Es ist frustrierend, wenn man an einer nach Schema F gebauten S-Bahn-Station aussteigt und sofort das Gefühl hat, dass das ein in Beton gebauter Unort ist, wo man sich gar nicht erst länger aufhalten möchte. Nur schnell weg. So geht es vielen S-Bahn-Nutzern, die an der Station „MDR“ aussteigen: alles grau. Hier fehlt Farbe, findet das Jugendparlament.

„Seit der Eröffnung im Dezember 2013 zeigt sich der Haltepunkt ‚Leipzig-MDR‘ im Unterschied zu den Tunnelhaltepunkten ohne jede baukünstlerische Eigenheit und er wirkt damit wie auch der Haltepunkt Leipzig-Nord sehr technisch – bietet aber durch seine Seitenwände Gestaltungspotential“, begründet das Jugendparlament seinen Antrag an die Ratsversammlung.

Wobei man im Antrag schon spüren kann, dass das schwierig werden wird. Denn da müsste sich Leipzig wieder mit Kolossen anlegen, die sich so gern nicht in ihre Arbeit hineinreden lassen: „Die Stadtverwaltung wird bis zum I. Quartal 2023 beauftragt, in Zusammenarbeit mit der DB Station&Service bzw. anderen erforderlichen Akteuren eine Gestaltung des Haltepunktes ‚Leipzig MDR‘ durch lokale Grafitti- bzw. Streetartgruppen zu prüfen.“

Wobei die nackten Betonwände sowieso längst allerlei Sprayer angelockt haben. Deren Malereien dann wieder emsig von Graffiti-ex-Mannschaften entfernt wurden. Ergebnis: „In den letzten Jahren sind an den blau angestrichen Wänden zunehmend illegale Grafitti und entsprechende Entfernungsspuren zu sehen. Das lässt den Haltepunkt zunehmend unsauber und kalt erscheinen. Für wartende Fahrgäste besitzt diese Station wenig Aufenthaltsqualität.“

Die Bahn hat eh ein Talent, ihre Stationen so musterkatalogmäßig zu bauen, dass man sich dort nie wirklich wohlfühlt. Vielleicht, weil so das Gefühl stärker wird, nur schnell wegzukommen. Eine systematische Anti-Ästhetik, die auch – anders als die Bahnhofsbauten des späten 19. Jahrhunderts – keinen Bezug mehr zum Umfeld aufnimmt. Aber gerade das könnte hier helfen, findet das Jugendparlament.

„Durch die Entwicklung des neuen Stadtteils südlich des Bayerischen Bahnhofes und der möglichen neuen kulturellen Nutzung des benachbarten Ringlokschuppens und des Gleisdreiecks bietet sich hier die Gelegenheit einer der Umgebung angemessenen farblichen Überarbeitung“, schreiben die jungen Parlamentarier in ihrem Antrag.

„Leipziger Streetart- und Grafittigruppen sollen in den Entstehungsprozess mit eingebunden werden, um dort eine angemessene künstlerische Lösung zu realisieren. Dadurch werden auch illegale Malereien verringert, wenn nicht gar vermieden und die städtischen Vereine hätten eine neue Repräsentationsfläche. Ebenfalls würde der Haltepunkt Leipzig-MDR bedeutend ästhetischer und für alle Reisenden optisch angenehmer.“

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