Das war zwar einerseits logisch, andererseits auch etwas forsch, nachdem die Stadt mehrfach versichert hatte, es habe genug Bürgerbeteiligung vor Einführung des Bewohnerparkens im Waldstraßenviertel gegeben. Und das, obwohl nicht nur Gewerbetreibende ihre Probleme mit der gefundenen Regelung anmeldeten, die Anfang November in Kraft treten sollte, von OBM Burkhard Jung aber kurzerhand ausgesetzt wurde. Was denn nun? Selbst Rechtsanwälten ist das nicht klar.

Der Fachanwalt für Verwaltungsrecht Klaus Füßer hat deshalb am Mittwoch, 27. November, für die Steuerberaterkanzlei von Ulrich Holzenleiter und sich selbst Widerspruch gegen das im gesamten Waldstraßenviertel eingeführte Bewohnerparken bzw. die insofern inzwischen unverhüllten Verkehrszeichen erhoben. Zudem droht er der Stadt mit der baldigen Einreichung eines Eilverfahrens beim Verwaltungsgericht Leipzig. Die Stadt soll damit gezwungen werden, zu der durch sie selbst geschaffenen derzeit unklaren Lage zum „Ob, Wie und Wann“ der Ausweisung der großflächigen Bewohnerparkzone Farbe zu bekennen.

Immerhin hatte die Stadt Leipzig fünf Jahre lang geplant und 576.080 Euro für die Umsetzung (Beschilderung, Markierung und Parkscheinautomaten) des Bewohnerparkkonzeptes im Waldstraßenviertel ausgegeben. Der Streit mit den Gewerbetreibenden gipfelte in einer Demonstration im Waldstraßenviertel. Am 29. Oktober 2019 hat die Stadt Leipzig dann erklärt, dass Oberbürgermeister Burkhard Jung sich in einer Dienstberatung dazu entschieden habe, die Umsetzung zu stoppen.

In der Pressemitteilung der Stadt Leipzig heißt es:

„Ziel bleibt es, dass Bewohner künftig besser einen Parkplatz im Viertel finden; zugleich sollen aber die gute wirtschaftliche Entwicklung des Quartiers und die Lebensqualität erhalten bleiben“, sagte Oberbürgermeister Jung. Die überarbeiteten Regelungen sollen verwaltungsintern bis Ende November 2019 formuliert werden, zum 1. Januar 2020 soll das Bewohnerparken dann starten.“

Dieser Ankündigung folgten jedoch bislang keine Taten, stellt Klaus Füßer fest. Im Gegenteil: Die zunächst über die aufgestellten Verkehrszeichen für das Bewohnerparken angebrachten Hüllen wurden abgenommen, die Verkehrszeichnen sind seitdem für jeden gut sichtbar.

„Mit der jetzigen Situation schafft die Stadt Leipzig eine erhebliche Unsicherheit für Verkehrsteilnehmer: Für aufmerksame Leser der Presse oder der städtischen Website gibt es die Information, dass das Bewohnerparkkonzept gestoppt wurde; andererseits sind die Schilder sichtbar aufgestellt. Insbesondere Gäste müssen davon ausgehen, dass ein Parken entsprechend der Verkehrszeichen nicht bzw. nur gegen Entrichtung der Parkgebühren zulässig ist, stehen dann ratlos vor den noch funktionsuntüchtigen Parkautomaten. Aufgrund des sogenannten Sichtbarkeitsprinzips der Straßenverkehrsordnung entfalten die Verkehrsschilder aber bereits jetzt Rechtswirkungen“, meint Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Klaus Füßer, der für die Steuerberaterkanzlei Ulrich Holzenleiter den Widerspruch erhoben hat.

Die Steuerberatungskanzlei müsse, so stellt er fest, durch die Anordnung der Bewohnerparkzonen mit erheblichen Einschränkungen bei der Parkplatzsuche für Mitarbeiter und Mandanten rechnen: Die meisten der 22 Mitarbeiter sind auf das Auto angewiesen, da sie im Leipziger Umland wohnen und auf dem Arbeitsweg ihre schulpflichtigen Kinder befördern.

Ulrich Holzenleiter zum schon jetzt erhobenen Widerspruch: „Die Wirkung der neuen Schilder spüren wir schon jetzt täglich, werden von Mandanten gefragt, ob denn ein Parken möglich sei. Mir war es wichtig, hier so schnell als möglich für sie und meine Mitarbeiter Klarheit zu schaffen.“

Als langjähriger Bewohner und häufiger Besucher des Waldstraßenviertels hat Füßer im Übrigen auch für sich selbst Widerspruch gegen die straßenverkehrsrechtliche Anordnung bei der Stadt Leipzig eingelegt, spricht mit Blick auf das „rechtstechnisch grottige“ Vorgehen der Stadt schmunzelnd von einem „rechtshygienischen Eigenmandat“.

Rechtsanwalt Tobias Meiser, der zusammen mit Füßer die Sache bearbeitet, führt hierzu ergänzend aus: „Mit dieser Hängepartie hat die Stadt Leipzig einen Zustand geschaffen, der mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar ist. Insbesondere im Straßenverkehrsrecht muss die Rechtslage für alle Verkehrsteilnehmer eindeutig ersichtlich sein.“

Aufgrund der Wirksamkeit der Verkehrszeichen könne bereits jetzt dagegen vorgegangen werden. Ein Abwarten bis Januar oder nach der Wahl des Oberbürgermeisters sei nicht erforderlich. Die Hoffnung, dass die Stadt Leipzig entscheidend nachbessert, teilt Füßer nicht, vermutet eher dass man hier wohl einem dem Moskaugeprüften SPD-Urgesteins und langjährigen SPD-Bundestagsfraktionschefs Herbert Wehner zugeschriebenen Wahlspruch folge, „Grausamkeiten“ sollten unmittelbar nach einer Wahl ins Werk gesetzt werden.

Auch in der Sache leidet das Bewohnerparkkonzept nach Auffassung der Rechtsanwälte an erheblichen Mängeln: Mit den bereits seit längerer Zeit geltenden Bewohnerparkzonen A, B, C und D werde mit den neuen Bewohnerparkzonen E und F der Grundgedanke, dass das Parken zum verfassungsrechtlich garantierten Gemeingebrauch gehört, ad absurdum geführt. Die sechs Bewohnerparkzonen überspannen das Zentrum Leipzigs vom Nordplatz im Norden der Innenstadt bis zum Waldplatz im Westen und dem Musikerviertel im Süden.

In diesem großflächigen Bereich ist das „freie“ Parken zur Ausnahme geworden. Darüber hinaus übersteige selbst die bewusst geteilte Bewohnerparkzone im Waldstraßenviertel die nach der Rechtsprechung regelmäßig maximal zulässige Ausdehnung von 1.000 Meter und die Belange der Gewerbetreibenden würden insbesondere bei dem Zeitraum des Bewohnerparkens nicht hinreichend berücksichtigt.

Warum bekommen Gewerbetreibende nicht einfach ordentliche Parkscheine fürs Waldstraßenviertel?

Warum bekommen Gewerbetreibende nicht einfach ordentliche Parkscheine fürs Waldstraßenviertel?

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