Es geht um mehr als die Rettung des 700 Jahre alten Dorfes Pödelwitz im Leipziger Südraum, wenn am Samstag, 28. Juli, die Leipziger Umweltverbände einladen zur großen Protestdemo „Klima retten – Kohle stoppen!“ Die beginnt um 14 Uhr vor dem Naturkundemuseum in Leipzig. Und sie ist der Auftakt für das 1. Klimacamp Leipziger Land. Und sie macht öffentlich, dass Sachsen und Leipzig Teil des weltweiten Klimaproblems sind. Mittendrin: das Kohlekraftwerk Lippendorf.

Zum ersten Mal findet dieses Jahr vom 28. Juli bis zum 5. August das Klimacamp Leipziger Land in dem durch Abbaggerung bedrohten Dorf Pödelwitz statt. Auch die 4. Degrowth-Sommerschule wird auf dem Camp zu Gast sein. Insgesamt werden über eine Woche bis zu 1.000 Menschen erwartet, die gemeinsam lernen, diskutieren und Alternativen leben.

Der Pressesprecher des Camps, Florian Teller, erklärt: „Mittlerweile ist das Programm fertig und online verfügbar. Wir freuen uns auf spannende Auseinandersetzungen: Was haben Kohleausstieg und Strukturwandel hier vor Ort mit globaler Gerechtigkeit zu tun? Welche Wirtschaft brauchen wir, damit ein gutes Leben für alle möglich wird? Diese und weiter Fragen diskutieren wir mit knapp 100 Referent*innen aus über 10 verschiedenen Ländern.“

Inhaltlich drehen sich die Workshops neben dem großen Thema Klimagerechtigkeit auch um Strategien gegen Rechts oder Sorge-Arbeit. Schön sei, so erklärt Teller, dass es sowohl praktische wie theoretische Angebote gebe: Vom Hochbeetebau über Erläuterungen zur geplanten Tagebauerweiterung in Pödelwitz bis hin zur Analyse der Zusammenhänge von Klimawandel und Kapitalismus.

„Persönlich freue ich mich auf die Podiumsdiskussion am 2. August zu internationalen Kämpfen gegen Kohle. Unter anderem wird dort Narlis Guzmán Angulo aus Kolumbien sprechen. Sie ist Menschenrechtsaktivistin und engagiert sich für landlose Bäuer*innen. Uns wird sie vom Widerstand gegen die Kohleindustrie in Kolumbien berichten.“

Ansicht von Pödelwitz. Foto: Matthias Weidemann
Ansicht von Pödelwitz. Foto: Matthias Weidemann

Auch für Kinder werden Workshops angeboten und ein Bauspielplatz lädt zum Werkeln und Toben ein.

Eröffnet wird das Klimacamp mit einer großen Demonstration unter dem Titel „Klima retten! Kohle stoppen!“ am 28. Juli in Leipzig.

Am darauffolgenden Sonntag findet das Pödelwitzer Dorffest statt, mit Musik und Austauschräumen, gutem Essen und vielem mehr. Angeboten werden zudem verschiedene Exkursionen, sei es zum Tagebau Profen oder auf den „Spuren der Zwangsarbeit in Böhlen“.

Vom 29. Juli bis 2. August findet die Degrowth-Sommerschule auf dem Klimacamp statt. In Kursen und Podien geht es um „Visionen für die sozial-ökologische Transformation“.

„Eine zentrale Rolle spielt dabei die Frage, wie wir unsere Wirtschaft so organisieren können, dass ein gutes Leben für alle möglich wird. Dies bedeutet Sorge-Arbeiten, wie Pflege oder Kinderbetreuung sollten im Zentrum stehen und Wachstumszwänge, die zu Ausbeutung von Mensch und Natur führen, müssen überwunden werden. Um eine solche Wirtschaft zu organisieren brauchen wir neue Ideen und Konzepte. Dafür ist die Sommerschule ein Lernraum“, erklärt Ruth Krohn, Pressekontakt der Sommerschule.

Die Kurse geben eine Idee, wie „Arbeit in einer Postwachstumsgesellschaft“ aussehen kann, eine Einführung in die „partizipatorische Ökonomie“ oder stellen „Methoden für Bildungsarbeit zu einer sozial-ökologischen Zukunft“ vor. Sie laufen über vier Tage mit einer festen Gruppe. Es wird um eine Anmeldung unter anmeldung.degrowth.de gebeten.

Alle anderen Veranstaltungen sind öffentlich und Menschen aus der Region herzlich eingeladen, das Klimacamp zu besuchen.

Dass das Klimacamp erstmals im Leipziger Land stattfindet, hat mit dem völlig überzogenen Kohleabbau im von der Mibrag betriebenen Tagebau Vereinigtes Schleenhain zu tun. Dessen Betriebsgenehmigung basiert eigentlich allein auf der Belieferung des Kohlekraftwerks Lippendorf. Bei einem Volllastbetrieb würde das nicht mehr als 10 Millionen Tonnen Braunkohle im Abbau pro Jahr bedeuten. Doch seit Jahren hat der Kohlekonzern in Schleenhain deutlich mehr Kohle abgebaut, als im Betriebsplan vorgesehen. Mit dieser zusätzlichen Kohle hat der Konzern zusätzlich Kohle gemacht, wie der BUND Sachsen in seinem Faktenblatt zu Schleenhain erläutert:

„Allerdings hat die MIBRAG mehr Kohle gefördert, als auf lange Sicht sinnvoll ist: im Durchschnitt sind 6 % mehr als diese eigentlich nur notwendigen 10 Mio. Tonnen Kohle/Jahr durch die MIBRAG gefördert worden. Die Kohle wurde an andere Abnehmer verkauft; mindestens 1,4 Mio. Tonnen wurden sogar bis in tschechische Kraftwerke exportiert. In den Jahren 2000 bis 2015 summiert sich die zu viel geförderte Menge auf insgesamt knapp 10 Mio. Tonnen. Mit gutem Gewinn: insgesamt dürfte die MIBRAG allein in den Jahren 2007 bis 2015 aus den Verkäufen nach anderswo knapp 80 Mio. EUR erlöst haben. Zum Vergleich: die Umsiedlungsanstrengungen in Pödelwitz sollen insgesamt 15 Mio. EUR gekostet haben.“

Für die Versorgung von Lippendorf würde die vom Freistaat genehmigte Abbaumenge also problemlos bis zum Ende der Kraftwerkslaufzeit reichen. Doch seit einigen Jahren versucht die Mibrag massiv, zusätzliche Abbaugenehmigungen zu bekommen. Und damit rückt die vom Konzern geplante Devastierung des Dorfes Pödelwitz in den Vordergrund. Für die unter dem Dorf liegenden Kohlemengen hat der Konzern noch keine Fördergenehmigung, übt aber auf die sächsische Staatsregierung massiven Druck aus, diese Genehmigung zu bekommen. Mit der Umsiedlungsaktion in Pödelwitz hat die Mibrag schon „Nägel mit Köpfen“ gemacht, obwohl es innerhalb der sächsischen Bedürfnisse gar keine Notwendigkeit gibt, diese Kohle aus der Erde zu holen und damit den Klimawandel weiter anzuheizen.

Genau darum geht es bei der Protestdemonstration am 28. Juli.

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