Wenn Politiker versagen, werden sie zu Law&Order-Spezialisten. Dann werden irgendwo lauter Gefährder ausgemacht und lauter Schnapsideen ausgedacht, mit denen man öffentlich so tun kann, als wäre man ein prima Innenminister, der alles im Griff hat. So wie damals Sachsens Innenminister Markus Ulbig, als er Leipzigs OBM eine Waffenverbotszone in der Eisenbahnstraße aufschwatzte. Jetzt wehren sich die Engagierten aus der betroffenen Straße.

Seit Bekanntwerden der neuen Verordnung zur Einrichtung einer sogenannten „Waffenverbotszone“ in der unteren Eisenbahnstraße in der Höhe des Rabet engagiert sich das Ost-Passage Theater in einem immer breiter werdenden Bündnis aus lokalen Akteuren und Anwohner/-innen dagegen.

„Kurzfristig haben wir am vergangenen Sonntag eine Informations- und Aufklärungsveranstaltung mit in unser Programm genommen, auf der das Für und Wider mit ca. 60 Multiplikatoren aus dem betroffenen Viertel diskutiert wurde“, erklärt dazu Daniel Schade von der Initiative Ost-Passage Theater. „Gemeinsam haben wir außerdem einen Offenen Brief formuliert, der einen breiten Konsens widerspiegelt. Die geplanten Maßnahmen sind aus unserer Perspektive keineswegs geeignet, die Probleme vor Ort nachhaltig zu lösen.“

Mit der Verhängung einer Waffenverbotszone hat Markus Ulbig die lebendige Straße im Leipziger Osten weiter stigmatisiert, ganz im Sinn von diversen Medien, die einfach mal behaupten, das sei die „gefährlichste Straße Deutschlands“, obwohl sie das nicht ist.

Die bunteste Straße Leipzigs ist sie wohl – beliebt bei Menschen mit kleinen Geldbeuteln, Migranten und Studierenden. Das prägt ihr Flair. Das begründet aber auch die Probleme, keine Frage. Etwa die Drogenproblematik, die hier nun seit zwei Jahrzehnten mit immer größerem Polizeiaufgebot „bekämpft“ wird. Lerneffekt? Keiner.

Im Gegenteil: Je mehr CDU-geführte Landesregierungen deutschlandweit wieder auf eine straffe Law&Order-Politik setzen, umso mehr kommen auch die alten und so gründlich erfolglosen Rezepte wieder zur Geltung.

Dem Quartier hilft das wenig bis gar nichts. Und es torpediert in Teilen die städtische Sozialarbeit und auch das Engagement der Vereine und Initiativen vor Ort. Und es diskriminiert natürlich die Menschen, die hier wohnen.

Was tun?

In einem Offenen Brief schlägt die Initiative Ost-Passage Theater vor, endlich ein stimmiges Gesamtkonzept für das Stadtviertel aufzulegen.

„Wir fordern anstelle der Waffenverbotszone ein wirkungsvolles Gesamtkonzept, das der Einwohnerschaft des Viertels mit Respekt begegnet und an den Ursachen ansetzt“, heißt es in diesem Offenen Brief, den wir unterm Artikel auch verlinken.

„Dazu gehört zum einen eine Polizei, die sich nicht wie bisher im Polizeiposten versteckt oder das Viertel im Streifenauto durchfährt, sondern im Quartier verwurzelt ist und vertrauensvoll mit den hier lebenden Bürgerinnen und Bürgern zusammenarbeitet. Zum anderen brauchen wir wirksame Präventionsangebote: soziokulturelle Angebote, verstärkte Jugendhilfe, insbesondere für gefährdete Kinder und Jugendliche, und eine Drogenhilfe, die Betroffenen hilft, statt sie zu kriminalisieren. Sicherheit wächst nur aus Zusammenarbeit und gegenseitigem Respekt vor Ort.“

Was wohl – sehr zurückhaltend formuliert – Polizei und Innenministerium ein gewisses Kolonialverhalten attestiert. Selbst die Polizei geht hier nur hinein, als würde man eine rebellische Insel mit ungetauften Wilden besuchen. So löst man natürlich keine Probleme und keine Konflikte.

Die Initiative Ost-Passage Theater unterstütze deshalb auch die geplante Kundgebung am Montag, 5. November, die sich gegen die Stigmatisierung und Kriminalisierung der Eisenbahnstraße wendet.

Der Offene Brief zur Waffenverbotszone.

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