vorgesehen. Dennoch hat die Straßenverkehrsbehörde deren Belange versucht zu berücksichtigen, soweit sie das Ziel einer Reduzierung der Radverkehrsunfälle nicht beeinträchtigen und auch sonst keine negativen Einflüsse auf die Verkehrssicherheit haben. Dieser Abwägungsprozess wurde umfassend geführt, u. a. bei Ortsbegehungen, und den Händlern bei zwei Terminen das Ergebnis vorgestellt bzw. erläutert.

In diesem Zusammenhang wurde auch erläutert, dass die in Umsetzung des Lärmaktionsplanes vorgesehene Ausweisung einer streckenbezogenen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h keine geeignete Alternative zum Entfall der Kurzzeitparkplätze ist, denn dies hätte nur einen günstigen Einfluss auf geschwindigkeitsbedingte Unfälle und solche sind nicht als Problem erkannt worden. Die zu vermeidenden Unfälle von Radfahrern im Zusammenhang mit dem ruhenden Verkehr treten dagegen nur bei niedrigen Geschwindigkeiten auf.“

Kurzzeitparken in den Seitenstraßen

Und so empfiehlt das Dezernat als einzig sinnvollen Alternativvorschlag: „Das Kurzzeitparken wird in einem ersten Schritt in die Seitenstraßen verlagert und dort die Anzahl der Kurzzeitparkplätze dem sich tatsächlich ergebenden Bedarf angepasst. In einem zweiten Schritt erfolgen Untersuchungen zu einer neuen Straßenraumaufteilung in der Inneren Jahnallee. Dazu werden intensive Abstimmungen mit Händlern, Gewerbetreibenden bzw. deren Interessenvertretern geführt.“

Dass trotzdem viele Zeitgenossen das Halteverbot ignorieren, war seit dem 15. März, seit das Halteverbot gilt, immer wieder zu beobachten. Dabei steht die Prüfung der Neuaufteilung des Straßenraums noch aus, nämlich genau das, was nach Fertigstellung der Straße 2006 dran gewesen wäre und dann durch das willkürliche Experiment der Einrichtung von Kurzzeitparkplätzen völlig unterlaufen wurde.

Unfallkarte des Statisischen Bundesamtes über Fahrradunfälle in der Jahnallee 2017. Screenshot:L-IZ
Unfallkarte des Statistischen Bundesamtes über Fahrradunfälle in der Jahnallee 2017. Screenshot:L-IZ

Darauf weist das Planungsdezernat mit Hinweis auf die beiden Ratsbeschlüsse zur Jahnallee auch noch hin: „Die Ratsversammlung beauftragt den Oberbürgermeister zu prüfen, inwieweit durch eine neue Straßenraumaufteilung die Verkehrssicherheit des Fuß- und Radverkehrs erhöht werden kann. Hierzu sind intensive Abstimmungen mit Händlern, Gewerbetreibenden bzw. deren Interessenvertretern zu führen, um ggf. alternative Andienungslösungen zu finden und zu realisieren. Dabei sind die Belange des ÖPNV und des Event-Verkehrs zu beachten und in angemessener Weise zu berücksichtigen.“

Und dann – mitten im Text – taucht wieder so ein Möhrchen auf, das irgendjemand in der Straßenverkehrsbehörde glaubt, den Gewerbetreibenden in der Inneren Jahnallee hinhalten zu müssen. Statt sich konsequent auf die StVO zu beziehen, sagt man tatsächlich wieder die Prüfung von Kurzzeitparkplätzen in der Jahnallee zu: „Im Rahmen der noch ausstehenden Prüfung einer neuen Straßenraumaufteilung (…) ist bereits vorgesehen, intensive Abstimmungen mit Händlern, Gewerbetreibenden bzw. deren Interessenvertretern zu führen. Dabei werden auch die Themen der Ausweisung einer ausreichenden Anzahl von Kurzzeitparkplätzen sowie eine Verlagerung des Radverkehrs in die Gustav-Adolf-Straße umfassend untersucht. Da hierbei jedoch unterschiedlichste Belange und Interessen zu berücksichtigen sind, kann eine Zusage zur Berücksichtigung von Kurzzeitparkplätzen in der Inneren Jahnallee selbst derzeit nicht gegeben werden. Eine diesbezügliche Prüfung wird jedoch Bestandteil der ergebnisoffenen Untersuchungen sein.“

Auf zwei Wünsche aus der Petition ging man so nur beiläufig ein. Die Händler hatten tatsächlich gefordert, den Radverkehr in die Gustav-Adolf-Straße zu verlagern, damit in der Inneren Jahnallee Platz für Kurzzeitparkplätze und sogar Baumpflanzungen entsteht, also der alte Zustand wieder dauerhaft etabliert wird, jetzt aber ohne die Radfahrer, die man hier irgendwie nicht haben möchte. Wohl auch nicht als Kunden.

Darauf geht die Stellungnahme nur beiläufig ein. Denn eine Umsetzung dieser Wünsche würde sich wieder nicht mit der StVO vertragen.

Verlagerung von Kurzzeitparkplätzen in die Nebenstraßen.

Grüne und Linke erinnern den OBM daran, dass er für die Durchsetzung der StVO in Leipzig verantwortlich ist

Grüne und Linke erinnern den OBM daran, dass er für die Durchsetzung der StVO in Leipzig verantwortlich ist

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