Mehr als eine Million Menschen sind bisher aus der Ukraine geflohen. Während alle Fliehenden ein Schicksal teilen, unterscheidet die Europäische Union zwischen guten weißen und schlechten nicht-weißen Geflüchteten. Nicht alle Schutzsuchenden besitzen die ukrainische Staatsbürgerschaft. Aber auch in der Ukraine leben verschiedene Menschen mit Migrationshintergrund.

Unter ihnen etwa 75.000 internationale Studierende z. B. aus Afrika oder Asien. Schon bei der Flucht erfahren nicht-weiße Fliehende Gewalt und Rassismus.

Leipzig bereitet sich auf die Ankunft von vielen Schutzsuchenden vor. Eine neue Sonderreglung des Bundesinnenministeriums soll Ukrainern den Aufenthalt vereinfachen. So können sie sich bis zu 90 Tage visumfrei in Deutschland aufhalten.

In den Aussagen der Stadt, sowie des Bundes ist immer die Rede von ukrainischen Staatsbürgern, kritisiert Co-Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD Leipzig. Was ist nun also mit den vielen nicht-Ukrainern, die sich legal in der Ukraine aufhielten? Das weiß niemand so genau. Denn ihr Status bleibt weiter ungeregelt.

Die Vergessenen bleiben vergessen

Diese Menschen mussten nicht nur eine traumatisierende Flucht voller Gewalt und Ungewissheit durchleben, sondern sind jetzt auch noch strukturellem Rassismus von Institutionen, Medien, Firmen und der Politik ausgesetzt. Denn in Europa scheint man es nur wert zu sein, Hilfe zu erhalten, wenn man weiß, blauäugig und christlich aussieht.

„Die Europäische Solidarität hat mich zunächst sehr gerührt. In der Vergangenheit musste die EU immer erst 1.000 Tode sterben, bevor es möglich wurde sich nur zu einem Funken Solidarität durchdringen zu können. Die vielen Angebote, von der Telekom bis zur Deutschen Bahn, zeigen auch, wie viel hierzulande möglich sein kann“, sagt Dennis Chiponda, Mitglied im Stadtvorstand der SPD Leipzig.

Weiter ergänzt der Co-Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD Leipzig:

„Was mich zutiefst schockiert hat, ist allerdings, dass Staatschefs und Medien nun darüber reden, dass dieses Mal zivilisierte Menschen fliehen. Das ist purer Rassismus. Viele dieser international Studierenden wollen nicht mal in der EU bleiben. Sie wollen einfach nur zum nächsten Flughafen gelangen um zurück in ihre Heimat zu kommen. Dabei sollten wir sie unterstützen oder es ihnen ermöglichen in Deutschland ihr Studium zu beenden. Gelingt es ihnen, ein Flugzeug in die Heimat zu erwischen, dann verlassen sie Europa mit Enttäuschung im Herzen.

Denn ihnen ist bewusst geworden, dass sie hier nur Menschen zweiter Klasse sind. Deutlich wird dieses auch im Hilfsangebot der Stadt. Während die Homepage ins Ukrainische und Russische übersetzt wurde, ist nicht einmal die Übersetzung ins Englische bedacht worden. Weiterhin werden im Feld ‚Häufig gestellte Fragen‘ nur Fragen für ukrainisch-stämmige Menschen erklärt. Auch die kostenlose Nutzung des MDV ist nur Menschen vorbehalten, die aus der Ukraine stammen. Was die Stadt versäumt hat, müssen jetzt nicht staatliche Organisationen auffangen.“

Recht müsse aber für alle gleichermaßen gelten. Dem institutionellen Rassismus innerhalb der Behörden könne nur begegnet werden, wenn endlich mehr Menschen mit Migrationsgeschichte angestellt werden. Denn nur dort könnten sie auf genau diese Missstände hinweisen.

Jetzt sofort müsse allen Flüchtlingen, egal welcher Herkunft oder Religion, geholfen werden. Jeder vergessene Mensch sei ein weiterer Sargnagel im maroden Moralkonstrukt der EU.

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